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Kevelaer und der 26. September 1942

Eine Wandnotiz und ihre Geschichte 

Franz TiemannBei den Umbauarbeiten des Hauses Hauptstraße 32 entdeckte Architekt Franz Tiemann eine Wandnotiz, die vom 26. September 1942 datiert: Josef Lemmen und Christian Sturtzaucht kritzelten an die Wand: „zur Zeit 14 tägige Ruhe wegen Bombenangriffe“.

Architekt Franz Tiemann.

Die Notiz lässt vermuten, dass Josef Lemmen und Christian Sturtzaucht ihre Arbeit für 14 Tage unterbrechen mussten - offenbar handelte es sich dabei um Renovierungsarbeiten, mit denen, so nehmen wir weiter an, der Maler- und Anstreicherbetrieb Lemmen von der Hauptstraße beauftragt war.

Für den gesamten September 1942 und folglich auch für den 26. September liegen aber keine Meldungen über Bombenangriffe auf Kevelaer vor. Wir stoßen weder im Kävels Bläche, noch in anderen Zeitungen auf Berichte über Bombenangriffe im September 1942 - was nicht bedeutet, dass sich keine ereignet haben. Denn die Zeitungen unterlagen damals strenger Zensur.

Drei Monate zuvor, als am 3. Juni bei einem verheerenden Fliegerangriff mehrere Todesopfer (im Bereich Wasserstraße) zu beklagen waren, durfte das KB mit keinem Wort die Bombenabwürfe erwähnen. Von einem „schrecklichen Unglück“ musste gesprochen werden, dessen Ursache vernebelt blieb.

Die Notiz könnte aber auch darauf verweisen, dass die Arbeitspause vorbeugend eingelegt wurde, denn im September 1942 krachte es an vielen Tagen in der unmittelbaren Nachbarschaft, besonders in Winnekendonk und Kervenheim. Das ist gut belegt durch interne Berichte der Winnekendonker Amtsverwaltung. Allein im Achterhoek gingen im September 400 Brandbomben nieder. Höfe brannten ab. „Es sah ‚schaurig schön‘ aus. Der Himmel war blutrot gefärbt. Wenn die Dächer zusammenfielen, hörten wir das Rappeln und Zerbersten der Dachziegel“, heißt es in einem der Berichte.

Was sich am besagten Tag, den die nun aufgetauchte Notiz nennt, in Kevelaer ereignet hat, bleibt wohl im Dunkeln. Interne Verwaltungsberichte für diesen Zeitkorridor im September 1942 wie für das Amt Kervenheim gibt es für die Gemeinde Kevelaer und das Amt Kevelaer offenbar nicht - oder sie sind im Stadtarchiv noch nicht gefunden oder noch nicht ausgewertet worden.

Das Haus, in dem die Wandnotiz gefunden worden ist, stammt aus dem Jahr 1902. Damals erwarb der Schneidermeister Joseph Plümpe das Grundstück und bebaute es mit einem Wohn- und Geschäftshaus. Der Vater des späteren Bürgermeisters Peter Plümpe und Großvater des Präsidenten der Geselligen Vereine, Gerd Plümpe, ließ das Haus 1927 umbauen und das Dachgeschoss erweitern. Hier mussten elf Kinder untergebracht werden.

Joseph Plümpe war ein Sänger vor dem Herrn. Für den MGV Sängerbund 1898 warb er Nachwuchs, darunter im Jahr 1942 den jungen Karl Dingermann (den späteren Bürgermeister und Peter-Plümpe-Nachfolger).

Joseph Plümpe, der Söhne im Zweiten Weltkrieg verlor, kam am 15. Februar 1945 bei einem Fliegerangriff in Uedemerbruch zu Tode.

Nach dem Tod des Vaters übernahmen zwei unverheiratete Töchter das Ladengeschäft. 1952 wurde der Geschäftsbereich umgebaut. Die Fassade erhielt das Aussehen, das vielen Kevelaerern besonders wegen der dunklen Fliesenfront in Erinnerung ist. Hier zog Ende der 1960er-Jahre die Bäckerei von Franz Ophey ein. Nach der Geschäftsaufgabe errichtete 1994 Bäckermeister Egon Kammann eine Filiale.

Franz Ophey, Egon und Erika Kammann
Bäckermeister Franz Ophey, Egon Kammann und Erika Kammann (v.l., 1987).

Nun hat mit dem Schuhfachgeschäft Röseler im umgebauten Haus Nr. 32 ein neuer Zeitabschnitt begonnen. Das Haus befindet sich in Besitz der Erbengemeinschaft Plümpe.

Was war nun am 26. September 1942 in Kevelaer? Wir wissen es nicht und müssen uns mit der Antwort gedulden, bis irgendwo eine weitere Wandnotiz auftaucht oder ein Dokument in den Archiven gefunden wird, das die Frage klärt.

© Martin Willing 2012, 2013