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Tiefgaragen-Projekt für Peter-Plümpe-Platz

Baufantasien im Rathaus von 1987 bis 2002



Eine Unterkellerung des Peter-Plümpe-Platzes erblickte als Idee im Jahr 1987 das Licht der Kevelaerer Welt. Damals regte die SPD-Fraktion im Stadtrat an, den Platz attraktiver zu gestalten. Kevelaer-Besucher würden in der City einen "Kulturschock" erleiden: Nur aneinandergereihte, parkende Autos und der "Rathausklotz" seien zu sehen. Und das sei alles andere als anheimelnde Kleinstadtstruktur, mit der Kevelaer ansonsten werbe. Die "naheliegende Lösung", so meinte damals SPD-Fraktionschef Dr. Klaus Hölzle, sei eine Tiefgarage. Anschließend könne der Peter-Plümpe-Platz "einladend und repräsentativ gestaltet" werden.

Die CDU-Fraktion plädierte im Jahr darauf ebenfalls für eine Neugestaltung des Platzes, betonte aber die alte Kirmes-Doktrin ("Bisherige Nutzungsmöglichkeiten müssen erhalten bleiben") und hielt sich bedeckt, was die Tiefgarage anging: "Bei einer Ideenwettbewerbsplanung muß geprüft werden, ob eine Tiefgarage notwendig beziehungsweise zweckdienlich ist."

Ende 1990 hörte sich Hölzles Tiefgaragen-Forderung von 1987 etwas anders an: "Wir hätten gern", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende, "(...) die Bebauung des Peter-Plümpe-Platzes, wenn es denn sein muß - auch mit Tiefgarage."

1996 stellte sich Stadtdirektor Heinz Paal an die Spitze der Tiefgaragen-Befürworter. Er hatte sich mit der Unterkellerung der französischen Stadt Lyon beschäftigt und trug in Kevelaer seine nun beflügelten Visionen vor. Seitdem ließ ihn das Thema bis zum Schluss seiner Amtszeit nicht mehr los. Den Peter-Plümpe-Platz mit einer Tiefgarage zu versehen und oben drauf einen Park anzulegen - mit Pavillons, Brunnen, Bänken, Blumen, Bäumen -, das geisterte als Dauerbrenner-Idee für viele Jahre durch die Kevelaerer Stadtpolitik.

Paal machte Nägel mit Köpfen und erweiterte sogar das Tiefgaragen-Planspiel. Im Frühjahr 1998 ließ er ein Ingenieurbüro prüfen, ob der gesamte Verkehr in der unmittelbaren Innenstadt unterirdisch geführt werden könne. Die Vorstellung war, im Zuge einer Tiefgarage die Trassen von Bahnstraße, Gelderner Straße und Marktstraße gleich mit in die Unterwelt zu legen. Dort könnten Autofahrer links und rechts ihrer Kellerstraßen neu errichteten Parkraum in Hülle und Fülle vorfinden.

Paal wollte von dem Ingenierbüro wissen, wie diese Idee praktisch umzusetzen sei. Wo müssten Rampen angelegt werden, auf denen es eine Etage tiefer gehe? Wie sollten unterirdisch die Straßen verlaufen? Wie ließen sich vorhandene Teile eingliedern, zum Beispiel die Tiefgarage der Sparkasse?

Im Mai 1999 ließ Paal das Kaarster Ingenieurfirma Stolz im Planungsausschuss berichten, was die Prüfung seiner Idee "auf Herz und Nieren" ergeben habe: Ja, eine Verlegung der Parkflächen ins „Untergeschoss“ der Stadt sei "machbar". Paal erntete vielfach zustimmende Reaktionen aus der Politik und fühlte sich ermuntert, in die eingeschlagene Richtung weiterzuplanen.

Es war nicht nur von einer Tiefgarage unter dem Marktplatz die Rede, sondern von einem "vernetzten System von Tiefgaragen" unter dem Kauf-Center und dem Peter-Plümpe-Platz. Autos sollten bereits möglichst weit vor diesen Bereichen über Rampen in die neue Unterwelt geführt werden. Dorthin sollte auch der Verkehr des Knotenpunkts Gelderner/Markt-/Bahnstraße fließen. Paal sah den gesamten Stadtkern bereits autofrei, der trotzdem riesige Parkflächen anzubieten habe, und zwar unterirdisch. Paals Philosophie: In einer Kleinstadt wie Kevelaer wollen die Menschen bis unmittelbar an die Geschäfte heranfahren („das ist nun mal so“) und trotzdem liebenswerte Kleinstadtatmosphäre genießen. Beide Ansprüche sah er mit seiner Idee verwirklicht.

Die Wunschvorstellung, nicht nur die parkenden Autos, sondern gleich auch den fließenden Verkehr unter die Erde zu bringen, war allerdings nicht unbedingt von den Machbarkeits-Versprechungen des Ingenieurbüros gestützt worden. Dem KB-Redakteur war bei der Präsentation im Rathaus aufgefallen, wie Gutachter Dr. Gerlach auf das Thema reagiert hatte: Er machte „zunächst ein bekümmertes Gesicht und dann die typische Fingerbewegung." Mit anderen Worten: Damit würde sich Kevelaer kostenmäßig völlig überheben. Paal hielt dem entgegen: „Man muss erst einmal etwas Gutes denken“. Wer immer nur auf die Kosten schiele, bekomme nichts bewegt. Er stelle sich vor, dass das Tiefgaragensystem seiner Träume privat bewirtschaftet werde.

Paal war so erfüllt von seinen Unterkellerungsphantasien, dass er Anfang 2001 die Investorengruppe ITG aus Düsseldorf im Bahnhofsbereich ein Einkaufszentrum bauen lassen wollte, wenn sie zugleich den Bau einer Tiefgarage unter dem Peter-Plümpe-Platz übernehmen würde. Paal verkaufte das Koppelgeschäft als Projekt aus einem Guss: Die gesamte südliche Innenstadt werde neu gestaltet; dazu gehörten Tiefgarage unter dem Marktplatz, Schließung des Bahnübergangs an der Bahnstraße für Autos, Fußläufigkeit weiter Teile der Trasse Twistedener/Markt-/Bahnstraße und als "Publikumsmagnet" ein großes Einkaufszentrum am Bahnhof.

Zum ersten Mal war die Marktplatz-Tiefgarage keine abstrakte Vision mehr. Das KB warnte eindringlich: "Beim geplanten Verbrauchermarkt am Bahnhof geht es um viel mehr als um weitere 6.000 qm Verkaufsfläche, die Kevelaer nicht braucht. Hier wird mit dem Feuer gespielt." In der CDU-Fraktion werde, so stehe zu befürchten, mal wieder gemacht, was der Bürgermeister wolle. "Es fehlt an Mut, Heinz Paal in die Schranken zu weisen."

Dass es in Wirklichkeit keine wirkliche Bereitschaft des Investors ITG gab, die Tiefgarage zu bauen, enthüllten ein KB-Interview von Delia Evers und ein anschließendes Dementi. Die entscheidende Passage im Interview mit ITG-Projektentwickler Helmut Berends lautete:

KB: Wird Ihr Einkaufszentrum die Entwicklung der Stadt beeinflussen?
H.B.: Ja, zum Positiven: Denn wir bieten hinter dem Bahnhof ein Parkhaus für kostenfreies Parken auch an Sonntagen an, und wir wollen die Tiefgarage unter dem Peter-Plümpe-Platz bauen, mit einer dreifach höheren Kapazität an Stellflächen. (...)

Kaum war das Interview, dessen Wortlaut vor Erscheinen von Berends ausdrücklich autorisiert und freigegeben worden war, erschienen, ruderte ITG erstaunlicherweise zurück. Die Aussagen zur Tiefgarage seien ein „Irrtum der Presse“. Die ITG habe sich, so ein Sprecher, überhaupt noch nicht mit einer Tiefgarage befasst. Sie sei vom Bürgermeister lediglich gefragt worden, ob sie sich einen solchen Bau vorstellen könne. Beide Projekte hätten nichts miteinander zu tun.

In den folgenden Monaten formierten sich immer mehr Kaufleute und Bürger in Kevelaer zu einer machtvollen Gegnerschaft zum "ITG-Projekt". Ein Groß-Verbrauchermarkt am Bahnhof war kaum noch durchsetzbar, und der Tiefgaragen-Spleen mit parkähnlicher Gestaltung zu ebener Erde wurde als Schnapsidee entlarvt: Der riesige Betonkasten würde langsam, aber sicher vom Grundwasser hochgedrückt werden und nach oben schwimmen. Bauphysikalisch wäre eine Tiefgarage nur denkbar, wenn mindestens das Gewicht von zwei oberirdischen Geschossen auf ihr lägen. Aber genau das, nämlich Hochbauten auf dem Marktplatz, wollte niemand.

Aber weder Paal, noch die meisten Ratsmitglieder wollten sich das Prestige-Spielzeug wegnehmen lassen. Anfang 2002 gingen sie auf Besichtigungstour und und erfreuten sich an Tiefgaragen in Bocholt, Wesel und Venlo. Dort genossen sie die 30-Euro-Steaks, die Paal den rund 30 mitreisenden Politikern in einem Nobel-Restaurant auftischen ließ. Wenig später beschlossen die Ratsmitglieder, "nunmehr die Planung einer Tiefgarage unter dem Peter-Plümpe-Platz voranzutreiben."

Es nützte nichts mehr. Eine Befragung der Kevelaerer Bürger, an der sich fast 7.000 Einwohner beteiligten, ergab kurze Zeit nach dem Venloer Steak-Essen ein klares Nein zum Warenhaus-Projekt am Bahnhof und damit auch zur Tiefgarage unter dem Peter-Plümpe-Platz. "Wir haben verstanden", fasste Dr. Frank Wackers, Vorsitzender des CDU-Stadtverbandes, die interne Schadensbegrenzung zusammen. Das Thema sei vom Tisch. Aber der Zombie tauchte wieder auf...

Tiefgarage Vorsicht, Falle!

© Martin Willing 2012, 2013