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1913 uraufgeführt
Es ist die mit Abstand bekannteste Kevelaerer Dichtung - das Heimatlied „Wor hör ek t‘hüß“. Da kann man sich nur wundern, wie dürftig die Hinweise auf die Entstehung sind. Wir wüssten nicht einmal das genaue Jahr, wenn nicht Gerte Paessens-Wenzel (*1915, † 2006) aus Bad Neuenahr, Tochter des Kevelaerer Malers > Karl Wenzel, im November 1981 einen Leserbrief an das Kävels Bläche geschrieben hätte:
Bergmann und Korthaus waren Freunde. Der Dichter gab das Werk dem begabten Komponisten zu lesen, der gleich sagte: „Ich hab schon die Melodie!“ Und in wenigen Tagen war das vielgesungene Heimatlied geboren. Das war im Jahre 1910. Dies hat mir erst vor wenigen Tagen die hochbetagte Witwe des Komponisten, Luise Korthaus, die in Bonn lebt, ausführlich geschildert.
Uraufführung
Das Heimatlied wurde erst Anfang 1913 uraufgeführt, und zwar auf einer
Versammlung des Museumsvereins. Das KB berichtete am 22. Januar:
Original-Notenblatt von Gerhard Korthaus (1. Seite): Heimatlied der Kevelaerer.
Der Verein für
Heimatschutz versammelte vergangenen Sonntag seine Mitglieder im Saale
des „Kölner Hofes“ (...) In liebenswürdiger Weise hatte es der
Gesangchor des Musikvereins übernommen, (...) „Wor hör ek tüß“ von
unserem Kevelaerer Dichter
>
Th. Bergmann zum Vortrag zu
bringen. Das letztere Lied wurde von Herrn Korthaus vertont und zwar mit
einem Geschick, daß alle in Erstaunen setzte. Die Melodie verbindet sich
mit dem Texte in Kevelaerer Mundart so harmonisch und innig, daß man
fast sagen möchte, so muß sie sein, anders geht’s nicht. Zudem hat die
äußerst sangbare Melodie einen, wir möchten fast sagen, holländischen
Einschlag, der unserm Dialekt vollkommen entspricht.
Unzweifelhaft wird sich das Lied die Herzen der Kevelaerer erobern, ja
es hat sie sich schon erobert, denn später wurde es von der ganzen
Versammlung mit größter Begeisterung gesungen. Dem Komponisten wurde
unter Beifallsjubel ein Lorbeerkranz überreicht. Wodurch aber wurde die
Melodie veranlaßt, doch nur durch den ebenso herrlichen Text, der in
jeder Zeile die echte Heimatliebe des Dichters kund tut. Mit ganzer
Seele hat dieser die Schönheit unseres Heimatortes aufzufassen und mit
den vertrauten lieblichen Klängen unserer Muttersprache wiederzugeben
gewußt. Hätte da ein vergänglicher Lorbeerkranz genügt, den Dank der
Mitbürger auszudrücken? Nein, der Dichter hat sich ein Denkmal gesetzt
in den Herzen der Mitbürger und Nach-kommen und wenn über 100 Jahre
Kevelaers Heimatlied gesungen wird mit derselben Begeisterung wie heute,
wo wird sein Name damit verknüpft sein als eines Sohnes, der seine
Mutter, die Heimat, aus tiefster Seele geliebt.
Der ins
Schwärmen geratene KB-Redakteur sollte Recht behalten. Noch heute
berührt das Heimatlied die Kevelaerer, und mancher wird zum Beispiel auf
dem Heimatabend von Melodie und Versen so angerührt, dass er eine
Gänsehaut bekommt. Sobald das Lied angestimmt wird, stehen die Menschen
auf wie beim Erklingen der Nationalhymne.
Zur Verbreitung des Liedes, das zur Stadthymne wurde, trug Gerhard
Korthaus dadurch bei, dass er die Noten von „Wor hör ek t‘hüß“ zusammen
mit dem Text in seinem Verlag herausbrachte. Für 80 Pfennig war das
Blatt unter anderem in der Buchhandlung Fritz Forstreuter zu erwerben.
Heimat
Die Kevelaerer, die das Lied bewegt mitsingen, haben zu ihrer Heimat
eine enge Beziehung - ein Gefühl, das sich nicht verändert, obwohl sich
ihre Stadt, zumindest äußerlich, ständig wandelt. Aber ohnehin ist
Heimatgefühl nicht auf Anfassbares bezogen.
Kein Mensch liebt Steine oder Straßen. Die Frage, warum Menschen den Ort
Kevelaer lieben, hebt nicht auf seine Infrastruktur ab. Auch die
Atmosphäre in der Innenstadt, die von niederländischer Kleinteiligkeit
und prächtigen Kulissen lebt, reicht nicht für ein so großes Gefühl.
Der Slogan, mit dem Kevelaer als unverwechselbar bezeichnet wird, wäre
nicht in Fleisch und Blut übergegangen, würde er die bloße Banalität
verkünden, dass es eine 1:1-Kopie nicht gibt. Jede Formation von Straßen
und Häusern ist nachzubauen, sogar ihr Charakter und ihre Anmutung.
Unverwechselbar ist etwas erst dann, wenn man es anderswo für kein Geld
der Welt genau so erleben kann.
Ein solches Gefühl ist allerdings überall zu Hause. Wo immer Menschen
leben, gibt es ein unverwechselbares Umfeld, das als einmalig empfunden
wird. Sie nennen es Heimat. Der Geburtsort ist oft Zentrum der gefühlten
Heimat. Freilich muss er es nicht sein, denn für das Heimatgefühl ist
nicht wichtig, wo die Geburt standesamtlich registriert ist, sondern wo
man aufgewachsen ist. Deshalb sind auch scheinbar feine Unterscheidungen
von gebürtigen und zugezogenen Einwohnern, wie man sie aus Geldern und
Wesel kennt (Gelrianer und Weselaner, Gelderner
und Weselinskis), nichts anderes als Ab- und Ausgrenzungen, die
man besser unterlassen sollte.
Dass es in Kevelaer solche namentlichen Klassenunterschiede nicht gibt,
liegt vielleicht nur an der sprachlichen Schwierigkeit, aus unserem
Stadtnamen ähnliche Ableitungen zu bilden. Auch hier hört man zuweilen,
dass ein „echter Kevelaerer“ nur der sein könne, der hier geboren ist.
Heimatgefühl
Daran ist lediglich richtig, dass jemand, der in Kevelaer aufgewachsen
ist, leichter zu dem vorstoßen kann, was wir Heimatgefühl nennen. Daraus
kann eine Liebe zu Kevelaer erwachsen, muss es aber nicht. Mancher ist
bewusst von Kevelaer fortgezogen. Mancher entwickelt erst im räumlichen
Abstand Liebe zu seiner Heimatstadt. Und mancher hatte sie immer und
empfindet sie bis heute, obwohl er, oft aus beruflichen Gründen, fern
der Heimat lebt.
Niemand hat es schöner ausgedrückt als Theodor Bergmann: „Hier stond min
Wieg, hier lüjt mej ok, so Gott well, eins de Dojeklock. Dann schrieft
mej op et steene Krüß: Hier hör hän t’hüß!“ Mit diesen Zeilen endet sein
Gedicht - ein Liebeslied, das den Ort besingt und nicht nur eine
Begegnung zweier Menschen wie im Schlager „Ich hab‘ mein Herz in
Heidelberg verloren“ (1925).
Heimatgefühl stellt sich nicht von selbst ein, so als würde es schon
genügen, ein schönes Haus mit Garten oder ein gemütliches Zimmer unter‘m
Dach zu bewohnen. Wo Zuhause ist, muss nicht auch Heimat sein. Während
das Zuhause-Gefühl von Umzug zu Umzug mitgenommen wird, bleibt das
Heimatgefühl oft zurück: Es braucht die gewachsene Beziehung zu einer
Region. Es ist die von Herzen kommende Antwort auf die Frage, wo der
Mensch in seinem sozialen Umfeld glücklich war oder ist.
Heimatliebe
Heimatliebe, die sich aus Heimatgefühl entwickelt, kann allerorten
empfunden werden. Darin unterscheidet sich Kevelaer nicht von anderen
Landstrichen, wohl aber in der Intensität und Qualität der Heimatliebe:
Wer diesem Ort, der zum Gnadenort auserwählt worden ist, mit Leib und
Seele verbunden ist, dessen Heimatliebe kann zu einer höheren Stufe
gelangen, die er im Alltäglichen einer gewöhnlichen Stadt kaum erreichen
wird. Und wie immer ist diese Liebe selbstlos, denn die Segnungen, die
von der Gnadenstätte ausgehen, sind nicht für die Einwohner reserviert.
Sie werden von allen Menschen, die sich dafür öffnen, empfangen.
Gerhard Korthaus
Der Kirchenmusiker Gerhard Korthaus (1869 - 1937) war von 1890 bis 1927
Basilikaorganist in Kevelaer, wo er mit seiner Frau Louise auch als
Klavierlehrer wirkte. Der gebürtige Gocher, der nach seiner
Pensionierung ab 1927 in Bonn lebte, hatte bei P. H. Thielen eine
musikalische Ausbildung genossen und sich im Selbststudium
weiter-gebildet. Schon in jungen Jahren galt er als einer der
begabtesten Organisten in der Diözese. Seine Improvisationsgabe wurde
gerühmt. Korthaus war mit der Basilikaorgel derart vertraut, dass er
nach seinem Weggang (1927) in den letzten drei Lebensjahren nie wieder
auf einer „fremden“ Orgel spielte. Es war Korthaus‘ inniger Wunsch, in
Kevelaer beerdigt zu werden, wie seine Frau Louise in der Traueranzeige
schrieb. Das kinderlose Ehepaar hatte an der Schlageterstr. 26
(Friedenstraße) gewohnt.
Theodor Bergmann
An der Basilikastraße, dort wo seit 1985 dank einer Initiative der
Nachbarschaft ein Denkmal dem Schuhfabrikanten und Heimatdichter
gewidmet ist, kam Theodor Bergmann (1868 - 1948) zur Welt. 1915 erschien
seine erste größere Dichtung - das Volksschauspiel „Der Schmied von
Kevelaer“. Dem Förderer des Museums, der den Museumsverein von 1923 bis
1939 führte, lag die Pflege der plattdeutschen Sprache sehr am Herzen.
So stellen seine ungezählten Gedichte auf Kävels Platt das Hauptwerk des
Kevelaerers dar. Bis heute berühmt ist Bergmanns 1929 bei
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Butzon & Bercker
erschienenes Buch Maisüches on Heijblumme. Bergmann war zudem ein
erfolgreicher Schuhfabrikant, der unter anderem mit
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Wilhelm Otterbeck in
Kervenheim standespolitisch zusammenarbeitete. 1946 gehörte Bergmann zu
den Mitgründern der CDU in Kevelaer.
Wor hör ek t‘hüß?
Wor hör ek t’hüß? - kent gej min Land?
Gän Baerge schnejbelaeje
Gän driewend Water träckt en Band
Voerbej an grote Staeje:
Dor wor de Nirs doer’t Flackland gätt
Wor in dem Baend et Maisüt stätt
On wor de Keckfoars quakt in’t Lüß,
Dor hör ek t’hüß.
Wor op de Heij de Loewrek sengt,
Den Haas sprengt dör de Schmeele,
Wor ons de ricke Sägen brengt
De Aerbeijshand voll Schweele,
Wor in et Koarn de Klappros droemt,
Van Faeld on Weije rond ömsoemt
So frindlek roest et Burenhüß
Dor hör ek t’hüß.
Wor gärn de Lüj en oapen Hand
In Not de Noaber reike,
Foer Gott on Kerk on Vaderland
noch faas ston, as de Eike.
Wor maenn’gen Drömer, maenn’ge Sock
So gut es, as den andern ok.
Wor saelde Strit on grot Gedrüß,
Dor hör ek t’hüß.
Pries gej ow Land mar allemol
In Nord, Ost, Süd on Weste,
- Ok maenn’ge grote Noet es hoal -
Min Laendche es et beste!
Hier stond min Wieg, hier lüjt mej ok,
So Gott well, eins de Dojeklock.
Dann schrieft mej op et steene Krüß:
Hier hört hän t’hüß!
Text: Theodor Bergmann, Melodie: Gerhard Korthaus