Peter Schmidt, Krankenpfleger und Weggefährte von Schwester Magdalena, stellte die folgenden Informationen zur Verfügung. Sie wurden vor Jahr und Tag in der Festschrift “Erinnerungen – 130 Jahre Krankenpflege in Halle, Saale” veröffentlicht. Ein herzliches Danke an Peter Schmidt für die Vermittlung!
Der erste Beitrag stammt von Dr. Ernst Fukala, seinerzeit Kinderarzt und Ärztlicher Direktor im St. Barbara-Krankenhaus. Er schrieb…
Magdalenas Reich
Lange war das Labor Schwester Magdalenas Reich und später für viele Jahre das ganze Krankenhaus.
So wie es in der Natur eine „Nahrungskette“ gibt, in der das aufgenommene Gift von unten nach oben, von einem auf den anderen übergeht und der Letzte vielleicht daran stirbt, gibt es im Krankenhaus eine „Katastrophenkette.“ Findet zum Beispiel die Schülerin keine Mullbinde mehr im Schrank, wendet sie sich an die nächste Schwester, diese dann an die Stationsschwester und so geht es stufenweise die Treppe der medizinischen Hierarchie aufwärts, bis das Problem bei der Schwester Oberin auf dem Tisch liegt. Wenn unterwegs auf dieser Spirale der Verantwortung niemand Mullbinden gefunden hat, ist die Oberin nicht zu beneiden. Sie kann zwar den Herrgott um Hilfe bitten, die Lösung des Problems muss sie auf Erden jedoch selbst finden.
Das ist der Alltag auch von unserer Oberin, Schwester Magdalena, gewesen.
Die Beschafferin
Mehrmals ist es geschehen, dass die Lieferung von Wofasept ausgeblieben ist, das als Desinfektionsmittel unentbehrlich war.
Jeder Leser dieser Zeilen hat sofort den unverwechselbaren“ Wohlgeruch“ in der Nase, nach dem alle Kliniken in der DDR gestunken haben. Aber wenn das Mittel fehlte, konnte der Mangel für unsere Patienten lebensgefährlich werden. Darum ist Schwester Oberin umgehend in ihren Wartburg gestiegen, und in Richtung Wolfen gefahren. Wie sie in den VEB “Chemiekombinat Bitterfeld“ hineingekommen ist, habe ich sie nie gefragt, denn sie ist stets mit einigen Kanistern des kostbaren Bakterientöters heimgekehrt.
Ob ihr im atheistischen Staat das Ordenshabit die Türen geöffnet hat, ihr entwaffnendes Lächeln oder ein Päckchen Westkaffee, ist ihr Geheimnis geblieben. Die Krankenhaushygiene jedenfalls und die Patienten waren gerettet.
Die Retterin
Gerettet hat unsere Oberin auch mehrmals Angehörige der Nationalen Volksarmee, die in der Nacht auf das Krankenhausgelände vorgedrungen waren. Denn in der Barbarastraße wohnten 30 hübsche Mädchen der Schule für Kinderkrankenschwestern unterm Dach, die eine ungeheure Anziehungskraft auf die Rekruten in der benachbarten Kaserne ausgeübt haben. Zwar gab es eine mit Stacheldraht bewehrte Mauer zwischen den Grundstücken, die aber kein Hindernis für, in der Kriegsführung ausgebildete, Männer dargestellt hat. Sie sind sogar über Mauern, Nebengebäude und Blitzableiter bis zur Klausur im vierten Stock geklettert, aber dann war Schluss, noch bevor sie die anziehenden Fenster im Dachgeschoss erreicht hatten. Ihr Rumoren hat Schwester Oberin auf den Plan gerufen, die mit ihrer großen Taschenlampe bewaffnet, der Sache nachgegangen ist. Ein Kampf hat allerdings nie stattgefunden, wenn sie den kurz vor dem Absturz auf einem Sims zitternden Eindringling gestellt oder vom hohen Balkon heruntergeholt hatte. Die starken Kerle haben sich klein gemacht vor der achtungsvollen schwarzen Gestalt in der Nacht.
Die Nothelferin
Die mutige Oberin hat der heiligen Barbara Ehre gemacht und könnte, in der Nachfolge der Patronin unseres Krankenhauses , die fünfzehnte Nothelferin geworden sein.
Auch Peter Schmidt selbst verbindet mit Magdalena zahlreiche Erinnerungen. Er schilderte einige in besagter Festschrift…
Der Schlüssel
Ich hatte meinen Generalschlüssel verbummelt. Bekam ihn aber zum Glück recht schnell zurück. Da musste ich an meine Chefin Schwester Magdalena denken. Sie trug ihre Schlüssel immer an einer feinen Kette. Noch heute hängen meine wichtigen Schlüssel an einer Kette, und ich habe sie immer griffbereit.
Die Bettwäsche
Wir waren gerade erst frisch verheiratet. In der DDR war ja alles knapp. Unsere Oberin wollte uns eine Freude machen und schenkte uns Bettwäsche. Wir hatten natürlich keine Waschmaschine, und so gaben wir Tischtücher und Bettwäsche in die staatliche Wäscherei.
Als wir unsere Sachen zum vereinbarten Termin abholen wollten, war die neue Bettwäsche nicht dabei. Man vermutete, wir hätten sie gestohlen [sie ähnelte verdächtig der Krankenhausbettwäsche]. Nur, wenn wir einen Nachweis über die Herkunft erbrächten, würden wir sie ausgehändigt bekommen. Schwester Magdalena rief sofort in der Wäscherei an und nahm uns in Schutz. Mit einer schriftlichen Bestätigung durch die Oberin und der Unterschrift des Verwaltungsleiters erhielten wir unsere Wäsche zurück. Wir haben sie dann aber zukünftig lieber selber gewaschen.
Der Tod einer Ordensschwester
Der erste Sterbefall einer Ordensschwester war für mich eine Besonderheit. Die Ordensschwestern haben einen weißen Sarg. So wie das weiße Brautkleid. Ihr Leben ist erfüllt – sie gehen zu Gott im Brautkleid und das Zeichen nach außen ist der weiße Sarg. Ein schönes Symbol!
Die Ordensschwestern wurden aus dem Krankenhaus durch eine eigene Friedhofstür auf den neben dem Krankenhaus gelegenen Friedhof gebracht. Das Tor ist schon lange zugemauert. Den Schlüssel für das Friedhofstor habe ich von Schwester Magdalena übernommen. Er ist noch heute in meinem Besitz.