Vos, Karl
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Unternehmer
aus Wetten | * 1920 | † 1990
In
Wetten und darüber hinaus erinnern sich viele Menschen mit Achtung an
Unternehmer Karl Vos, der dem Dorf viel gegeben hat.
Die Dorfbewohner kennen Karl Vos als einen Mann, der arbeiten kann wie
ein Pferd. Von Hause aus Weber, kehrt er nach dem Krieg nach Wetten
zurück und muss erst einmal einen alten Wunsch begraben: Aus dem Besuch
einer Ingenieurschule wird nichts. Praktische Arbeit ist angesagt.
Karl Vos beginnt bei Müller Sauels, der von Schloss Wissen die alte
Wettener Wassermühle an der Niers gepachtet hat, und hilft Getreide zu
mahlen, genau dort übrigens, wo die Firma über Jahrzehnte wirtschaften
wird.
1949 wird Karl Vos selbst Betreiber der Mühle; er verkauft
Kleintierfutter und mahlt Weizen und liefert die Säcke mit einer
Pferdekutsche an Bäcker und erlebt dabei allerlei. Einmal ist er auf der
Hauptstraße in der Marienstadt mit seinem Gespann unterwegs, lädt ab,
packt sich einen Sack auf den Buckel und geht in eine Bäckerei, als das
Pferd sich kurzentschlossen in eine Prozession eingliedert, die zur
Basilika zieht. Alle paar Meter verliert es einen Sack Mehl. Vos braucht
nur dem bestreuten Weg nachzugehen, um seinen Gaul zu finden.
1954
beteiligt er sich an dem Stilllegungsprogramm für Weizenmühlen. Es gibt
zu viele davon. Vos verlegt sich auf Kohlenhandel und Fäkalienabfuhr. Er
pumpt bei den Bauern die Jauchekeller leer. Seine Kunden gewinnt er u.a.
über Inserate wie dieses: "Gruben und Senken entleert sauber und
preisgünstig die Wettener-Fäkalien-Abfuhr. K. Vos - Wetten, Ruf:
Kevelaer 191".
Karl Vos als junger Unternehmer.
1960 kauft er die Mühle für 18.000 Mark und knüpft weitreichende
Geschäftsbeziehungen, unter anderem zu einem Holländer namens Meerakker,
der mit seiner Kunstmilch für Kälber in eine Marktlücke gestoßen ist.
Mit ihrer Hilfe können die Kälber früh von den Mutterkühen abgesetzt
werden: Deren wertvolle Milch steht für den Verkauf zur Verfügung. Karl
Vos vertreibt das Kunstprodukt unter dem Namen Mera (abgeleitet von
Meerakker) bald in der ganzen Bundesrepublik.
1971 erleidet die Mühle einen furchtbaren Rückschlag. Bei einer
Staubexplosion werden drei Männer getötet; der Betrieb ist zerstört.
Karl Vos beginnt sofort mit dem Wiederaufbau, sucht neue Vertriebswege
auch im Ausland und handelt mit Partnern im sozialistischen Jugoslawien.
Mera-Geschäftsführer Bernd Vos über seinen Vater: „Er war weitsichtig
und offen; er blickte früh über den Tellerrand.“
Als der Junior sich 1979 anschickt, in das Geschäft einzusteigen, ist
für den Senior klar, dass „wir dann noch was anderes machen müssen als
Kälbermilch.“ Längst sieht er den Preisverfall im Markt voraus. Sie
kommen in Kontakt mit einer Firma, die bei Mera Hundefutter herstellen
lassen will. Bernd Vos: „So sind wir auf den Hund gekommen.“ Sie bauen
eine Anlage, produzieren und beliefern die Firma, die sich allerdings
nach einem halben Jahr plötzlich zurückzieht. Bernd Vos: „Da standen wir
mit unserer Anlage…“
Bernd Vos akquiriert Aufträge, um die Maschinen auszulasten. Er fährt zu
Hundeschauen und Züchtern und entwickelt das Produkt weiter - sein
Ingenieurstudium der Lebensmitteltechnologie gibt ihm die richtigen
Impulse. In der ersten Zeit kippt Vos die Zutaten in eine
Betonmischmaschine.
Mera Dog gewinnt Kunden. 1985 ist die Marke so gut auf dem Markt
positioniert, dass Karl und Bernd Vos beschließen, Produktion und
Vertrieb von Kälbermilch auslaufen zu lassen und sich auf
Heimtiernahrung zu konzentrieren. Sie setzen auf Innovation und
installieren eine Extrusionsanlage, eine Maschine, mit der Lebensmittel
unterschiedlichster Art produziert werden können - von Gummibärchen über
Knäckebrot bis zu Hundefutter.
Wie
sehr Karl Vos von seinen Produkten überzeugt ist, demonstriert er wie
beiläufig bei einem Betriebsbesuch von KB-Mitarbeitern in den
1980er-Jahren: Vos greift beim Rundgang ein Bröckchen Hundefutter und
knabbert an ihm herum, als wäre es ein leckerer Snack.
Karl Vos Mitte der 80er-Jahre.
In den 1990er-Jahren blüht das Unternehmen auf. Heute liefert es unter
der Leitung von Bernd Vos in viele Länder, aber das ist eine andere
Geschichte.
Karl Vos ist nicht nur der erfolgreiche Unternehmer, nicht nur der
strenge Vater seiner sechs Kinder, die seine Frau
Hedwig, geb. Selders, zur
Welt bringt und umsorgt. Er ist auch in Gremien der Pfarrgemeinde aktiv
und der Präsident der Geselligen Vereine von Wetten, ein Mensch, der
sich mit dem Dorf und dessen Gemeinwesen identifiziert.
Er führt die Geselligen Vereine Wetten als Nachfolger von
Johann Kösters
15 Jahre lang ab 1968. Als weitere Mitglieder des Präsidiums werden
damals gewählt Joachim Janhsen, Hans Smitmans, August Bergmann und
Franz-Bernd Kösters.
1984 - die „Geselligen“ feiern ihr 50-Jähriges - trägt Karl Vos die
Festkette zur Wettener Kirmes, unterstützt von Adjutant August Bergmann.
Die Vereinsgemeinschaft möchte ihn gerne an der Spitze halten, aber die
Satzung beschränkt die Amtszeit auf maximal 15 Jahre. Mit seiner
Ernennung zum Ehrenpräsidenten wird Karl Vos 1983/1984 aus dem Amt
verabschiedet. Ihm folgt als Präsident sein Sohn Franz-Josef Vos, der
als Volksbankdirektor weithin bekannt ist.
Als 1988 zum ersten Mal der
Marketingpreis der Stadt
Kevelaer vergeben wird, zählen Karl und Bernd Vos mit
Willi Kocken
und Heinz van Aaken zu den Preisträgern. Es ist das letzte Jahr, das
Karl Vos in Gesundheit erlebt. 1989 erkrankt er schwer, und im Jahr
darauf, 1990, müssen seine Familie und die Dorfgemeinschaft endgültig
von ihm Abschied nehmen.
1983 bei der Festkettenübergabe mit v.l. Festkettenträger Wilhelm
Schroer, Adjutant Lambert Deselaers, Gregor Vos und Karl Vos.
Bericht über das Unglück in der Mühle im Kävels Bläche vom
6.2.1971
"Explosion forderte drei Menschenleben - Wettener Neumühle völlig
zertrümmert": Am Montag morgen, 1.2.1971, vernichtete eine Explosion die
Produktionshalle der Mühle, in der Kälbermilch hergestellt wurde. Unter
den Trümmern fanden die Rettungskräfte die Mühlenarbeiter Josef Billion
(43), Vater von fünf Kindern, und Jakob Lohmann (62), beide aus Wetten.
Zwei weitere wurden schwer verletzt: Ein 39jähriger Wember und der
31jährige Edgar van de Sande, der in der Nacht zu Dienstag im
Krankenhaus Duisburg-Buchholz seinen schweren Brandverletzungen erlag.
Die beiden Getöteten müssen zum Zeitpunkt der Explosion unmittelbar am
Explosionsherd neben dem Mischwerk gearbeitet haben. Ursache noch
unklar, wahrscheinlich entzündete ein Funke aus einem Motor den feinen
Mehlstaub in der erst dreieinhalb Jahre alten Halle. Die Explosion
zerstörte das Dach, die Teile flogen 30 m weit. Fensterscheiben gingen
in Nachbarhäusern zu Bruch. Der Firmenchef Karl Vos befand sich zum
Zeitpunkt des Unglücks auf Kundenbesuch im Kölner Raum, auch seine Frau
war nicht zu Hause. Halle wurde beschlagnahmt bis zur Klärung der
Ursache. Die Kripo Geldern bildete eine Sonderkommission, der Erste
Staatsanwalt aus Kleve war ebenfalls vor Ort.
Die Untersuchung ergab als Ursache technisches Versagen: In einer
Transportschnecke mit 720 Umdrehungen pro Minute hatte sich ein
Schneckengang gelöst und kam mit dem Mantel des Rohrförderers in
Berührung. Dabei entstand eine Temperatur von ca. 400 Grad, die in
Berührung mit dem Magermilchpulver eine Explosion verursachte.