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Kapitel 13

Gnadenkapelle von Mettenbuch
Die Gnadenkapelle von Mettenbuch. Foto: Martin Willing

Im Jahr 1998 besuchte der Blattus-Autor Metten und Mettenbuch. Zu jener Zeit hatte sich der Bauernsohn aus Twisteden gerade mit der Schrift "Gemeinde in mobiler Gesellschaft" habilitiert. Eine Professur für Pastoraltheologie und Liturgiewissenschaft an der Universität Passau erhielt er im Jahr 2002. Zwei Jahre danach wurde er in Münster zum Bischof geweiht. Da war Franz-Peter das Benediktinerkloster Metten bereits vertraut, denn hier war er häufiger zu Exerzitien eingekehrt - auch später als Bischof.

Kloster MettenMeine erste Begegnung mit Metten und seiner Klosterkirche fiel also ins Jahr 1998. Ich war in Europa zu Marienwallfahrtsorten unterwegs und nun auf der Suche nach dem winzigen Örtchen Mettenbuch, wo vor langer Zeit, am Freitag, 1. Dezember 1876, die Gottesmutter einigen Kindern erschienen ist, wie sie berichteten. Die Gnadenstätte befindet sich, so habe ich gelesen, in einer Schlucht zwischen der Stadt Metten und dem Dörfchen Mettenbuch.

Elf Prozent Steigung, enge Kurven, wenige Häuser, dann freie, hügelige Landschaft vor postkartenschöner Bergkulisse des Bayrischen Waldes, deren schneebedeckte Kuppen das Sonnenlicht reflektieren - jedenfalls an dem Frühjahrstag 1998, als ich hier unterwegs war. Mettenbuch ist ein winziges Straßendörfchen hoch oben auf der Hügelkette.

Was ist damals passiert in der Schlucht? In dem Buch "Spurensuche Maria Kevelaer" schildere ich das so:

Nach Marpingen werden im selben Jahr (1876) auch aus Mettenbuch Marienerscheinungen gemeldet, hier unter dem Kevelaer-Titel „Trösterin der Betrübten“. - „Als sie die Worte sprachen: ´Du Zuflucht der Sünder, du Trösterin der Betrübten`, da flammte plötzlich das Licht, welches von den Mädchen ganz in der Nähe gesehen wurde, groß und hell und Funken sprühend auf und sank rasch wieder zusammen. Sie wunderten sich, wollten aber doch etwas erschreckt fortgehen; da schwebte das Licht neben ihnen her. Der Brombeerstaude gegenüber blieben sie nun stehen und beteten, jedes allein, für die Abgestorbenen. Jetzt schwebte das Lichtlein hinab gegen den Graben, blieb erst stehen und erlosch dann schnell. Bald tauchte an demselben Platze ein neues Licht auf und verschwand wieder. Plötzlich rief das zehnjährige Mädchen: ´Ein Kinderl, ein Kinderl`“. Die Mädchen hatten, so jedenfalls beginnt die Schilderung der Erscheinungen, das Jesuskind gesehen.

Am nächsten Tag, am Samstag, 2. Dezember 1876, geht die gleiche Gruppe, aber erweitert um einen Erwachsenen und zwei Kinder, in die Schlucht und betet unterwegs den Rosenkranz. An der Stelle mit den Lichtphänomenen des Vortages knieen die drei Erwachsenen und vier Kinder nieder und beten die lauretanische Litanei. Plötzlich rufen die Kinder wie aus einem Munde: „Unsere liebe Frau ist da“. Ihren Schilderungen nach sehen sie eine „schöne Frau“, auf einem Stuhl sitzend, ein Kind auf ihrem Schoß. Auf die Frage, wer sie sei, antwortet sie: „Maria, Trösterin der Betrübten“.

GnadenkapelleDiese Stelle, wo die Gottesmutter unter dem "Kevelaer-Titel" der "Trösterin der Betrübten" erschienen sein soll, will ich finden. Ich mache mich - 1998 - auf den Weg und bin nach wenigen Metern eingetaucht in ein Bild wie aus einer anderen Welt, das mich an Kinderjahre und Märchenerzählungen erinnert. Links von mir fällt eine kleine Schlucht ab, durch die ein Bächlein rinnt, auf der anderen Seite drückt sich ein Kapellchen an den Hang, so klein wie ein Puppenstübchen, beschützt von riesenhaften Bäumen.

Gnadenkapelle
der "Trösterin der Betrübten" im Wald von Mettenbuch.
Foto: Martin Willing (1998)

Die Perspektive verschiebt die Dimensionen. Als ich näher komme, werden die Waldbäume normal groß, und die Kapelle wächst, immerhin, zu Ausmaßen eines Gartenhäuschens heran. Die Inschrift über der Eingangstür zeigt, was Mettenbuch mit Kevelaer verbindet. „Trösterin der Betrübten“, lese ich und bin als Kevelaerer berührt.

Diesen Titel trägt die Gottesmutter an sieben Gnadenstätten in der Welt: im thüringischen Helfta (1282), wo die Heilige Gertrud gelebt hat, in Luxemburg (1627), der „Mutter“ von Kevelaer, in Japan (1632), in Kevelaer (1642), in Mettenbuch (1876), im luxemburgischen Kayl (1947) und im deutschen Neuweier (1960). Nur Luxemburg und Kevelaer haben Bedeutung als Marienwallfahrtsorte erlangt, „Mettenbuch“ und „Kayl“ werden von der Kirche abgelehnt.

Es ist Karfreitag, später Vormittag, und ich befinde mich hier im Wald an einem, das weiß ich aus der Literatur, „verbotenen“ Ort. Ich bin der einzige Besucher, und alles, was ich höre, ist leises Plätschern des Baches. Die schmale Schlucht trennt das Marienkapellchen von einem mannshohen Kruzifix, vor dem ein blassblauer Rhododendron blüht.

(...) In der verschlossenen Kapelle, so ist durch das Fenster zu erkennen, steht eine Madonnenstatue, die nicht mehr jene sein kann, die die Fürstin von Thurn und Taxis Anfang 1877 für den Mettenbucher Erscheinungsort hat anfertigen lassen. (...) Das andächtige Ensemble im Wald von Mettenbuch lebt von der Stille, in das es eingebettet ist. Es rührt mich an, wie Menschen mit beschränkten Mitteln einen Ort, den sie als heilig empfinden, behüten. „Bitte hier keine Kerzen anzünden“, steht auf einem Zettel an der verschlossenen Tür der Gnadenkapelle. Das dürfte sich eher auf die Waldbrandgefahr beziehen und weniger auf die kirchliche Ablehnung, in deren Gefolge die Seher-Kinder von Mettenbuch mit unglaublicher Kälte verstoßen und in die Exkommunikation getrieben worden sind.

Ich zünde an jeder Gnadenstätte, die ich auf meinen Forschungsreisen zu den Wallfahrtsorten besuche, eine Kerze an, egal ob kirchlich anerkannt oder nicht; hier ist es zum ersten Mal nicht möglich. In der prächtigen, barocken Klosterkirche von Metten, wo in einer winzigen Seitenkapelle eine Madonnenstatue steht, hole ich das später nach.

Nirgendwo findet sich in der Kirche oder in den ausliegenden Schriften ein Hinweis auf die Erscheinungen von Mettenbuch im ausgehenden 19. Jahrhundert, obwohl der damalige Abt von Metten den Kindern geglaubt und die Ereignisse in einer Broschüre als wahrhaftig und tatsächlich geschehen dargestellt hat, noch bevor der Bischof von Regensburg das nach kanonischen Vorschriften durchgezogene Untersuchungsverfahren mit einem vernichtenden Urteil abgeschlossen hatte. „´Mettenbuch` ist noch nicht zu Ende“, hat einer seiner Nachfolger geäußert.

Nur Einweihte können den Grabstein einer „Therese Stettmeier geb. Strobl“ auf dem Klosterfriedhof, gleich vor der prächtigen Kirche gelegen, einordnen. Hier liegt Therese Strobl begraben, das jüngste der Seherkinder, verstorben im Jahr 1962. 

Als Gebetsstätte gibt es Mettenbuch noch heute. Die winzige Gnadenkapelle mit dem Schild "Maria Trösterin der Betrübten" rückt die Dimensionen wieder zurecht, die durch den Fall Limburg in Schieflage geraten sind.

Es ist ein guter Ort für eine Auszeit.

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© Martin Willing 2012, 2013