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Teil 47

Die Traberparkaffäre (5)

Logo für das nächste KapitelLogo für das vorige KapitelDas große Täuschungsmanöver im Munitionsdepot

Von Martin Willing

Am 23. Oktober 1998 verlangte Hölzle von Delia Evers und mir, u.a. „die Behauptung, die Traberpark den Heyberg GmbH & Co. KG befinde sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten“, nicht aufrecht zu erhalten, nicht zu wiederholen und nicht mehr durch das Kevelaerer Blatt zu verbreiten.

Am selben Tag wurde das erste Verfahren entschieden - die Verfügung gegen die KBV. Hölzle errang einen Teilsieg, weil den KBV-Politikern verboten wurde, „in der Öffentlichkeit - insbesondere mittels Zeitungsanzeigen - zu behaupten, der Traberpark den Heyberg sei ‚in wirtschaftlichen Schwierigkeiten‘.“ Mit anderen Antragspunkten scheiterte der Traberpark-Anwalt.

Nun stand noch sein Angriff gegen das KB im Raum. Wir berieten uns mit der Rechtsabteilung des Deutschen Journalistenverbands (DJV) und schickten eine so genannte Schutzschrift an das Gericht, in der wir die Sachverhalte detailliert schilderten und belegten.

Die geforderte Unterlassungsverpflichtung unterschrieben wir natürlich nicht. Und beipflichten konnten wir der Einschätzung der Kevelaerer Kanzlei auch nicht: „An den von den Antragsgegnern aufgezeigten angeblichen Skandal glauben nur noch sie selbst“, tischte sie dem Gericht in Kleve auf. „Sie sind Gefangene ihrer eigenen Propaganda geworden, so daß leider gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen werden muß.“

Am Tag zuvor hatte Hölzle in einem Brief an mich gestanden: „Apropos Teufels Küche: War tatsächlich kurz dort vorbeigeritten; habe schon mal für Sie und Ihresgleichen tüchtig vorgeheizt.“

Die Vorgänge waren nicht nur unappetitlich, sondern auch sehr belastend für Delia Evers und mich. Für den Fall, dass dem Unternehmen Den Heyberg Kredite versagt oder sogar gekündigt würden, mussten wir damit rechnen, dass Den Heyberg versuchen würde, die erlittenen Nachteile der KB-Berichterstattung anzulasten.

Unserer Einschätzung nach war die von Hölzle angestrebte Gerichtsentscheidung, dass die Aussage „wirtschaftliche Schwierigkeiten„ unzulässig sei, nur die denkbare Ouvertüre für sehr viel gefährlichere Prozesse, bei denen unser Verlag wirtschaftlich unter die Räder hätte geraten können. Denn Den Heyberg hätte schon mit einem Teilerfolg in einem Schadensersatzprozess unseren kleinen Zeitungsverlag im Lebensnerv getroffen.

Wir wussten um die Erfahrung, die schon viele Menschen gemacht haben: Recht zu haben, reicht nicht. Man muss auch Recht bekommen. Und nach dem halben Sieg Hölzles gegen die KBV war ein ähnliches Urteil gegen uns nicht auszuschließen.

Wir waren von unseren Existenzsorgen in jenen Wochen erst befreit, als Hölzles Versuch, Delia Evers und mir bestimmte Aussagen über den Traberpark verbieten zu lassen (Streitwert 50.000 Mark), am 29. Oktober 1998 vom Landgericht Kleve ohne Wenn und Aber zurückgewiesen wurde.

Was uns an dem eindeutigen Urteil besonders freute: Das Gericht hatte seine Entscheidung ohne Kenntnis unserer Schutzschrift getroffen. Unser Schreiben war durch ein Versehen erst am 3. November, also fünf Tage nach dem Urteilsspruch, vorgelegt worden. Unsere Berichterstattung wurde demnach von den Richtern als nicht zu beanstanden eingestuft, ohne dass es der detaillierten Darlegung von Gründen und Hintergründen durch uns bedurft hatte.

Womit unsere Gegner damals vielleicht nicht rechneten, sei hier gerne eingeräumt: Wir waren fest entschlossen und hatten entsprechende Vorbereitungen getroffen, uns mit allen legalen Mitteln und durch sämtliche Instanzen zur Wehr zu setzen und wären lieber mit fliegenden Fahnen untergegangen, als gegenüber diesen Machenschaften klein bei zu geben.

Der Fall bestätigte einmal mehr, dass Politik und Wirtschaft sich leicht damit tun, gegen kleine Zeitungen Angriffe zu fahren, die sie gegen Medienkonzerne niemals wagen würden. Und: Journalisten solcher Kleinverlage müssen ungleich mehr können und leisten als die Kollegen von Großverlagen, die bei Auseinandersetzungen letztlich von enormer Kapitalkraft geschützt werden. Sie müssen, wenn sie ihrem Beruf unbeugsam nachgehen und als Kleinverleger wirtschaftlich überleben wollen, all das beherrschen, was in hierarchisch aufgebauten Konzernen als Aufgaben und Wissen auf viele Schultern und Abteilungen verteilt ist.

Hölzle hatte in seinem Eifer, erst der KBV und dann dem Kävels Bläche „einen reinzuwürgen“, etwas Folgenschweres übersehen: Die eidliche Aussage des Traberpark-Anwalts und Ratsherrn gegenüber dem Gericht, das Unternehmen Den Heyberg hätte aktuell keine wirtschaftlichen Schwierigkeiten und auch in der Vergangenheit nie welche gehabt, stand im exakten Widerspruch zu den Aussagen von Stadtdirektor Heinz Paal, der als Insider des Unternehmens den Stadtrat eindringlich auf eine dramatische Lage hingewiesen hatte. Nur deshalb waren die meisten Ratsmitglieder immer wieder bereit gewesen, dem Unternehmen entgegen zu kommen.

In diesem peinlichen Eigentor des Anwalts sah ich politischen Sprengstoff. Ich wollte dem Stadtdirektor Gelegenheit geben, den Widerspruch aufzuklären, und bat ihn um eine Unterredung, die am Mittwoch, 4. November, abends in seinem Wohnhaus in Kevelaer stattfand. Die Zeit drängte, denn am selben Abend musste ich die neue Ausgabe des KB für den Druck am Donnerstag abschließen. Stoff genug hatten wir allerdings auch ohne die Widerspruch-Granate: Wenige Stunden zuvor hatte Delia Evers über den Pressesprecher des Regierungspräsidenten in Düsseldorf, Bernd Hamacher, erfahren, dass das Traberparkgelände in Twisteden keine Chance habe, die Genehmigung für andere gewerbliche Nutzung zu bekommen. (Davon nichts ahnend, stellte Den Heyberg am folgenden Tag den Antrag auf Abriss von einigen Bunkern, um Platz für die angebliche Trainings- und tatsächliche Lagerhalle zu schaffen.)

Ich konfrontierte Paal mit dem Widerspruch: Einerseits erkläre Hölzle in eidesstattlicher Versicherung, der Traberpark habe zu keiner Zeit in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gesteckt, andererseits lägen Aussagen in Ratsvorlagen vor, in denen Paal eindringlich die Notlage des Traberparks geschildert habe.

Dann brachte ich es auf den Punkt: Der Widerspruch könnte zu einem Disziplinarverfahren gegen Stadtdirektor Paal oder einer Strafanzeige gegen Anwalt Hölzle wegen des Verdachts der eidlichen Falschaussage führen.

Ich empfahl Paal dringend, den Streit nicht eskalieren zu lassen. Er solle seinen Einfluss geltend zu machen, damit die juristischen Angriffe auf Ratskollegen und die KB-Journalisten aufhörten. Es sei höchste Zeit, zu einer normalen, politischen Auseinandersetzung zurückzukehren.

Paal zögerte zunächst und ging dann - es war mittlerweile 19.45 Uhr - scheinbar auf meine Empfehlung ein. Er wolle jetzt ein paar Telefonate führen. Gegen 20.30 Uhr rief er in der Redaktion an. Er habe längere Zeit mit dem Beiratsvorsitzenden Heinz Verrieth gesprochen. Der sei an einer juristischen Auseinandersetzung nicht interessiert. Sie böten ein Klärungs-Gespräch an.

Ich sicherte Paal zu, dieses Gespräch abzuwarten und den politischen Sprengsatz noch nicht in der Öffentlichkeit auszubreiten.

Eigentlich war es nicht verwunderlich: Grünen-Fraktionschef Karl-Heinz Kandolf, ein ebenso kluger wie erfahrener Kommunalpolitiker, hatte den eklatanten Widerspruch in den Aussagen über die wirtschaftliche Lage von Den Heyberg längst erkannt und kam mir zuvor. Am 7. November machte die Fraktion der Grünen den skandalträchtigen Vorgang offiziell, indem sie diesen Antrag einreichte:

„Der Rat der Stadt hat in seiner Sitzung am 19.5.1998 eine weitere Fremdnutzung der Bunkeranlagen im Traberpark beschlossen. Grundlage hierfür waren die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Traberpark-Gesellschaft. Nunmehr ist deutlich zu vernehmen, daß es solche Schwierigkeiten nicht gibt. Wie sonst sollte die Klage und der Klageerfolg des Herrn Dr. Hölzle gegen die KBV zur Unterlassung einer derartigen Behauptung zu verstehen sein? Meine Fraktion fühlt sich bei der damaligen Beschlußfassung sowohl durch die an der Gesellschaft beteiligten Ratsmitglieder und insbesondere durch den Herrn Stadtdirektor Paal als Beiratsmitglied massiv hintergangen. Es wird daher beantragt, den gefaßten Beschluß vom 19.5.1998 rückgängig zu machen und eine weitere Fremdnutzung über das Jahr 1999 auszuschließen.“

Nun stand alles in Flammen: Zum einen war jetzt „in der Welt„, dass einer von den beiden gelogen haben musste - entweder Stadtdirektor Paal oder Anwalt Hölzle. Fatale Folgen für einen der beiden waren nicht auszuschließen. Zum anderen lag nun der Grünen-Antrag auf dem Tisch, nach 1999 die Fremdnutzung zu unterbinden. Das hätte, jedenfalls nach den bisherigen schriftlichen Versicherungen aus dem Haus Den Heyberg, den Zusammenbruch des Unternehmens bedeuten können.

Schlimmer hätten die Folgen des unüberlegten Angriffs auf eine politische Partei und die Kevelaerer Zeitung nicht ausfallen können.

An dem Klärungsgespräch, das ich mit Paal für Dienstag, 10. November, im Rathaus verabredet hatte, nahmen außer Paal, Delia Evers und mir auch Heinz Verrieth (Traberpark), Heinz van Aaken und Günther Krüger (beide KBV) teil. Paal eröffnete das Gespräch mit dem Hinweis, es sei sinnvoll, zu Beginn des Gesprächs das Ziel festzulegen und dabei das Gewesene nicht mehr aufzuwärmen. Er formulierte das Ziel so, dass er ausschließlich daran interessiert sei, den Traberpark und die Stadt Kevelaer aus der öffentlichen Diskussion herauszubekommen, um Schaden von ihnen fernzuhalten; die Interessen seiner eigenen Person spielten dabei eine untergeordnete Rolle. Veröffentlichungen zum Thema sollten ein Ende haben, die Auseinandersetzungen ebenso.

Paal fragte, ob sich alle Beteiligten auf dieses Ziel einlassen könnten.

Delia Evers entgegnete, dass ein Gespräch nicht sinnvoll sei, wenn das Ergebnis vorweggenommen und für die weitere Diskussion zur Bedingung gemacht werde. Das was Paal fordere, könne möglicherweise am Ende des Gespräches erklärt werden, aber nicht zu Beginn. Paal erklärte, dann zweifle er daran, dass das Gespräch etwas bringen könne.

Heinz van Aaken bekräftigte die Auffassung von Delia Evers. Für ihn habe die Angelegenheit zwei Dimensionen, die eine sei die vom Traberpark eingeleitete juristische Dimension, die schwerwiegende Folgen nicht nur für die unmittelbar Betroffenen, sondern auch für deren Familien, Bekannte und Parteifreunde habe und existenzielle Ängste auslöse, die zweite sei die politische Dimension, dass er sich als Ratsmitglied hintergangen fühle. Das könne man nicht einfach zu den Akten legen.

Es entwickelte sich ein konfuses Gespräch. Immer wieder hielt Heinz Verrieth Referate über seine Leistungen und wirtschaftlichen Bemühungen, über den Wert von Arbeitsplätzen und Gewerbesteuer. Seine Monologe gerieten so lang, dass er jedes Mal erst durch eine Unterbrechung von Gesprächsteilnehmern gestoppt werden konnte. Verrieth sagte, dass er, obwohl ich die politische Dimension der Traberparkaffäre dezidiert dargestellt hatte, überhaupt nicht wisse, was man ihm vorwerfe.

In seiner Erzählfreude betonte Verrieth mehrmals, dass Fremdnutzung „immer klar„ gewesen sei. Bei diesem Punkt bremste Paal jedes Mal den Twistedener. Der Stadtdirektor versuchte den Eindruck zu erwecken, als sei er nicht eingeweiht gewesen, dass Fremdnutzung „schon immer„ ins Kalkül gezogen worden sei. Er behauptete schließlich sogar, bis zur Ratssitzung habe er von Fremdnutzungen nichts gewusst. Und was Hölzle in seinen Anträgen auf Erlass von Einstweiligen Verfügungen gegen KBV und KB dazu geschrieben habe, wisse er nicht. Er habe Wichtigeres zu tun, als sich mit Akten zu beschäftigen, in denen die Vergangenheit aufgewärmt werde.

Ich war vom ungeschickten Verhalten des Stadtdirektors während dieser Aussprache eher verblüfft als enttäuscht und gab ihm die Empfehlung, sich vor den Rat zu stellen und das Gremium rückhaltlos über die Sachverhalte aufzuklären. Auch Delia Evers ermunterte Paal zur „Flucht nach vorn“. Er stehe jetzt mit dem Rücken zur Wand.

Aber der Verwaltungschef gab sich so, als sei er amüsiert. Nur einmal zeigte er Nerven, als ich ihn darauf ansprach, welche Bedeutung die Angelegenheit auch für die Bürgermeisterwahl im nächsten Jahr haben könnte. Da war der zuvor fast gelangweilt wirkende Paal engagiert bei der Sache: Ja, natürlich habe das Ganze auch für ihn und die Wahl eine Dimension.

Aber das war es dann auch schon. Immerhin forderte Paal im Laufe des Gesprächs Verrieth mehrmals auf, dafür zu sorgen, dass die juristischen Auseinandersetzungen ein Ende nehmen. Die Sache schien ihm lästig zu werden.

Nach ungefähr drei Stunden versuchte Paal das Gespräch so zusammenzufassen, dass Verrieth also ein Ende der juristischen Auseinandersetungen einleite, Hölzle das Mandat entzogen werde und das KB dafür im Gegenzug aufhöre, den Traberpark in die Schusslinie zu bringen.

Delia Evers und ich protestierten: So könne er das Ergebnis nicht zusammenfassen. Das KB werde keinerlei Zugeständnisse machen und selbstverständlich berichten, wenn es etwas zu berichten gebe.

Auch Heinz-Josef van Aaken ließ sich nicht vereinnahmen. Seine Fraktion, betonte er, werde ihre politische Arbeit weiterhin tun.

Was Delia Evers und ich zu diesem Zeitpunkt nicht wussten und später erst durch Zufall erfuhren:

Wir wurden von Paal und Verrieth hereingelegt.

Statt den Anwalts-Angriff gegen unsere Zeitung zu stoppen, bestellte der Traberpark insgeheim einen Anwalt für den Kampf in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf.

Die Quittung folgte auf dem Fuße: Ende November scheiterte auch dieser zweite Angriff von Den Heyberg auf das Kevelaerer Blatt.

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© Martin Willing 2012, 2013