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Von der Eisenbahnstraße über Hermann-Göring-Straße zur Bahnstraße
Unmittelbar nach dem Anschluss Kevelaers an das Eisenbahnnetz (1863) musste die Gemeindeverwaltung eine leistungsfähige Straße anlegen, um das Zentrum Kevelaers mit dem Bahnhof zu verbinden. Die Gemeinde benutzte dafür die Trasse des alten Weges, der von der St.-Antonius-Kirche nach Schravelen und Winnekendonk führte. Ein Teilstück zwischen Kirche und Bahnlinie wurde ausgebaut und Eisenbahnstraße genannt.
Die Bahnstraße nach ihrem Umbau (vor Fertigstellung des Roermonder Platzes).
Rechts und links der Eisenbahnstraße lagen Freiflächen. Die ersten Häuser - sechs an der Zahl - entstanden hier im Jahr 1865. Im Jahr darauf kamen vier Neubauten hinzu.
Bis 1877
gab es nur eine Möglichkeit, vom Bahnhof zum Kapellenplatz zu gelangen -
über die neue Eisenbahn- und die Hauptstraße. Nun beschloss der
Gemeinderat, eine zweite Verbindung zu schaffen: Die Mühlenstraße
(heute: Basilikastraße), eine Sackgasse, die vor dem Krankenhaus endete,
sollte einen direkten Anschluss an die Eisenbahnstraße bekommen.
1888 wurde das Terrain "durch den Geometer Deselaers von Geldern behufs
Feststellung der Fluchtlinie abgemessen" (KB von 1888). "Der neue Weg,
zu dessen Fertigstellung bekanntlich verschiedene Gärten durchbrochen
werden müssen, soll, dem Vernehmen nach, am 1. August dem öffentlichen
Verkehr übergeben werden.“ Diese neue Straße, die den Kapellenplatz mit
der Eisenbahnstraße verband, kennen wir heute als Marienstraße.
Die Eisenbahnstraße war mit grobem Pflaster ausgestattet, das durch die
erheblich gesteigerte Nutzung durch Pferdefuhrwerke Schaden nahm. 1899
wurde mit der Neupflasterung der Bahnstraße begonnen. Ob auch
Bürgersteige angelegt werden würde, stand zunächst nicht fest, wie ein
zeitgenössischer KB-Bericht erzählt:
"Bei der letzten Pflasterung der Bahnstraße plante man bereits, ein einheitliches Trottoir längs der Häuserreihe zu legen. Doch das Project scheiterte, da sich nicht sämmtliche Anwohner der Straße an den Kosten betheiligen wollten. Es läßt sich jetzt die Frage aufwerfen, ob es nun vielleicht nicht richtig ist, wenn man nochmals den Versuch machen sollte, das zu erreichem, was damals durch das Sträuben Einzelner nicht zu Stande kam. Des Weiteren wäre es wünschenswerth, wenn man für die Straßenrinnen sog. Hartsteine verwendete. Bei einer Neupflasterung der Hauptstraße, welche ebenfalls in nicht allzu ferner Zeit vorgenommen werden muß, wäre es wohl angebracht, die Frage zur Legung eines einheitlichen Trottoirs gleichfalls näher zu treten.“
Wann genau
der Name "Eisenbahnstraße" in "Bahnstraße" gewandelt wurde, ist nicht
bekannt. 1933 wurde längst von "Bahnstraße" gesprochen. Aber sie erhielt
nun einen neuen Namen: Von der Ecke Stassen bis zum
Bahnübergang hieß sie "Hermann-Göring-Straße".
Ein selbstbewusstes Eigenleben führten die Kaufleute und Anwohner der
Bahnstraße bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht. Ihre
Straße war nicht mehr als ein kleines Teilstück der großen
Verbindungsachse vom Kevelaer-Zentrum über die Rheinstraße nach
Winnekendonk und stellte eher ein Nadelöhr dar: "Die Reisequalität auf
dem Straßenzug Bahnstraße ist alles andere als gut“, befand 1989 Dr.
Baier vom Büro für Stadt- und Verkehrsplanung in seiner Vorstudie zum
Verkehrsentwicklungsplan.
Die
Anlieger der Bahnstraße hatten keine "schnellere Bahnstraße" im Sinn,
sondern das genaue Gegenteil: Sie verlangten 1989 im Konzert mit den
Anliegern der Rheinstraße, die Belästigungen durch Lärm und Abgase der
Fahrzeuge endlich einzudämmen. Um den Druck auf Rat und Verwaltung zu
erhöhen, wurde auf einer Anliegerversammlung empfohlen, aus Protest
gegen ausbleibende Lösungen sich nicht an der anstehenden Europawahl zu
beteiligen.
Bahnstraße vor ihrem Umbau.
Der 1990
auf den Tisch gelegte Verkehrsentwicklungsplan des Gutachters Baier
brachte ans Licht, woran es hauptsächlich krankte: Zum allergrößten Teil
sei das verkehrliche Chaos in der City hausgemacht. Der Ziel- und
Quellverkehr stamme überwiegend aus Kevelaer und seinen Stadtteilen.
Baiers revolutionäre Vorschläge stellten alles auf den Kopf: Er
plädierte dafür, den Autoverkehr komplett aus der Innenstadt
herauszuhalten, die Achse Bahn-/Markt- und Twistedener Straße
verkehrszuberuhigen und den Peter-Plümpe-Platz für Autos zu schließen.
Stadtdirektor >
Heinz Paal wehrte ab: „Zentrales
Parken ist für eine Stadt wie Kevelaer sehr wichtig. Es entsteht ein
Schaden, wenn wir hier eingreifen.“ Damit entsprach er dem Verlangen
vieler Kaufleute in der Innenstadt. Als Trostpflaster wurde damals wie
heute die >
Umgehungsstraße OW 1 angeführt, die alle
Verkehrsprobleme lösen werde - eine unendliche Geschichte, für die auch
2013 kein gutes Ende in Sicht sein würde.
1992 kam die Idee mit der Einbahnstraßenregelung auf. Ausgangspunkt war
eine Offensive Kevelaers, die Innenstadt fahrradfreundlicher zu
gestalten. Würde die Bahnstraße nur noch einseitig von Autos zu befahren
sein, könne ein Radweg zwischen den Parkboxen und der schmaler zu
gestaltenden Autofahrbahn angelegt werden. In den nächsten drei, vier
Jahren wurde die Einbahnstraßenidee kontrovers diskutiert.
1995 stand man kurz davor, nachdem Gerd Sprenger im Planungsausschuss
die testweise Einführung der Einbahnstraßenregelung vorgeschlagen hatte.
Aber die Bedenkenträger setzten sich durch. 1997 gingen die Grünen voran
und beantragten, die Bahnstraße stadteinwärts ab B 9 bis zur Ladestraße
zu sperren und von hier aus stadtauswärts als Einbahnstraße auszuweisen.
Nur Busse und Taxen sollten in beide Richtungen fahren dürfen. Der
Grünen-Antrag, der einen Beginn der Probephase für den 1. Oktober zum
Inhalt hatte, wurde mehrheitlich vom Stadtrat abgelehnt. Auch der
Kompromissvorschlag der SPD, erst im März 1998 zu beginnen, wurde
abgeschmettert. Stattdessen wurden andere Lösungen beschlossen:
Einbahnstraße mit Fahrtrichtung Innenstadt zwischen Basilikastraße und Gelderner Straße,
Markierung von Radfahrstreifen in diesem Bereich, auch entgegen der Einbahnrichtung,
Verlegung der Parkplätze auf die Nordseite der Bahnstraße,
Führung der Linienbusse ab der Straße Am Bahnhof auf einer gesonderten Busspur stadtauswärts,
Zeitliche Befristung dieser Regelung auf 1 Jahr,
Durchführung einer begleitenden Verkehrsuntersuchung durch die Ingenieurgesellschaft Stolz, Kaarst,
Durchführung der Maßnahmen im zeitlichen Zusammenhang mit der Sanierung des Dondert-Durchlasses in Höhe des Krankenhauses, jedoch spätestens ab 1.11.1998,
Entscheidung über weitergehende Maßnahmen im Rahmen eines Verkehrskonzeptes für die Innenstadt.
Tatsächlich
begann die Einbahnstraßenregelung im November 1998 für die zwischen
Basilika- und Gelderner Straße mit Fahrtrichtung Innenstadt. In der
Bevölkerung meldeten sich verstärkt Kritiker zu Wort, denen die Maßnahme
nicht weit genug ging. In Leserbriefen war von einer "Stadt zum
Aufatmen, wenn man Kevelaer verlässt" oder "Labyrinth des Grauens" die
Rede.
Im Jahr 2000 dann wieder etwas Neues: „Auf einmal kann es nicht schnell
genug gehen: Die Bahnstraße soll wieder für beide Fahrtrichtungen
freigegeben werden", meldete das KB im Januar. "Noch vor wenigen Tagen
traute sich kaum jemand in der Politik, öffentlich das Ende des
Experiments zu fordern, jetzt - die KBV hatte einen entsprechenden
Antrag in den Planungsausschuss eingebracht - ist die Mehrheit plötzlich
dafür.“ Kurz darauf der Rathaus-Beschluss:
Die Einbahnstraßenregelung wird aufgehoben. Es wird ein Angebotsstreifen für Radfahrer beidseitig auf der Bahnstraße eingerichtet. Die Parkplätze auf der Bahnstraße werden aufgehoben und auf der Straße Am Bahnhof wird eine Parkscheibenregelung eingeführt.
Im Februar 2000 war die Einbahnstraße vom Tisch. Die Bahnstraße konnte
in Kürze wieder in beiden Richtungen befahren werden. Es standen keine
Parkstreifen mehr zur Verfügung. Aber ein Radweg sollte eingerichtet
werden.
Nun waren die katastrophalen Verkehrsverhältnisse auf der Bahnstraße
wieder da, und Anlieger wie Gewerbetreibende klagten, dass sie zum Be-
und Entladen auf der Bahnstraße - absolutes Halteverbot - jetzt offenbar
eine Sondergenehmigung benötigten. Obendrein waren viele Geschäftsleute
"stinkesauer", weil im zweiten Teil der Bahnstraße die Parkplätze
weggefallen seien. "Es ist fünf vor zwölf", kritisierten Geschäftsleute
der Bahnstraße Mitte 2000 in einem Antrag an die Verwaltung.
Die Konzeptionslosigkeit der Politik zeigte sich im Juni 2000. Die
Bahnstraßen-Kaufleute konnten sich mit mit ihren Forderungen, Parken mit
Parkscheibe zu erlauben, durchsetzen. Der Stadtrat, der bereits den
einjährigen Einbahnstraßen-Versuch als gescheitert beendet hatte,
stoppte nun auch die Zwischenlösung mit sogenannten Suggestivstreifen
auf beiden Fahrbahnseiten für Radfahrer. Sie war bei den Kaufleuten auf
Proteste gestoßen, weil wegen restlos fehlender Parkmöglichkeiten die
motorisierte Kundschaft ausgeblieben war. Die Kaufleute wurden mit der
Ankündigung besänftigt, dass weitere Parkplätze angelegt würden.
Das Flickwerk wurde Mitte 2001 restlos über den Haufen geworden,
allerdings erst einmal gedanklich: Professor Gerlach vom
Ingenieursinstitut Scholz, das ein Verkehrskonzept für Kevelaer
ausgearbeitet hatte, stellte die Ideen vor, und mancher Politiker und
Anlieger erbleichte: Bahnübergang an der Bahnstraße dicht,
Ausfahrtverbot Richtung Winnekendonk und Einbahn ab Bahnübergang
Richtung Stadtmitte.
In der Bevölkerung begann es nach solchen endlosen Debatten ohne
Lösungen zu rumoren. Bürgerversammlungen fanden statt, und es hagelte
Proteste. Die Bahnstraße ab Bahnübergang sperren zu wollen, stieß auf
auf heftigen Widerstand in der Bürgerschaft. Als Ende des Jahres 2001
die Politiker erneut über das Verkehrsleit- und Parkkonzept
debattierten, wurde beschlossen:
Erstellung eines Einzelhandelsgutachtens, Durchführung éiner Bürgerbefragung, gleichzeitig Schaffung der planungsrechtlichen Voraussetzungen für ein Warenhaus (am Bahnhof).
Veränderung der Rot-/Grünphasen an der Kreuzung B 9/Rheinstraße.
Anpassung der Ampel an der Lindenstraße.
Sperrung für den Schwerlastverkehr zwischen B9/Lindenstraße und Einmündung OW1/Wember Straße.
Linksabbiegerspur auf der B 9 Richtung Weezer Straße, Sperrung für Laster.
Neugestaltung der Bahnstraße als verkehrsberuhigte, stadteinwärts führende Einbahnstraße.
Parkplatzanlage an der Ladestraße.
Planung einer Tiefgarage unter dem Peter-Plümpe-Platz.
Abriss von zwei Häusern an der Marktstraße (als Zuführung des Verkehrs von der auszubauenden Bury-St.-Edmunds-Straße zur Tiefgarage); Marktstraße soll Fußgängerzone werden.
Sperrung der Willibrordstraße im Bereich der Hauptstraße.
Belieferung der Annastraße aus Richtung Bahn-/Marktstraße.
Beidseitige Befahrbarkeit des St.-Klara-Platzes.
Da war sie nun wieder
aufgetaucht - die Bahnstraße als Einbahnstraße, diesmal aber sogar in
verkehrsberuhigter Form. In den nächsten Monaten wurden die Pläne zur
Umgestaltung der Bahnstraße ausgearbeitet. Im März 2002 wurde deutlich,
dass der Umbau der Bahnstraße im Zusammenhang mit dem Roermonder Platz
stand, der noch auf seine Gestaltung wartete. Die Umgestaltung von
Teilbereichen der Bahnstraße und Gelderner Straße sowie des Roermonder
Platzes war von nun ein ein "Paket".
Bevor es losging, wurden die die Abwasserkanäle in Bahn- und Gelderner
Straße saniert. Dann bekam die Bahnstraße ab Anfang 2003 von den
Schranken bis zu Alt Derp ein neues Gesicht. Die Bauarbeiten
begannen an einem Montag (6.1.2003). Unterstützt von der
> Wirtschaftsförderungsgesellschaft, dachten sich die Einzelhändler
Aktionen aus, um ihre Kundschaft während der Bauarbeiten bei der Stange
zu halten.
Im Mai 2003 feierten die Anlieger der Bahnstraße den Abschluss der
Arbeiten mit einer großen Party.