Kapitel 11
Obwohl es äußerst unwahrscheinlich ist, dass
eine Zeitung Details aus dem Gespräch zwischen dem Papst und
Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst in Erfahrung bringen konnte, will
eine italienische Zeitung wissen, dass sich der Bischof bei dem Gespräch
für seine "Kommunikationsfehler in Bezug auf die immense
Kostensteigerung beim Bau seines Amtssitzes" entschuldigt habe. Das
berichtete
SPIEGEL online (25.10.). Er müsse sich nun einer
"Zeit der Meditation und des Nachdenkens" hingeben.
Die Tageszeitung "Die Welt"
brachte auf ihrem Online-Portal dieses Foto der Vatikan-Zeitung. Die
Aufnahme sei zunächst zurückgehalten worden. Inzwischen sei das Bild von
der Begegnung des Limburger Bischofs mit dem Papst verbreitet worden.
Foto-Zitat: www.welt.de
Abenteuerliche Zukunftsszenarien wurden auf
SPIEGEL
online (26.10) dargestellt: Der Klerus in Limburg diskutiere
inzwischen über die weitere Verwendung der in Verruf geratenen
Bischofsresidenz. Es stünde die Umwandlung in ein Flüchtlingsheim, in
eine Suppenküche oder in eine Touristenattraktion zur Debatte. Klar sei:
"Der Geldgestank muss weg,", so ein "Mitglied des einflussreichen
Domkapitels".
Dass Tebartz-van Elst oder ein neuer Bischof die Residenz beziehe, gelte
im Ordinariat als schwer vorstellbar, meldete
SPIEGEL online.
"Der Bau ist so etwas wie eine Erbsünde geworden, die uns der Bischof
hinterlassen hat", wurde ein Caritas-Mitarbeiter zitiert.
Unterdessen bemühten sich Bistümer um Abgrenzung von
den Vorwürfen des lockeren Umgangs mit Geld und Vermögen der Kirche. So
äußerte sich der Münsteraner Diözesanbischof Dr. Felix Genn laut
kirchensite.de (28.10.2013) vor Studierenden in Münster: "Sie
können davon ausgehen, dass wir mit dem Geld verantwortungsvoll und
transparent umgehen." Das kirchliche Vermögen werde grundsätzlich
treuhänderisch verwaltet.
Bischof Genn hatte zuvor auf Veränderungen durch den neuen Papst
hingewiesen. Franziskus stelle konsequent die
Armen ins Zentrum, meldete
kirchensite.de (25.10.2013). Daraus ergebe sich die Frage für alle christlichen
Gemeinschaften, alle Pfarreien und jeden einzelnen Christen, die ihn
auch ganz persönlich schon immer beschäftigt habe: "Wo sind die Armen
bei Ihnen?"
Auch das Kölner Internetportal domradio.de
griff die abstrus klingenden Verwendungsmöglichkeiten der Limburger
Bischofsresidenz auf (27.10.), über die
SPIEGEL online
berichtet hatte. Das Bistum diskutiere über Vorschläge von Flüchtlingsheim bis zur Suppenküche.
domradio: "Eine Öffnung für Obdachlose würde der Caritas entgegenkommen.
'Menschen,
die bei uns Zuflucht suchen, könnten in der Residenz bewirtet werden',
sagte ein Mitarbeiter der Caritas. Sollte eine Suppenküche eröffnet
werden, kämen dafür laut einem im Ordinariat diskutierten Vorschlag
indische Nonnen in Frage, die bislang Bischof Franz-Peter Tebartz-van
Elst versorgten."
Ein weiteres Szenario sehe vor, den mehr als 31 Millionen Euro teuren
Bischofssitz als Touristenattraktion zu nutzen. "Zudem könnten die
schwarze bischöfliche Privatkapelle und der rund 800.000 Euro teure
Mariengarten für die Allgemeinheit geöffnet werden; für die warme
Jahreszeit ist an ein kirchliches Park-Café gedacht", hieß es weiter auf
dem Kölner Internatportal.
Während
diese skurrile Diskussion ins Leere laufen dürfte, hat der Fall
Limburg insgesamt zum ersten Mal Bewegung in die nun 100 Jahre alte
Auseinandersetzung um staatliche Zahlungen an die Kirche gebracht.
Napoleon ließ Anfang des 19.
Jahrhunderts Kirchen und Klöster enteignen. Dafür zahlen die deutschen
Steuerzahler den Kirchen Ausgleich bis heute.
Es geht um allgemeines Steuergeld (Dotationen), das der Staat den
Kirchen als Ausgleich für die Enteignungen in der Franzosenzeit Anfang
des 19. Jahrhunderts bis heute jährlich zufließen lässt. So erhalten
beide großen Kirchen derzeit rund 460 Millionen Euro im Jahr aus
allgemeinen Steuermitteln, meldete
domradio.de, wovon unter
anderem die Gehälter der Bischöfe bezahlt werden. Die Dotationen haben
mit der Kirchensteuer nichts zu tun und sind in der öffentlichen
Diskussion um die Finanzierung der Kirchen und ihrer Arbeit so gut wie
unbekannt.
Diese Zahlungen, die bald nach 1803 begonnen haben, nun endlich
einzustellen, war ein Verfassungsauftrag der Weimarer Republik, der von
dem deutschen Grundgesetz nach dem Zweiten Weltkrieg übernommen wurde.
In Angriff genommen haben diesen Verfassungsauftrag weder die Politiker
der Weimarer Republik noch die der Bundesrepublik. Das könnte sich nun
ändern, weil die
Causa Limburg die Hemmschwelle gesenkt hat.
Damit bekäme der
Fall Tebartz-van Elst in seinen Auswirkungen
auf die Kirche eine weit umfassendere historische Dimension als ohnehin
schon.
Allerdings sind sich Kirchenrechtlicher darüber einig, dass vor einer
endgültigen Lösung der Dotationen-Frage, wie sie nun von Politikern
gefordert wird, sehr komplexe Berechnungen angestellt werden müssen -
von überaus schwierigen Rechtsfragen ganz abgesehen. Beides war meistens
der Grund, warum Versuche, die Staatszahlungen einzustellen, bisher
immer ins Leere liefen.
Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki
(Foto) forderte im
Focus (28.10.)
"eine zügige Einstellung der Zahlungen von mehr als 460 Millionen Euro
an die beiden großen Kirchen", meldete das Portal
katholisch.de.
"Eine Kommission beim Bundesfinanzminister solle den Wert des 1803
verstaatlichten Kirchenbesitzes und die Summe der seither geleisteten
staatlichen Entschädigungszahlungen ermitteln. Dabei könne sich auch
herausstellen, 'dass schon alles abgegolten ist.'"
Um sehr viel weniger Geld, aber um kaum weniger
weitreichende Dimensionen für des Bischofs Zukunft ging es in Hamburg.
Wie
domradio.de am 29. Oktober berichtete, wolle das
Amtsgericht das Verfahren wegen eidesstattlicher Falschaussage gegen den
Limburger Bischof einstellen, wenn Tebartz-van Elst eine Geldbuße
akzeptiere. Auch die Staatsanwaltschaft müsse zustimmen, bevor das
Verfahren zu den Akten gelegt werden könne.
Drei Privatpersonen hatten Strafanzeige gegen den Bischof erstattet,
nachdem Tebartz-van Elst in einer eidesstattlichen Versicherung vor dem
Hamburger Landgericht bestritten hatte, gegenüber einem
"Spiegel"-Redakteur den Erste-Klasse-Flug geleugnet zu haben. In einem
Video-Mitschnitt des Gesprächs bestritt der Bischof den Flug jedoch mit
den Worten "Business-Class sind wir geflogen", hieß es ergänzend auf dem
Portal
katholisch.de (29. Oktober).
Der Mainzer Bischof Kardinal Karl Lehmann fühlt sich,
wie
SPIEGEL online berichtete (29. Oktober), "beschämt" durch
die Kostenexplosion in Limburg und die entsprechenden Auswirkungen auf
die Kirche. "Man darf gespannt sein, wie viel und was nach dem Abschluss
der Untersuchungen noch deutlicher wird. Vieles beschämt mich jetzt
schon tief", habe Lehmann in einem Beitrag für die Bistumszeitung
Glaube und Leben geschrieben. "Ich habe viel über die Einnahmen der
Kirche gelesen, aber so gut wie nie habe ich Hinweise gefunden über das,
was die Kirche mit diesen Einnahmen anfängt und leistet". So entstehe
leicht der Verdacht, die Kirche würde diesen "'Reichtum' anhäufen und
darauf sitzen bleiben." Das empfinde er als ungerecht und ärgerlich.
Zu einem Generalankläger entwickelte sich offenbar der
Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz. Ein vertraulicher Brief an
seine Mitarbeiter wurde in der Tageszeitung
Die Welt zitiert.
Darin kritisierte zu Eltz den Papst, dieser habe mit seiner Entscheidung die Zukunft
des Bischofs in der Schwebe gelassen. Der Dekan erklärte
gegenüber der
Welt: "Bei aller päpstlichen Väterlichkeit hätte ich mir
gewünscht, dass er robuster und klarer agiert und sagt: Der Bischof wird
nicht mehr zurückkommen." Für zu Eltz stand fest: "Ich werde alles, was
in meinen Kräften steht, dafür tun, dass auch die Verantwortlichen in
Rom das einsehen können, und dränge darauf, dass wir bald einen neuen
Bischof von Limburg wählen dürfen, der uns vertraut und dem wir
vertrauen können."