Logo für Blattus Martini



Logo für Buchstaben A Logo für Buchstaben B Logo für den Buchstaben c Logo für den Buchstaben d Logo für den Buchstaben e Logo für den Buchstaben f Logo für den Buchstaben g Logo für den Buchstaben h Logo für den Buchstaben i Logo für den Buchstaben j Logo für den Buchstaben k Logo für den Buchstaben l Logo für den Buchstaben m
    SACHBEGRIFFE |
Historischer Verein für Geldern und Umgegend

Gegründet 1851

Friedrich NettesheimMit lustvoller Leidenschaft stürzen sie sich auf das, was Zungen von Banausen „olle Kamellen“ nennen. Sie kriegen das gewisse Leuchten in den Augen, wenn ein gebrechliches Stück Papier quälend langsam seinen Inhalt verrät. Diese Ballung von Gleichgesinnten hat einen provozierenden Namen, aber immerhin: Der Historische Verein macht aus Kevelaer keine kulturelle Prärie, sondern drückt Gelderns Primat vornehm aus: „... für Geldern und Umgegend“.

Friedrich Nettesheim.

Eigentlich untertreibt der anmaßend klingende Vereinsname maßlos. Zwar übten sich die Gründer Mitte des 19. Jahrhunderts in Bescheidenheit, indem sie nur auf den preußischen Teil des Oberquartiers kaprizierten, aber damit ging keine Kasteiung einher, so als ob die Vereinsmitglieder fortan nicht mehr grenzüberschreitend denken dürften. Selbstredend war für den Historischen Verein das Objekt seiner forschenden Begierde stets das komplette Herzogtum Geldern, und das steckt bekanntlich Nordrhein-Westfalen größenmäßig locker in die Tasche.

Wer eigentlich auf den Trichter gekommen ist, 1851 in Geldern einen Verein zu gründen, der heute vierstellige Mitgliederzahlen verbucht, mit Exkursionen die Gegend oder sogar Umgegend heimsucht und als Herausgeber wertvoller Schriften verhindert, dass wir nichts ahnend über historischen Boden stolpern, hält der Verein weitgehend unter der Decke.

Da tauchen in Aufsätzen eher beiläufig ein paar Namen auf, die kein Mensch kennt (was für den Landmesser Peter Michael Buyx, der zu den „Mitbegründern“ zählt, wohl nicht gilt), aber eine feine Beschäftigung mit sich selbst und eine respektierliche Publikation in eigener Sache hat der Historische Verein unterlassen. Indes, im Jahr 2001, in dem das 150-jährige Bestehen mit einer fulminanten Ausstellung (im Museum Kevelaer) gefeiert wurde, gab es zwei hervorragende Folianten.

Ein bisschen mehr wissen wir über personelle Highlights im Fortgang des Vereinslebens. Der Kaufmann Friedrich Nettesheim (1818 - 1881) ist eine solche Lichtgestalt, dessen „Geschichte der Stadt und des Amtes Geldern“ das am meisten benutzte, zitierte und abgeschriebene Buch im Großraum Geldern des 19. und 20. Jahrhunderts sein dürfte.

Unvorstellbar, wie dieser Mann gearbeitet hat: Während er beruflich durch die Lande zog und seine Brötchen verdiente, knöpfte er sich unterwegs ein Archiv nach dem anderen vor, um das versteckte Wissen zu erschließen und abzuschöpfen.

Zwar haben wir auch in jüngeren Perioden mit Heimatforschern wie den Kevelaerern > Ludwig Freudenhammer und Theo Bercker oder dem Gelderner Schulleiter > Dr. Karl Keller, mit Kreisarchivar Gregor Hövelmann oder dem Vereinsvorsitzenden Heinz Bosch oder Kreisarchivar > Karl-Heinz Tekath Vereinsrepräsentanten mit Nettesheim’scher Potenz. Doch auf was hat der arme Nettesheim alles verzichten müssen! Kein Computer, kein Fax, kein Telefon, kein fix und fertiges Kreisarchiv, kein Fotokopierer, keine Mikro-Fiche, kein Geldrischer Heimatkalender, keine meterlangen Regale mit Regionalliteratur.

Mag sein, dass heute manches Detail im Geldrischen Geschichtsbuch des Friedrich Nettesheim im Lichte jüngerer Forschungsergebnisse umgeschrieben werden muss, aber das kann die Verneigung vor einer solchen Pionierleistung nicht verkürzen.

An einem bemerkenswerten Detail können wir ablesen, dass auch die nachgeborenen Vereinshistoriker ausgeschlafene Jäger, Sammler und Entdecker sind, deren Taten sich hinter denen von Berufs-Wissenschaftlern gewiss nicht zu verstecken brauchen. Der Historische Verein für Geldern und Umgegend ist nämlich der mit Abstand größte und bedeutendste Herausgeber von Literatur über Land und Leute unserer Heimatregion.

Seit 1899 profitieren die Mitglieder und sonstigen Leser der Schriftenreihe von der Fähigkeit sachkundiger Menschen, ihr erworbenes Wissen so zu Papier zu bringen, dass die Lektüre Gewinn und Vergnügen beschert. Mit der Schrift ,,Pläne und Ansichten der ehemaligen Festung Geldern“ von Jean Real (1853 - 1930) begann 1899 die Reihe, die heute auf weit über 100 angewachsen ist.

Längst kann man die Herausgabe solcher Bücher nicht mehr aus der Portokasse bezahlen, und auch die Beiträge der zahlenden Mitglieder reichen bei weitem nicht, um Setzer, Drucker und Buchbinder zufrieden zu stellen. Deshalb spannt der Verein Sponsoren ein, die sich mit einem knappen, aber herzlichen Dankeschön begnügen und ansonsten es sich zur Ehre anrechnen, einem solchen Verein unter die Arme zu greifen.

Schlimm an der Entwicklung ist nur, dass man sich manche der vielen Veröffentlichungen, da vergriffen, nur noch - wenn überhaupt - zu köstlichen Liebhaberpreisen unter den Nagel reißen muss. Wer klug ist und trotzdem gut mit Geld umgehen kann, wird am besten Mitglied im Verein, denn dann kriegt man die jährliche Neuerscheinung für lau.

Der Historische Verein für Geldern und Umgegend ist der zweitälteste Geschichtsverein im Rheinland und vermutlich einer der größten in Deutschland. Auch wenn Kevelaer im Vereinsnamen fehlt, fühlen sich auch einige hundert Bewohner der - schränken wir es etwas ein - geistigen Hauptstadt des nordrhein-westfälischen Gelderlandes in diesem Verein zu Hause.

> Historischer Verein für Geldern und Umgegend (Homepage)

 

© Martin Willing 2012, 2013