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  Blattus Martini | ACH SO!

Vom Streben nach Glück und geschmacklosen Tombola-Gewinnen

Blühen oder Brühen - das ist hier die Glücksfrage

Hilfe, wir werden ständig beglückt! Selbst wenn wir bei einer Tombola auf einem Vereinsfest eine geschmacklose Vase oder einen Wandbehang von unbeschreiblicher Scheußlichkeit gewonnen haben, steht unter dem Foto in der Zeitung zu lesen: "Die glücklichen Gewinner sind ..." Und das im Angesicht von bedauernswerten Mitmenschen, die saurer gar nicht gucken können.

LottokugelnDer Glück-Begriff wird inflationär benutzt und dadurch immer sinnleerer. Er gerät zur dummen Floskel wie die Begrüßung "Wie geht es Ihnen?", auf die niemand eine ehrliche Antwort erwartet. Wird die dahergeschwätzte Besorgnisfrage abweichend von der Norm mit "Schlecht" beantwortet, kommt ein gedankenloses "Schön!" oder ein hilfloses "Und sonst?".

Glück beim Lotto? Wer braucht schon die Millionen?

Was Glück ist, wissen zum Glück die Lottospieler. Wenn sie von einem Millionengewinn träumen, sind sie glücklich. Und nach jeder Ziehung sind sie es auch, denn nun nimmt das Glück einen neuen Anlauf.

Nein, das ist natürlich nur ein kleiner Ausschnitt aus der vielschichtigen Bedeutung von Glück. Wenn ein Mann seiner Freundin etwas Schönes ins Ohr flötet, löst das bei ihr ein "plötzliches Glücksgefühl" aus. Wir sprechen dann von einem Moment-Glück. Sind die beiden Liebenden ständig am Flöten, weist das auf einen Dauerzustand hin. Wir sprechen dann von anhaltender Glückseligkeit. Und brabbelt der Kerl übelgelaunt über das ausnahmsweise missglückte Mittagessen, haben wir es mit einem Blödmann zu tun, der nicht weiß, was Glück ist. Wir sprechen dann von Szenen einer Ehe.

"Glück" ist ein sehr alter Hut und stammt als Begriff von "gelucke" oder "gelücke" ab, worunter man im tiefen Mittelalter das gute Endergebnis eines Entwicklungsprozesses oder Ereignisses verstand.

Das Streben nach Glück ist nicht nur menschlich, sondern sogar ein Grundrecht der Menschen. Es findet sich in der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten und wird auch in der dritten Strophe des Lieds der Deutschen, in unserer Nationalhymne, besungen: "Einigkeit und Recht und Freiheit / Sind des Glückes Unterpfand - Blüh im Glanze dieses Glückes, / Blühe, deutsches Vaterland!"

Wer nun glänzende Augen kriegt, sollte prüfen, ob er auch während des alltäglichen Zusammenlebens für "Einigkeit und Recht und Freiheit" blüht oder sich die Zunge verbrennt wie die Sängerin Sarah Connor 2005 beim falschen Singen der Nationalhymne:

"Brüh' im Lichte dieses Glückes..."

Donnerstag, 22. November 2012

© Martin Willing 2012