Thoenissen,
Reinhard
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Museums- und Kunstförderer in Kevelaer
| * 1943 | † 2014
Die
Koffer waren gepackt. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin Monika Brocks
wollte Reinhard Thoenissen nach Fuerteventura
fliegen. Er trat eine andere Reise an: Er starb im November 2014 unerwartet in seinem Kevelaerer Zuhause.
Reinhard Thoenissen hatte ein schweres Jahr hinter sich. Im März 2013
war sein Sohn Daniel im Alter von 36 Jahren gestorben - Kind von
Reinhard und Frau Christa, die er bereits 1993 durch Tod verloren hatte.
Im Lauf des Jahrs 2013 brach bei Reinhard Thoenissen eine Krankheit
durch, die ihn zwölf Jahre zuvor befallen, dann aber in Ruhe gelassen
hatte. Bald ging es ihm so schlecht, dass die Familie um sein Leben
bangte. Doch die Therapie schlug an. Reinhard Thoenissen erholte sich.
Vor kurzem gab ihm ein Arzt grünes Licht für die Reise nach
Fuerteventura. "Fliegen Sie! Schönen Urlaub."
Am Montag freute er sich noch am St.-Martinszug durch die Innenstadt; er
legte Wert darauf, die Kevelaerer Traditionen hochzuhalten - ebenso wie
die privaten. So stieß er am Abend zu seinen
Bürgerschützen, die bei Stassen ihr Bratwurstessen feierten. Sie waren seit 1978
sein Verein und seine gesellschaftliche Mitte, in der er sich am
liebsten bewegte.
Thoenissen, ein Mann, der gern das Wort führte und zuweilen den Zyniker
gab, zog wie selbstverständlich auch bei den Vogelschießen der
Bürgerschützen mit, war 1984 ihr König, holte im Lauf der Jahrzehnte
immer wieder Preise herunter und konnte sich kindlich freuen, als er
2013 die Buschkönigswürde errang.
Reinhard
Thoenissen (Bildmitte) beim Königsgalaball der Bürgerschützen 2013 mit
v.l. Berti Metsch, Brigitte Hohl, Monika Brocks, Eva Maria Pool (Tochter
von Brigitte und Peter Hohl), Peter Hohl und Monika Tenhaef im
Vereinslokal "Goldener Apfel".
Fotos: Winfried Janssen
Viele mochten seine ironische Ader. Sie war nicht derb, sondern
feingeistig. Oft führte er seine superdünnen Nadelstiche so kurz und
gezielt aus, dass mancher Gesprächspartner nicht mitbekam, dass er
gepiekst worden war. Dann wies allenfalls noch ein ganz kleines Leuchten
in Thoenissens Augen auf den Einstich hin. Der war meist schon
Vergangenheit, ehe er wehgetan hatte. Reinhard Thoenissen wollte nicht
verletzen. Er war ein Liebhaber und ein Meister des Worts.
Keine schlechte Eigenschaft für einen Rechtsanwalt: Obwohl Reinhard
Thoenissen im vergangenen Jahr 70 geworden war, lief seine Kanzlei
weiter ("ich möchte meinen Geist noch etwas anstrengen"). Er war keiner
von den hochspezialisierten Fachanwälten, sondern ein Generalist alter
Schule. Kaum von der Öffentlichkeit bemerkt wurden seine sozialen
Engagements im Kanzleibetrieb.
Als vor Jahren ein libanesischer Vater seine drei Kinder aus Kevelaer in
den Nahen Osten entführte (das KB berichtete), setzte Reinhard
Thoenissen sich weit über das übliche Maß hinaus für die Mutter ein, um
die Kinder zurückzuholen. In der Öffentlichkeit wollte er von solchen
Anstrengungen nichts wissen.
An der Seite besonders von Fritz Graf von Loe kümmerte er sich für
Asylbewerber um Rechtsfragen. Geld war damit nicht zu verdienen.
Monika Brocks, seine Lebensgefährtin seit 15 Jahren, fuhr er nächstens
durch den halben Südkreis, wenn sie als Pflegedienstleiterin zu
Notfällen gerufen wurde.
Das vielleicht beständigste Engagement leistete er für den Verein für
Heimatschutz und Museumsförderung. Reinhard Thoenissen war seit 30
Jahren sein unangefochtener Vorsitzender und Impulsgeber. Er schrieb in
den 90er-Jahren heimatgeschichtliche Beiträge von hohem Wert für die
KB-Beilage "Unsere Heimat" und beeindruckte bis zuletzt Fachleute wie
Museumsleiter Dr. Burkhard Schwering mit seinem Kunstsachverstand und
seinem Wissen um die Szene. Reinhard Thoenissen wusste, was los war und
was angesagt war.
"Unter seiner Ägide konnten Verein und
Niederrheinisches Museum in Kevelaer ihr 100-jähriges Bestehen
feiern, durch seinen Einsatz und seine Weitsicht wurde das Museum
nachhaltig gefördert und konnte bedeutende Ausstellungen realisieren,
wertvolle Exponate und Sammlungen erwerben und einschlägige
Publikationen herausgeben", sagt Schwering über Thoenissen. Nicht selten
erhielt der Verein auch Stiftungen kulturellen Sachguts aus seiner Hand.
Planung und Organisation der jährlichen Vereinsexkursionen wurden von
ihm wesentlich mitbestimmt. Er genoss die Ausflüge.
Monika Brocks erzählt von ihren Reisen mit Reinhard Thoenissen. Überall
in der Welt zog ihn die Kunst magisch in Museen und Kirchen, die er
selbst da noch fand, wo nicht einmal Einheimische um die Schätze in
ihrer Nachbarschaft wussten. Er verweilte sinnenfroh zwischen Gemälden
und Skulpturen und sah sich kaum satt. Hausfassaden reizten ihn. Die
Architektur hinduistischer Tempel lockte ihn mehrfach nach Bali.
Menschenwerk, gern zu Ehren höherer Kräfte, faszinierte ihn. Überall
schaute er gespannt und neugierig auf die Vielfalt der Welt.
1987 im Jahr des
Papstbesuchs unterstützte er seinen Bruder Josef, den Apotheker von
der Hauptstraße, und half, im Museum dessen Sammlung von
Andachtszettelchen zu präsentieren. Knapp 400 Exemplare waren damals
viel beachtet unter dem Titel "Maria Kevelaer im Bild" zu sehen.
Zu Maria Kevelaer hatte er ein unkompliziertes Verhältnis. Er war nie
der große Kirchgänger. Aber wenn's in der Familie oder sonst wo ernst
wurde, tat er den Satz: "Ich lauf mal eben zum Kapelleken." Kurz darauf
brannte am Kapelleken eine Kerze mehr.
Überhaupt wurde die Familie für ihn immer wichtiger. Das Zusammensein
mit den kleinen Kindern aus dem Rund der Thoenissen-Familie und der
Brocks-Familie genoss er sehr. In ihrer Mitte ging ihm das Herz auf wie
einem Vater.
Und noch ein Kreis wird ihn vermissen: sein Freitagsstammtisch bei
Stassen/Hornbergs. Hier proben Politiker, Ex-Politiker, Nicht-Politker
und Nochnicht-Politiker ihre persönliche außerparlamentarische
Opposition. Mit ihnen debattierte Reinhard Thoenissen, der
Christdemokrat seit 1977, von Woche zu Woche, packte bei Gelegenheit
sein Besteck für die kleinen Nadelstiche aus und später wieder ein; und
am Ende waren sich immer alle einig, dass sie sich zwar nicht einig
geworden waren, aber wieder einen herrlichen Abend verlebt hatten.
Die Abende werden bleiben. Nicht nur Reinhard Thoenissens Nadel wird
fehlen.