Der Bogen beim Schwestern-Abschied an diesem Sonntag war fast überstark gespannt. Noch einmal erlebten weit über 200 Gläubige die Freude an liebevoller Gemeinschaft mit unseren drei Ordensfrauen und zugleich Traurigkeit über den unmittelbar bevorstehenden Wegzug der Schwestern. Schon am Abend des Festes musste Schwester Claudia den Ort ihres fast 30-jährigen Wirkens verlassen – eine Zumutung. Schwester Franziska und Schwester Magdalena werden in den nächsten Tagen abreisen.
Der Abschiedstag, Sonntag, 29. Juli 2018, begann mit einer Heiligen Messe in der St.-Ludgerus-Kirche. Menschen aus den vier Neuauwiewitt-Gemeinden füllten das Gotteshaus prall. Sie schoben in den Bänken Schulter an Schulter und schwitzten gern noch ein bisschen mehr, damit alle sitzen konnten. Es reichte nicht. Viele feierten draußen vorm Kirchportal mit.
Die Schwestern mussten eine Neuerung ertragen. Sie wurden in die erste Kirchbank geleitet. Oberin Schwester M. Magdalena protestierte lächelnd mit ihrem Finger. Der tippte auf das kleine Messingschild in der angestammten zweiten Bank. “Schwestern” steht darauf. Magdalena ließ sich umleiten (das Schild ist fortan verwaist).
Martje Laubrock ließ die Orgel erschallen. “Nun jauchzt dem Herren, alle Welt. Kommt her, zu seinem Dienst euch stellt.” Ausgerechnet dieses Jubellied? Ja, genau dieses Danklied und Geleitlied! “Als guter Hirt ist er bereit, zu führen uns auf seine Weid.”
Pfarrer Johannes Ehrenbrink schlug in seiner Einführung den Spannungsbogen zwischen Himmel und Erde. “Wir feiern Eucharistie”, sagte er, das sei Danksagung – Dank an diesem Sonntag auch für 72 Jahre Schwesternzeit in Neuauwiewitt und Dank an die drei Schwestern.
Der Kirchenchor sang trotz Ferienzeit mit erstaunlicher Personen- und Stimmfülle “Lobe den Herrn, meine Seele.” Die Schwestern Claudia und Franziska, beide bis Sonntag Chormitglied, lobten in der ersten Bank leise mit, immer wieder gehalten und ermuntert von Blicken mit kleinen Liebesgrüßen aus der Sangesgemeinschaft.
Der Zwischengesang des Chors wartete mit einer kleinen Anleitung für schwere Lebenslagen auf: “Lass deinen Mund stille sein, dann spricht dein Herz. Lass dein Herz stille sein, dann spricht Gott.”
Pastor Carl Borromäus Hack trug das Evangelium von der Brotvermehrung vor. Johannes Ehrenbrink predigte, es sei ganz auf Jesus bezogen. Da sei allerdings noch der Junge, der fünf Brote und zwei Fische gegeben und damit das Wunder möglich gemacht habe.
So sei es bis heute. “Jesus braucht Hilfe. Jesus braucht uns, um wirken zu können. Wenn wir geben, was wir haben und was wir können, dann kann das Wunder geschehen, dann kann den Menschen geholfen werden.”
So hätten auch die Schwestern gelebt und gehandelt. Sie hätten sich in den Dienst Jesu gestellt. Ehrenbrink würdigte in seiner Predigt jede einzelne Schwester und den kleinen Konvent. Er sprach auch über künftige Entwicklungen im Schwesternhaus. Dort werde weiterhin der Geist der Solidarität, der Mitmenschlichkeit, der Hilfsbereitschaft und der menschlichen Zuwendung wehen. “Das ist für die pastorale Ausrichtung unserer Gemeindearbeit, die im Sinne Jesu nur eine gleichzeitig soziale sein kann, von immenser Bedeutung.”
Johannes Ehrenbrink: “Ob das auf Dauer durch eine Ausweitung der Kita-Räumlichkeiten oder durch die Nutzung durch die Caritas, die jetzt zunächst beschlossen ist, oder auf andere Weise geschehen wird, wird die Zeit zeigen.”
Nach der Kommunion beschenkte Martje die Schwestern mit Mendelssohn-Bartholdys “Sei stille dem Herrn und warte auf ihn. Er wird dir geben…” – wertvolle Momente der Einkehr.
Brigitte Hesse und Dorothee Bröker besangen die Schwestern munter und ernst und ernannten kurzerhand die ganze Gemeinde zum Refrain-gebenden Teil. Das klappte ohne große Vorwarnung und Probe.
Nach dem Segen dankte Beate Eggers im Namen der Kirchenvorstände und Pfarrgemeinderäte der Pfarreiengemeinschaft den Schwestern. Sie dankte auch dem Orden und ging durchaus kritisch in einem Satz auf die Art und Weise ein, in der der Konvent aufgelöst worden ist.
Sie überreichte den Schwestern Bücher: Sie sind gefüllt mit Erinnerungen in Form von Fotos, persönlichen Porträts und weiteren Texten aus der gemeinsamen Zeit.
Den Büchern lag für jede Schwester ein Brief von Diözesanbischof Dr. Franz-Josef Bode bei. Er beschrieb die “Jahrzehnte überaus segensreichen Wirkens, in denen Sie und Ihre Mitschwestern das Gesicht der Kirchengemeinde deutlich mitgeprägt haben. Ihre Gemeinschaft wird uns fehlen.”
Er gab den Schwestern mit auf den Weg: “Bei aller Trauer wollen wir nicht vergessen, dass gerade die Zeiten des Loslassens und Abschiednehmens Zeiten der besonderen Nähe Gottes sind.” Und weiter: “Möge Gott segnen, was Sie zurücklassen müssen, und Sie stärken und begleiten auf Ihrem weiteren Weg.”
Wie eine Riege von Mainzelmännchen marschierte die Dekanatsjugend aus der Sakristei und dankte jeder Schwester mit einem hölzernen Schlüssel. Immer wieder hätten die Schwestern ihnen Verschlossenes geöffnet. Diese Zeit sei nun vorbei, sagte Dekanatsjugendreferent Dennis Pahl. Aber die Schlüssel seien immer noch gut geeignet, um Herzen zu öffnen.
Für die Ökumene dankte Pastor Peter Schröder-Ellies. Er zitierte Jesaja 37,16: „Herr Zebaoth, du bist allein Gott über alle Königreiche auf Erden, du hast Himmel und Erde gemacht.“ Diese Tageslosung für den 31. Juli sei wahrhaft ökumenisch. Nicht der Gott einer Ortsgemeinde, nicht der Gott einer Konfession werde angerufen, sondern der Gott „über alle Königreiche auf Erden“! Diesem Geist der Weltoffenheit versuche die Ökumene in Aurich seit Jahrzehnten zu entsprechen – “und Sie, liebe Schwestern, waren immer ein Teil dieser geschwisterlichen Verbundenheit.”
Bürgermeister Heinz-Werner Windhorst dankte den Schwestern, “dass Sie die christliche Nächstenliebe dauerhaft in Aurich vertreten haben und über Jahrzehnte vorgelebt haben. Sie werden dieser Stadt fehlen – als überzeugende Vertreterinnen Ihres Glaubens und als engagierte Christinnen.” Persönlich dankte er für manches “Wort, das mir Kraft gegeben hat”.
Seine Geschenke sorgten für Spontan-Beifall der Festgemeinde. Er drückte jeder Schwester für künftige Teezeremonien in Reinbek, Dresden und Berlin-Tempelhof ein graviertes Stövchen samt Ostfriesen-Kanne in die Hand.
Johannes Ehrenbrink und Steffi Holle dirigierten die versammelte Gemeinde zu weiteren Höhepunkten. So machten sich die Schwestern als erste auf den Weg aus der Kirche. Spontan standen alle Kirchbesucher auf und bildeten Beifall klatschend ein erstes Spalier. Das zweite stand draußen vor der weit geöffneten Tür und säumte den Weg der Schwestern bis zur Straße. Alle trugen rote Rosen.
Im Bonihaus nahmen die Schwestern an einem Ehrentisch Platz und eröffneten das Büffet. In einem Zelt lockte es mit Duft nach Braten und anderen Köstlichkeiten.
Über 40 Helferinnen und Helfer waren in der Vorbereitung aktiv gewesen und natürlich während der Feier im Einsatz – als Büffetkräfte, als Kellner, als Küchenfeen, als Helferinnen und Helfer im großen Saal und in einem Speisezelt und bei vielen anderen Verrichtungen. Sie berieten in Fragen der zahlreichen selbst gebackenen Kuchen (“Ist da Zucker drin?”), hielten ihre ärztliche Kunst parat (Elke), trugen volle Teller oder räumten leere ab.
Derweil verabschiedeten sich die Festgäste von den drei Schwestern. Viele hatten kleine persönliche Andenken mitgebracht, und viele mochten sich aus den Umarmungen kaum lösen. Die Schwestern wirkten gefasst, manchmal tapfer gefasst. Bei anderen flossen Tränen. Versicherungen wurden ausgesprochen: “Wir bleiben in Verbindung.”
Die Feier war in jeder Hinsicht bestens organisiert. Sogar zwei Bettler wurden – ganz im Sinne der Schwestern mit ihrem Haus der offenen Tür – aufs Beste satt. Nach der Abschlussandacht fehlte nur eins, die Hauptsache dieses rundum schönen Tags:
der Konvent mit unseren drei Schwestern.
Text und Fotos: Delia Evers