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Gibt
es den Kirchenaustritt light, bei dem der Katholik zwar die
Mitgliedschaft in der "Amtskirche" aufkündigt, aber gleichzeitig
katholisch bleibt und die Sakramente empfangen darf?
Nein, das wäre ja noch schöner.
Freilich wissen wir das nicht erst seit Mittwoch. Da hat das
Bundesverwaltungsgericht sein Grundsatzurteil zur erfolglosen Klage des
Kirchensteuer-Rebells Hartmut Zapp verkündet: Wer in einer deutschen
Amtsstube seinen Austritt aus der katholischen Kirche erklärt, ist
draußen.
Und das in Echt: Exkommuniziert, kein Sakramentenempfang, kein
Priester bei der Beerdigung. Freifahrschein in das, was man mit Verdammnis
umschreibt.
Wer also austritt, ist exkommuniziert und von allen Sakramenten und
Segnungen der katholischen Kirche ausgeschlossen - so die
Rechtsauffassung der katholischen Bischöfe in Deutschland bis vor zwei
Tagen.
Allerdings hatte schon 2006 niemand Geringerer als der Vatikan
geurteilt, dass dieser
deutsche Sonderweg irrig sei: Ein vor staatlicher Stelle erklärter
Austritt reiche nicht für eine Exkommunikation und damit die Aberkennung
aller kirchlichen Rechte aus.
Aha! Wenn der Schritt keine Exkommunizierung zur Folge hat -
gibt es ihn dann doch - den Kirchenaustritt light?
Das nun nicht gerade. Die deutsche Bischofskonferenz besserte - sechs
Jahre nach den Beanstandungen durch den Vatikan und wenige Tage vor der
Urteilsverkündung des Bundesverwaltungsgerichts - die
Rechtsvorschriften endlich nach und bekam für die Neufassung, die am
Mittwoch in Kraft trat, den Segen Roms. Danach ist der
Ausgetretene zwar keineswegs exkommuniziert, aber aller Mitgliedsrechte in
der Kirche verlustig.
Was heißt das? Ist das nicht dasselbe in Grün?
Nein, im theologisch-wissenschaftlichen Sinne könnte der verlorene Sohn durchaus noch Sakramente
empfangen, aber im wirklichen Leben nicht, denn er kriegt keine. Der Priester darf sie
ihm auch nach der rechtlichen Neufassung nicht gewähren - weder das Sakrament der Buße (Beichte,
Absolution), noch die
Eucharistie, noch die Firmung. Lediglich bei der Krankensalbung hat der
Priester einen kleinen Spielraum: Ist das verlorene Schaf in
Todesgefahr, darf der Geistliche die Krankensalbung spenden, die früher
"Letzte Ölung" hieß.
Auch wenn nicht auf Anhieb erkennbar ist, worin Unterschiede zu früher
bestehen, verspricht das nach Intervention des Vatikans neu gefasste
Kirchengesetz, das seit Mittwoch gilt, eine etwas "leicht barmherzigere"
Behandlung der Kirchen-Abgänger. So müssen die Pfarrer künftig jedem
Ausgetretenen ein Gespräch anbieten und bei diesem Gespräch die
"Versöhnung mit der Kirche" und die "Rückkehr zur vollen Ausübung der
Rechte und Pflichten" zum Ziel machen. Denn ist nicht ausgeschlossen,
dass sich der Betroffene nicht voll darüber im Klaren war, was er sich
mit seinem Austritt eingehandelt hat.
Gekippt hat der Vatikan auch die rigorose Verweigerung eines
kirchlichen Begräbnisses nach dem Kirchenaustritt. Die Aussegnung durch
einen Priester muss (falls sie von Angehörigen gewünscht wird) nicht
mehr grundsätzlich abgelehnt werden.
Ja, und was hat denn der emeritierte Professor und Freiburger
Kirchenrechtler Hartmut Zapp nun vor dem Bundesverwaltungsgericht
erreichen wollen? Das wissen wir auch nicht, denn was immer die Richter
zivilrechtlich entscheiden würden - es war von vornherein klar, dass das
keinen Einfluss auf das innerkirchliche Recht haben würde. Ein Erfolg
vor dem Zivilgericht hätte "lediglich" das System der deutschen Kirchensteuer zum Wackeln
bringen können. Und die hat mit den Heiligtümern der Kirche, den
Sakramenten, nicht das Geringste zu tun.
Sollte man meinen.
Die Vorgänge werfen leider Fragen auf, die sich mancher so noch nicht gestellt
hat. Auf die abstruse Idee, dass sich Sakramentenempfang und Kirchensteuerzahlung
gegenseitig bedingen könnten, waren Menschen guten Willens bisher noch
gar nicht gekommen.
Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hat
in einer Stellungnahme zum Urteil einen solchen scheinbar bestehenden Zusammenhang
angedeutet: "Es geht
hier um Solidarität". Wer zur katholischen Kirche gehöre, leiste auch
einen finanziellen Beitrag. "Wer unsolidarisch ist, verabschiedet sich
aus der Gemeinschaft der Glaubenden - nicht nur aus einer Körperschaft
öffentlichen Rechts". Die Solidarität der Glaubenden sei nach Angaben
des Erzbistums auch deshalb unverzichtbar, weil fast zwei Drittel der
Katholiken keine Kirchensteuer zahlen müssten: Arbeitslose, Rentner,
Kinder und alle Personen, die kein eigenes Einkommen beziehen
(Quelle: domradio.de, 26.9.2012).
Durch die inhaltliche Verknüpfung von Sakramentenverweigerung (nach
Kirchenaustritt) und Kirchensteuerzahlung wird in der Öffentlichkeit
geradezu zwangsläufig und fahrlässig die Annahme befeuert, dass zwar
die heiligen Sakramente auf Christus zurückgehen, in Deutschland aber -
im Prinzip - an die Zahlung der Kirchensteuer gekoppelt sind.
Wenn das am Ende im deutschen Publikum haften bleibt, nämlich, dass
empfängt, wer zahlt, haben Kirchenmänner in diesen Tagen einen theologischen
Super-GAU ausgelöst.
Donnerstag, 27. September 2012
© Martin Willing 2012