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Die Anfänge des Krankenhauses in Kevelaer
Der verstorbene Rentner Franz Heinrich Deckers hatte ein Testament
hinterlassen, bei dem im Kevelaerer Rathaus eigentlich Freude hätte
aufkommen müssen: Deckers schenkte sein „bei St. Anna gelegenes
Grundstück resp. den Ertrag desselben“ der Gemeinde zur Errichtung eines
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Krankenhauses unter Leitung der Barmherzigen Schwestern. Seine Auflage:
„(...) wenn die Armen-Verwaltung dieses Legat ablehne, (habe) ein
Familien-Curatorium die Sache im Sinne des Erblassers zu erledigen“. So
lesen wir in einem 120 Jahre alten Bericht des Kävels Bläche. Am 20.
Oktober 1879 lehnte der Rat - wohl auch wegen zu erwartender
Schwierigkeiten mit der Regierung - die Übernahme des Deckers-Legates
ab.
Damit war das Krankenhaus-Projekt freilich nicht gestorben - dank
privater und kirchlicher Initiativen. Der Pastor von St. Antonius,
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Joseph van Ackeren, der schon seit 1872 über eine behördliche
Erlaubnis für eine Kevelaerer Krankenanstalt verfügte, konnte auch auf
eine weitere Stiftung zurückgreifen, nämlich einen etwa 30 Morgen großen
Bauernhof und zwei Häuser aus dem Besitz der Familie Pinder. Mit Hilfe
der Pinderschen Stiftung war bereits der Betrieb eines „Armenhauses“
finanziert worden, aus dem sich das Marienhospital entwickelte. Bereits
„Marienspital“ genannt, verpflegte das Pinder’sche Armenhaus -
beispielsweise im Jahr 1880 - 55 stationäre und 95 ambulante Patienten.
Unterdessen gingen die Bemühungen um ein neues, leistungsfähiges
Krankenhaus in Kevelaer weiter, und auch die testamentarische Verfügung
des Wohltäteres Deckers wurde - trotz der Ablehnung des Gemeinderates -
mittlerweile erfüllt: Anfang 1881 konstituierte sich ein
Familien-Kuratorium zur Verwaltung der Deckers’schen
Krankenhaus-Stiftung. Das KB gab die frohe Kunde an die Kevelaerer
weiter: „Wahrscheinlich werden wir nun bald neben dem Pinders'schen
Armenhause ein den Bedürfnissen unserer Pfarrgemeinde entsprechendes
Hospital (Dank dem menschenfreundlichen Stifter!) erstehen sehen.“
Gut zwei Jahre danach lesen wir im Kävels Bläche:
„Kevelaer, 26. Juli [1883]. Heute wurde hier das neue Krankenhaus unter
starker Betheiligung der Einwohner Kevelaers eingeweiht. Nach dem
feierlichen Hochamte begaben sich die Theilnehmer in geordnetem Zuge mit
Musikbegleitung zum neuen Marien-Hospital woselbst der Herr Pastor in
kurzen Worten auf die Bedeutung dieses Hauses aufmerksam machte und dann
die Einsegnung vornahm. (...) Den Tag über wurde das neue Gebäude viel
besucht und besehen; alle freuten sich, daß man das Marien-Hospital so
prächtig gebaut habe.“
Das alte Armenhaus wurde darüber nicht vergessen. Im Februar 1894 lesen
wir im KB: „Ein größerer Neubau wird (...) bald in Angriff genommen
werden, nämlich der des Armenhauses. Das jetzige Armenhaus, welches noch
bis vor einem Jahrzehnt zum Theil auch als Krankenhaus benutzt wurde,
wird einem prächtigen Neubau weichen, welcher zur Zierde Kevelaers
gereichen wird. Mit dem Abbruch des alten Hauses hat man bereits
begonnen.“
Wie sich das Armenhaus und das Marienhospital Ende des vorigen
Jahrhunderts weiterentwickelten, darüber berichtete der KB-Chronist
Anfang 1894:
„Das Marienhospital.
Jährlich findet eine Revision der öffentlichen Pflegeanstalten und
Armenhäuser auf Anordnung der Königlichen Regierung durch
Medicinalbeamte statt. (...) Wenn bei diesen Revisionen hierorts
bezüglich der Einrichtung und Gesammtverhältnisse des Krankenhauses in
der Regel keine Erinnerung oder nur auf geringfügige Mängel aufmerksam
gemacht wurde, so war dies beim Armenhaus nicht der Fall; vielmehr
stellte der Revisor seit manchen Jahren fest, daß das letztere einer
baulichen Umänderung dringend bedürftig sei, damit für die Bewohner
gesunde und luftige Räume gewonnen würden. Das Curatorium, dem der sel.
Stifter das Haus unterstellt und die weitergehendsten Rechte in der
Verwaltung zugewiesen hatte, mußte die Ausstellungen des Revisors
anerkennen, suchte aber im Interesse der Stiftung eine kostspielige
Umänderung möglichst lange hinauszuschieben, weil die jährliche Einnahme
einen größeren Kostenaufwand nicht zuließ. Die Curatoren waren sich
darüber klar, daß das Haus so, wie es jetzt ist, nicht bleiben konnte.
Und wenn man mal Umfrage hätte halten wollen, wer von den Verwandten des
Stifters, welche doch meistens zu den ersten und angesehensten Familien
des Ortes gehören und das nächste Recht auf eine Wohnung im Hause haben,
wohl geneigt wäre, von seinem Rechte Gebrauch zu machen, so lange das
Haus im gegenwärtigen Zustande sich befundet, so würde man kaum Einen
finden, es sei denn, daß die äußerste Noth dazu drängte.
Hingegen läßt sich wohl denken, daß im Falle des Ersatzes für das
jetzige Haus ein ähnlicher Bau wie das nebenstehende Hospital ausgeführt
werde, der Eine oder Andere wohl dazu kommen konnte, zumal bei
Kränklichkeit und Schwäche den Anspruch auf Wohnung in dem neuen Hause
zu ergeben, besonders auch darum, weil ihm durch die barmherzigen
Schwestern eine ausgezeichnete Pflege und Beköstigung geboten wird.
Unter diesen Umständen trafen die Wünsche des Curatoriums des
Armenhauses mit denen der Verwaltung des Krankenhauses zusammen.
Letzteres bedarf einer Vergrößerung, wenn es der zunehmenden Bevölkerung
entsprechen und den medicinischen Anforderungen genügen soll; mit 40 -
50 Kranken ist dieses gefüllt und diese Zahl wird sehr oft, fast
meistens erreicht. Stellt sich dann unglücklicherweise ein typhöses
Fieber oder eine andere ansteckende Krankheit ein, wie es oft genug der
Fall gewesen ist, so fehlen die Räume, um derartige Kranke gehörig
getrennt von den anderen unterzubringen.
Es wurde zwar die Ansicht ausgesprochen und erwogen, daß es für das
Krankenhaus vortheilhafter gewesen, wenn es sich von der Pinder'schen
Stiftung vollständig gesondert und diese sich selbst überlassen hätte.
Allerdings wäre dieses zum Vortheil des Hospitals gewesen. Allein, was
würde dann aus dem Armenhaus werden? Sollten dann nicht wieder die
Uebelstände eingetreten sein, wie sie früher vorhanden waren, über deren
Beseitigung jeder Freund der Armen sich gefreut, deren Abstellung die
früheren Curatoren durch Aufnahme der Schwestern grade beabsichtigt
haben? Was kann ein Armenhaus für sich allein leisten, das nur 550-600
Mark jährliche Einnahmen hat? Das Armenhaus hat, so wurde mit Recht
gegen diese Trennung geltend gemacht, 1866 die Schwestern zur Freude
Aller aufgenommen; gern und bereitwillig hatten die damaligen Curatoren
zum Besten der Stiftung die Aufnahme der Schwestern gesehen und
genehmigt; seitdem hat in dem Stiftungshause möglichste Ordnung und
Reinlichkeit geherrscht, obwohl ein gewisses Gethier, das in den Mauern
und im Gebälke und in allem Holze sich festsetzt und nistet, niemals
ganz zum Verschwunden gebracht werden konnte. Deshalb muß die Verbindung
zwischen dem Armenhause und den Schwestern aufrecht erhalten werden.
Diese Erwägungen liegen jedem verständigen Menschen nahe, und wurden von
den Curatoren als durchaus richtig und zutreffend anerkannt. Deswegen
ging das Curatorium der Stiftung bereitwilligst auf den Plan des
Curatoriums des Hospitals ein, einen der Jetztzeit entsprechenden und
zum Krankenhause passenden Bau an Stelle des Armenhauses unter Wahrung
der Rechte der Stiftung auszuführen.
Als hiervon die Rede war, sagte ganz vernünftig ein Verwandter und
Vertreter des Stifters: es kann uns nur lieb sein, wenn wir ein besseres
und gesunderes Haus bekommen; Niemand von uns, der sich auch nur
halbwegs noch helfen kann, wird das jetzige Haus beziehen. Und er fügte
bei: es ist eine thörichte Einbildung, wenn man Benachtheiligung irgend
Jemandes befürchten oder gar den Gedanken hegen wollte, es könnten die
Rechte der Armen oder der Familie verletzt werden.
(...) So wird denn der Anbau ruhig und eifrig begonnen. Wenn derselbe
bis Herbst unter Dach gebracht ist, werden Alle befriedigt sich des
neuen Baues freuen.“ (Soweit das Zitat)
So kam es.
Ende Oktober 1894 lesen wir im KB:
„Gemeinderaths-Sitzung am 29. October, Vormittags 10 Uhr. Die
Hospital-Verwaltung hat beim jetzigen Neubau einen besonderen Anbau
hergerichtet, worin nur solche Patienten Aufnahme finden sollen, die mit
einer ansteckenden Krankheit behaftet sind. Im Falle Auftretens einer
Epidemie stellt die Verwaltung der Gemeinde diesen Anbau behufs nöthiger
Benutzung zur Verfügung, wünscht dagegen, daß die Gemeinde die durch
diesen Anbau verursachten Kosten trage. Der Antrag wurde behugs näherer
Information vertagt.“
Freilich, ganz leer ging das Hospital in dieser Sitzung nicht aus: „Es
wurden 25 Mark bewilligt zur Beschaffung des Behring'schen Heilserums,
und den Herren Aerzten zur Verfügung gestellt zur Verwendung bei armen
Diphteritis-Kranken.“
Krank vor Ärger“ wurden Kevelaerer Handwerker, als ihnen 1894 der
Verlust bedeutender Aufträge des expandierenden Marienhospitals drohte.
Dem im selben Jahr gegründeten „Verein zur Wahrung gewerblicher
Interessen“, einem weiteren Vorläuferverein des Verkehrsvereins und
einem Vorgänger der heutigen Unternehmervereinigung Kevelaer (UVK), war
zu Ohren gekommen, dass das Hospital-Kuratorium bedrängt worden sei,
„sämmtliche für den Neubau nothwendigen Zimmer- und Schreinerarbeiten in
einem großen mit Dampfbetrieb ausgestatteten Geschäfte zu bestellen; in
demselben würden die Arbeiten gleichmäßig und schön und billigst
ausgeführt.“
Und weiter heißt es im KB vom 24. November 1894: „Was würden aber die
hiesigen Zimmer- und Schreinermeister hierzu sagen, wenn auf diese Weise
jene Arbeiten ihnen in der jetzigen Nothlage, die wegen mangelnder
Arbeit schon groß genug ist und im Winter noch größer zu werden droht,
entzogen würden?“
Wie der Streit „Dampfmaschine gegen Handarbeit“ ausgegangen ist, wissen
wir nicht. Vermutlich gütlich, denn sowohl das Marienhospital, als auch
die Handwerkerschaft Kevelaers entwickelten sich prächtig.