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Das
tragische Scheitern
mit einem großen Projekt
Von Martin
Willing
Nachdem das KB Anfang August 1999 die von Insidern schon länger erwartete Entscheidung veröffentlicht hatte („Dömkes klagt gegen die Stadt“), faxte Stadtdirektor Paal eine „Gegendarstellung“ in die KB-Redaktion: Im KB werde behauptet, Herr Dömkes klage gegen die Stadt Kevelaer. „Dies ist nicht richtig. Herr Dömkes klagt nicht gegen die Stadt Kevelaer.“
Sicherheitshalber hakten wir bei Dömkes nach und fragten, ob er seine Klage zurückgezogen habe. Nein, antwortete Dömkes, er klage, aber möglicherweise habe sich die Zustellung der Klage in Kevelaer zeitlich etwas verzögert. So war es: Ende September informierte Paal die Politiker, dass die Dömkes-Klage gegen die Stadt nun aktenkundig sei.
Dömkes erhielt nun einen weiteren Nackenschlag: Er scheiterte mit seiner Forderung gleich im ersten Anlauf. Im Januar 2000 wies das Amtsgericht Kleve die Klage des Mülheimer Unternehmers ab. Dömkes blieb auf seinem Schaden sitzen und musste obendrein die Verfahrenskosten tragen. Im Laufe des Frühjahrs wurde das Urteil rechtskräftig, nachdem Dömkes keine Revision eingelegt hatte.
Im Mai 2000 veröffentlichten wir ein letztes Interview mit dem Unternehmer, das Delia Evers geführt hatte:
KB
Herr Dömkes, Sie besitzen noch eine Menge Land auf der Hüls. Wollen Sie
in Kevelaer „Großgrundbesitzer“ bleiben?
Dömkes
Ich werde vorerst nicht verkaufen.
KB
Warum nicht?
Dömkes
Ein altes Sprichwort sagt: „Es frisst kein Brot, also lass ich es
liegen“.
KB
Aha! Und was meinen Sie damit?
Dömkes (lacht)
Kennen Sie das Sprichwort nicht? Das Land stellt einen bestimmten Wert
dar. Im Moment gibt es keinen Grund, es zu verkaufen.
KB
Wieviel Boden besitzen Sie auf der Hüls?
Dömkes
Mehrere Hektar.
KB
Und die wollen Sie irgendwann verwerten?
Dömkes
Ich warte ab.
KB
Anders gefragt: Halten Sie es für möglich, noch einmal in Sachen Kur-
und Erholungszentrum tätig zu werden?
Dömkes
Darauf kann ich Ihnen beim besten Willen keine Antwort geben.
KB
Warten Sie vielleicht auf einen neuen Bürgermeister?
Dömkes
Mal im Ernst: Für mich gibt es keinen Zweifel daran, dass das Konzept
eines Kur- und Erholungszentrums für Kevelaer richtig ist. Davon bin ich
fest überzeugt. Die Zeit arbeitet für das Projekt. Wer sich heute im
Gesundheitswesen umsieht, weiß, dass immer mehr Leistungen ohnehin
privat erbracht werden müssen. Um Leistungen im Bereich Kur und Erholung
anzubieten, hat Kevelaer aufgrund seines Charakters ideale
Voraussetzungen.
KB
Von Bürgermeister Heinz Paal hört man nur, dass es hin und wieder
Interessenten gegeben habe, die nach dem Auslaufen des Optionsvertrages
mit Ihnen in Ihre Fußstapfen treten wollten.
Dömkes
Ich kann nur so viel sagen, dass die Architekten, mit denen ich
zusammengearbeitet habe, nach meinem Ausscheiden noch mit der Stadt
Kevelaer zu tun hatten. Sie wollten verständlicherweise ihre guten Ideen
realisiert sehen und haben dem Bürgermeister gegenüber Interessenten ins
Spiel gebracht, die das Projekt betreiben könnten. Konkret geworden ist
davon meines Wissens nichts.
KB
Sind Sie noch gut auf die Stadt zu sprechen?
Dömkes
Ich bin gern in Kevelaer und habe die Stadt unlängst besucht.
KB
Und wie sind Sie auf die Verwaltung zu sprechen?
Dömkes
Ich habe immer gesagt, dass ich Heinz Paal für einen fähigen
Verwaltungschef halte.
KB
Aber?
Dömkes
Ich bleibe dabei, dass er viel früher Verhandlungen mit der
Bezirksregierung hätte führen müssen. Dann wäre beiden Seiten viel Ärger
erspart geblieben. Laut Optionsvertrag oblag es der Stadt Kevelaer, für
das Gesamtkonzept die Bauleitplanung zu betreiben. Wieso musste ich
dann, nachdem ich schon Land auf der Hüls gekauft hatte, nicht etwa von
Heinz Paal, sondern aus Ihrer Zeitung erfahren, dass die
Bezirksregierung das Projekt für diesen Bereich und in der geplanten
Größe auf keinen Fall absegnen würde?
KB
Sie haben versucht, die Stadt auf Schadenersatz zu verklagen. Worum ging
es?
Dömkes
Ich hatte mich im Optionsvertrag verpflichtet, bis zu einem bestimmten
Zeitpunkt eine bestimmte Menge an Land zu kaufen. Im Hinblick auf die
erwartete künftige Nutzung habe ich für dieses Land erheblich mehr Geld
bezahlen müssen, als der Grund und Boden laut Richtwertkarte wert war.
Die Differenz zwischen dem tatsächlichen Wert und dem gezahlten Wert
wollte ich von der Stadt ersetzt haben. Rund 154.000 Mark plus Zinsen.
KB
Warum haben Sie Ihre Klage nicht durchbringen können?
Dömkes
Mittlerweile haben sich die Voraussetzungen geändert. Ich hatte meine
Klage bereits eingereicht, da wurde plötzlich ein neues Gutachten auf
den Tisch gelegt. Es bewertete das Land auf der Hüls in Zusammenhang mit
der Südumgehung deutlich höher als die alte Richtwertkarte. Nach diesen
alten Grundlagen hätten die Richter mir vielleicht einen Schaden
zugebilligt...
KB
Da hat die Stadt aber Glück gehabt, dass es plötzlich dieses Gutachten
gab.
Dömkes
... nach den neuen Grundlagen urteilten sie anders. Der damals von mir
gezahlte Preis und der heutige Wert seien inzwischen praktisch
deckungsgleich. Einen Schaden könne ich darum nicht nachweisen.
KB
Teilen Sie die Auffassung?
Dömkes
Es ist ein Unterschied, einen DM-Wert in einem Gutachten stehen zu haben
oder ihn auf dem freien Markt erzielen zu müssen.
KB
Wieviel Geld haben Sie in das Kevelaerer Projekt investiert, ohne zum
Zuge zu kommen?
Dömkes
Unterm Strich eine Viertelmillion Mark.
KB
Eine bittere Erfahrung.
Dömkes
Ja, und eine lehrreiche. Ich habe viel in Kevelaer gelernt. Ich würde
mich künftig nicht mehr darauf verlassen, dass mein Vertragspartner
seine Schulaufgaben macht. Ich würde mich aktiv in Gespräche - zum
Beispiel mit der Bezirksregierung - einschalten.
KB
Mit dem Land, das Sie auf der Hüls besitzen, eröffnen sich Ihnen
Optionen für den Fall, dass der Grund und Boden einmal von einem „neuen“
Projektentwickler gebraucht wird. Kommt die Stunde von Wolfgang Dömkes
noch?
Dömkes
Zurzeit ist es nicht zu erwarten. Was in sechs oder acht Jahren ist,
weiß ich heute noch nicht.
KB
Herr Dömkes, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Wolfgang Dömkes 1997 auf
einer Informationsveranstaltung der Unternehmervereinigung Kevelaer
(UVK) zum projektierten Kur- und Erholungszentrum auf der Hüls vor
seinen Plänen.
Es
war unser letzter Kontakt zu Wolfgang Dömkes. In den nächsten zwei
Jahren startete die Stadtverwaltung weitere Versuche, den Traum vom
Kurzentrum zu verwirklichen, und scheiterte auch mit dem zunächst Erfolg
versprechenden Projekt BalneaSana. Heute wächst am Bohrloch
wieder viel Gras.
Im Juni 2003 erreichte uns eine schreckliche Nachricht, und ich musste
auf Wolfgang Dömkes einen Nachruf schreiben:
„Vor zehn Jahren kam Wolfgang Dömkes mit Stadtdirektor Heinz Paal in
Kontakt und ließ sich für die Idee eines balnearischen Kur- und
Erholungszentrums begeistern. Im April 1995 zeigte der Entwickler und
Investor seine Pläne dem Stadtdirektor; und Anfang Juni stellte Dömkes
seine Ideen den Ratsmitgliedern vor. Dann wurde ein Optionsvertrag
geschlossen, der als 'Startschuss für das Kurzentrum' im Beisein von
Presse, Radio und Fernsehen gefeiert wurde. Die 'Bild'-Zeitung nannte
Dömkes 'Mr. 800 Millionen', indes: Die veröffentlichten Zahlen (das
gesamte Projekt koste 'vermutlich 800 Millionen') waren völlig irreal.
Hierzulande war der Unternehmer so gut wie unbekannt; deshalb fuhren wir nach Mülheim, wo uns Wolfgang Dömkes und seine Frau Ingrid - er war in dritter Ehe verheiratet - in ihrem Privathaus empfingen. Die große Villa liegt in bevorzugter Wohnlage Mülheims in idyllischer Hanglage. Unter einem Carport stand bei unserem Besuch ein großes Reisemobil, mit dem die Familie Dömkes häufig in Europa unterwegs war. In Mülheim war Dömkes aufgewachsen, hatte eine Bankkaufmannslehre absolviert und unter seinem Vater Hans Dömkes frühzeitig das Großunternehmertum kennen gelernt. Nach dem Tod des Gründers übernahmen Wolfgang Dömkes und zwei weitere Familienmitglieder die Geschäfte, die sich hauptsächlich um Abgrabung und Müllrecycling drehen. In den 60er- und 70er-Jahren hatte das prosperierende und in Duisburg ansässige Unternehmen umfangreichen Immobilienbesitz erworben. Dömkes war stolz auf das Unternehmen; einige Jahre nach unserem ersten Besuch führte er uns durch den Betrieb.
1997 berichtete das Kevelaerer Blatt, dass ein Großteil der Dömkes-Pläne nunmehr Makulatur seien. Es hatte sich herausgestellt, dass die Bezirksplanungsbehörde nur einen sehr kleinen Teil des ins Auge gefassten Großareals zur Nutzung freigeben würde. Der Unternehmer sah seine Kalkulationsbasis auf den Kopf gestellt und stieg aus. Seine Schadensersatzklage - Dömkes fühlte sich von der Stadt getäuscht - wurde im Frühjahr 2000 vom Amtsgericht Kleve abgewiesen.
Unterdessen machte Dömkes mit einem seiner Hauptgeschäfte, der Abgrabung, im Süden des Kreises Kleve von sich reden. Fast überall, wo es um Kiesgewinnung geht, regt sich auch Widerstand. Ständig hatte das Unternehmen Dömkes irgendwelche Prozesse zu führen.
Im Mai 2000 führte KB-Chefredakteurin Delia Evers mit Wolfgang Dömkes ein letztes Interview. 'Ich werde vorerst nicht verkaufen', sagte er auf unseren Hinweis, dass er immer noch mehrere Hektar Land in Kevelaer besitze. Er glaube nach wie vor daran, dass Kevelaer für ein Kurzentrumsprojekt ideale Voraussetzungen biete.
Wolfgang Dömkes kam am 1. Juni zu Tode. Am 6. Juni wurde er zu Grabe getragen.
Der Unternehmer hatte Hand an sich gelegt.
Den Wechsel im Bürgermeisteramt erlebte er nicht mehr. Paal kandidierte zur Kommunalwahl 2004 nicht und wurde durch Dr. Axel Stibi ersetzt.
© Martin Willing 2012, 2013