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Es
war die Jahrhundertentscheidung, auch wenn der neue Kreis Kleve
erst seit 37 Jahren existiert. Mit der Ansiedlung der Hochschule Rhein-Waal (HRW) in Kleve
wird diesem Lebensraum und seiner künftigen Entwicklung auf beste Weise
gedient. Jede Million ist dort
zukunftssicher investiert - zum Nutzen aller Bürger im Grenzraum. Wie
kann es dann sein, dass die
gleichen Verantwortlichen, die das Jahrhundertwerk Hochschule
hingekriegt haben, bei der drohenden Jahrhundertpleite
Airport Weeze wie Tanzbären mit Nasenring wirken? Sie sind über
ihre Entscheidungen seit Ende der 1990er-Jahre in das Machwerk
verstrickt, das nun wie ein Kartenhaus zusammenklappen könnte.
Jedenfalls ist das von
der EU-Kommission angekündigte Prüfungsverfahren wegen Verdachts auf
unzulässige Subvention aus Steuermitteln eingeleitet.
Wer erinnert sich noch an die dunklen Anfänge? Es ist eine Geschichte wie aus
einem vierten Teil der Reihe "Der Pate" von Mario Puzo. Wenn
sie Ihnen etwas wirr erscheint und Sie bei den Namen kaum noch
mitkommen, dann seien Sie versichert: Niemand schaute von außen so
richtig durch, wer da welche Rolle spielte. Der Niederländer
Willem Endstra, der deutschen Ordnungsbehörden nicht geheuer war, stieg
auf Druck der Bezirksregierung als Mitinvestor aus und brachte die
Ersatzmänner Erik de Vlieger (Imca) und Herman Buurman (Marigot) ins
Spiel. Die Anteile an der besitzenden Flughafenfirma wurden zwischen de
Vlieger (40 %), Buurman (30 %) und van de Lande (30 %), dem Inhaber der
flugrechtlichen Genehmigung für Laarbruch, aufgeteilt. Der
ausgebootete Endstra war aber doch nicht von Bord, denn 2002
bezahlte seine Firma offenstehende Handwerkerrechnungen in
Millionenhöhe, die van de Lande nicht hatte begleichen können. Und als
hätte sich das ein Krimi-Autor ausgedacht: Endstra, der im Verdacht stand, Bankier der Unterwelt zu
sein, wurde drei Jahre danach in Amsterdam
erschossen.
2003 ging es Hans van de Lande an den Kragen. Er wurde als
Geschäftsführer abberufen und langsam, aber sicher von Buurman aus dem
Laden gedrängt, bis Buurman behaupten konnte, er kontrolliere 99,9
Prozent der Anteile der besitzenden Flughafenfirma. Dagegen wollte van
de Lande, der auf seinen 30-prozentigen Besitzanteil pochte, gerichtlich
vorgehen. Während die
niederländischen Investoren ihren Kampf um die Vorherrschaft
ausfochten, stand die Flughafenfirma in Weeze - mal wieder - unmittelbar vor dem
Konkurs. In letzter Minute sicherte der Kreistag einen Kassenkredit über
10 Millionen Euro ab. Die Gemeinde Weeze bewilligte weitere drei
Millionen.
Die 13 gepumpten Millionen aus Steuermitteln regten nicht nur Kornelia
Laqueur von der Aktionsgemeinschaft gegen Fluglärm und Luftverschmutzung
auf ("Wann ist das Ende der Fahnenstange erreicht?"). Die Kreis-Grünen
verlangten - natürlich vergeblich - eine Beanstandung des
Kreistagsbeschlusses durch den Oberkreisdirektor. Der Kredit könne gegen
EU-Recht verstoßen, "weil dies als unerlaubte Beihilfe und
Wettbewerbsverzerrung gewertet werden könnte" (Ute Sickelmann).
Da war
es zum ersten Mal aufgeblitzt - das Damoklesschwert der EU-Kommission,
das heute, elf Jahre danach, das gesamte Flughafenprojekt existenziell
bedroht. Dass die Grünen damals mit ihrer grundsätzlichen Kritik richtig
lagen, gilt mit dem aktuellen Eingreifen der europäischen Kontrolleure
als bestätigt.
Andere Kreistagsabgeordnete fühlten sich seinerzeit schlichtweg
überfordert. "Wir haben keine Ahnung, was Sache ist", gestand einer der
Kevelaerer Abgeordneten.
Im Kevelaerer Stadtrat war die Informationslage ebenso dürftig. Aber
eines war klar: "Die Stadt Kevelaer verwahrt sich gegen eine weitere
finanzielle Beteiligung des Kreises Kleve für den Flughafen Laarbruch."
So lautete der Beginn einer Resolution, die die Kevelaerer Grünen
eingebracht hatten. Für den Winnekendonker CDU-Ratsherrn Franz Scholl
war der 10-Millionen-Kredit-Beschluss des Kreistags Anlass, aus der CDU
auszutreten (2004).
Alles falsch, was da über Subventionen geredet werde, behauptete 2004
die Flughafen Niederrhein GmbH in einer Pressemitteilung: "Der zivile
Flughafen Niederrhein wird seit 2002 von einem privaten
Investorenkonsortium betrieben. Die Gemeinde Weeze und der Kreis Kleve
sind zusammen mit weniger als 0,1 Prozent an der Flughafen Niederrhein
GmbH beteiligt. Die privaten Investoren haben bis heute über 50 Mio.
Euro in den Ausbau des Flughafens investiert. 16,5 Mio. Euro davon
wurden als Darlehen beim Kreis Kleve zu banküblichen Konditionen
aufgenommen. 3,5 Mio. Euro Infrastrukturförderung wurden für die
Umsetzung der Konversion vom Militär- zum Zivilflughafen vom Land NRW
beigesteuert."
Die Stunde der Halbwahrheit kam im Sommer 2005, als der
Rückzahlungstermin dräute: Flughafen-Besitzer Hermann
Buurman backte vor der CDU-Kreistagsfraktion kleine Brötchen. Er mache
mit dem Flughafen derzeit 4,5 Millionen Euro Jahresverlust, den er aus eigenen
Mitteln abdecke. Ja, mit welchen denn sonst? Die Vorsitzende der CDU-Kreistagsfraktion, Ulrike Ulrich,
war ganz aus dem Häuschen über soviel Unternehmergeist und zeigte
Verständnis dafür, dass Buurman den 13,5-Millionen-Kredit im Moment
nicht zurückzahlen könne und er - potzblitz! - weitere 6,5 Millionen brauche. "Der Weg
ist immer noch sehr steinig", erkannte Ulrike Ulrich. Und wo man schon
mal gerade dabei war, das alles abzusegnen: 2010 wurde angepeilt als nächster Zeitpunkt, an dem
das gepumpte Geld
zurückgezahlt werden sollte.
Als Eberhard Kanski vom Bund der Steuerzahler davon hörte, schwante ihm:
"Der Flughafen wird zum Subventionsgrab ohne Ende." Es spreche für sich,
dass bisher keine Bank als Kreditgeber gefunden worden sei: "Banken
wollen Geld verdienen, sie sind nicht die Caritas." Der Autor dieses
Beitrags schrieb seinerzeit: "Hat Ihr Betrieb Finanzsorgen? Gibt Ihnen die Hausbank keinen Kredit
mehr? Wenden Sie sich vertrauensvoll an Kreisbankdirektor Wolfgang
Spreen. Der Kreis gewährt Privatinvestoren nicht nur großzügige Kredite.
Er verzichtet auch auf pünktliche Rückzahlung."
2006 schaukelten sich die Finanzprobleme des Airports weiter hoch.
Besorgt
über eine zukünftige finanzielle Belastung des Haushaltes der Stadt
Kevelaer durch eine Erhöhung der Kreisumlage, forderte der Stadtrat Kevelaer das Kreishaus auf, sich
auf keinen Fall noch weiter in das Abenteuer zu verstricken.
Sogar SPD-Landeschefin Hannelore Kraft, heute Ministerpräsidentin des
Landes NRW, holte sich im Landtagswahlkampf 2010 auf Laarbruch blaue Augen: Sie
glaube fest daran, dass Investor Hermann Buurman die inzwischen auf 26,5
Millionen Euro gestiegenen Schulden fristgerecht an den Kreis Kleve zurückzahlen werde. Das hatten die beiden SPD-Landtagskandidaten
für Süd und Nord, Norbert Killewald (Kevelaer) und Bodo Wißen, ihr wohl
zugeflüstert.
Zum selben Zeitpunkt war das bereits Schnee von gestern: Landrat Spreen
wusste längst, dass Buurman wiederum nicht zahlen konnte oder wollte und um
Stundung bis Ende 2016 gebeten hatte, was dann natürlich auch
durchgewinkt wurde. Großzügig bot der Niederländer an,
ab 2011 immerhin für die Zinsen aufzukommen.
Die Dauerpleite mit den Rückzahlungen rechneten sich die Abgeordneten schön: Man
sehe doch die positive Entwicklung des Airports, und da dürfe man keine Insolvenz riskieren.
Dass erneut frisches Geld benötigt wurde, war auch nicht schlimm, denn
ein Bankenkonsortium wollte diesmal tatsächlich 15 Millionen leihen,
allerdings unter der Voraussetzung, dass es den ersten Rang bei den
Forderungen eingeräumt bekomme. Freudig stimmte der Kreistag - immer
ohne die Grünen - dieser Erstrangigkeit zu und ließ den Kreis auf Rang 2
rutschen, wo man nix mehr kriegt, wenn
alles zusammenkracht. "Wir freuen uns, dass der Flughafen sich weiter
exzellent entwickelt", juchzte CDU-Kreistagsfraktionschefin Ulrike
Ulrich, die sich im Film "Die Mädchen vom Immenhof" und nicht im
"Paten", Teil 4, wähnte.
Ja, und dass 2011 die versprochenen Zinsen aus dem Darlehn dann doch
nicht flossen - wen wunderte es noch? War nicht vorher schon klar
gewesen, dass
sich die Abgeordneten wiederum für Stundung aussprechen würden? Und wäre
man nicht ein kaufmännischer Idiot, wenn bei soviel herzhafter Naivität
der Zahlemänner & Söhne der Spielraum nicht weiter ausgereizt worden wäre?
Diese unendlich blöde Geschichte wird vielleicht ein überraschendes Ende
finden. Denn was bei aller Fassungslosigkeit über das Finanz-Engagement
des Kreises übersehen wird: Die größte Gefahr für die Existenz des
Flughafens ist seine schicksalhafte Verkettung mit nur einem
einzigen Anbieter - dem Billigflieger Ryanair, der mit seiner
Unternehmenspolitik irgendwann einen Crash erleben dürfte. Die gehäuften
Notlandungen in diesen Tagen sind erste Alarmzeichen.
Wenn dem exotischen Chef der irischen
Gesellschaft morgen einfiele, seine Flugzeuge abzuziehen - als Protest
gegen die Ticketsteuer hat er schon mal seine Muskeln spielen lassen -, bräche der
gesamte Flughafenladen sofort zusammen. Michael O'Leary hat mit seinen
zum Teil absurden Ideen, wie von Fluggästen Zusatzgebühren
abzuzocken sind, bei vielen Menschen den Eindruck hinterlassen, dass er
vielleicht sogar Freude daran hat, als durchgeknallter Oberflieger zu
gelten. Wenn er, wie unlängst, die
Mitglieder der EU-Kommission "Kommunisten" nennt, die in Brüssel wie im
stalinistischen Nordkorea brave Erfolgsunternehmer verfolgen, dann
verhagelt das in Brüssel jede gute Stimmung, die der Kreis Kleve jetzt
dringend braucht, um nicht sein Waterloo zu erleben.
Die existenzielle Abhängigkeit des Airports Weeze von diesem Exzentriker
ist lebensgefährlich, sträflich und unverantwortlich. Wenn dem Michael O'Leary morgen etwas
quersitzt, macht es puff und wir haben womöglich einen
Flugplatz ohne Flugzeuge an der Backe - und das ganz ohne Zutun der
Prüfer in Brüssel.
Donnerstag, 20. September 2012
© Martin Willing 2012