MARTIN WILLING
Die Kunst der Harmonie
Ergebnis
einer Schulfahrt nach Griechenland
Am
3. Juni 1964 erschien im Lokalteil der „Rheinischen Post" für den Kreis
Moers ein umfangreicher Dreispalter mit Foto, der mit
„Geschichtsunterricht der Primaner in Griechenland" überschrieben war
und aus meiner Feder stammte. „Griechenlandfahrt war lehrreich und
interessant", hieß es.
Martin Willing, Harmonie, Plastische Malerei
(Relief), Bronze, Durchmesser 13,5 cm.
Wenige Wochen danach griff die „Neue Ruhr Zeitung" in Moers das Thema
„Griechenland-Fahrt"unter einem anderen Blickwinkel auf. Dr. Karl
Rendenbach, Lehrer am Adolfinum und nebenberuflicher Feuilletonist der
NRZ, stellte den Lesern mein Bronzerelief „Harmonie" vor, das ich nach
der Griechenland-Fahrt in Ton modelliert hatte (von dem ein Gipsabdruck
und fünf Bronzeabgüsse hergestellt worden waren).
Rendenbach, der als
Kulturberichterstatter im Raum Moers einen vorzüglichen Namen hatte,
schrieb über meine Plastik dem Sinne nach: Wenn ein Schüler nach einer
Griechenland-Fahrt ein solches Kunstwerk schaffe, dann habe sich die
Fahrt gelohnt.
Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht
plastisch gearbeitet und beließ es auch bei dem einen Relief. Aber seit
Jahren schon, beginnend mit 15 oder 16 Jahren, malte ich so intensiv und
häufig, wie andere Jungen und junge Männer Fußball spielten. Meine erste
„Staffelei" war eine Wand im Esszimmer unseres Wohnhauses in der
Uerdinger Straße in Moers. Großflächige Malkartons drückte ich mit
Heftzwecken an die Tapete und malte mit blauer Signierkreide, die ich
mit Strichen von schwarzer und weißer Signierkreide mischte.
Drei meiner Signierkreide-Bilder
aus den 1960er-Jahren.
Die figürliche Malerei faszinierte mich von
Anfang an. Ich zeichnete und malte Menschen, nur gelegentlich auch
Tiere, hin und wieder auch Stilleben, selten Landschaften, die mich
heute um so mehr beschäftigen. Viele der Jugendwerke und der Bilder aus
der ersten Schaffensphase als junger Erwachsener sind verschollen. In
den Jahren, in denen ich mich ganz auf den Journalisten-Beruf
konzentrierte, verlor ich die meisten Bilder aus den Augen.
Meine Leidenschaft zum Malen muss sich „von
selbst" eingestellt haben, denn ich kann mich an bestimmte Förderer in
meinen Anfängen nicht erinnern. Ich lernte Zeichnen und Malen,
perspektivisches Darstellen auf zweidimensionaler Fläche und
handwerkliche Verfahren ohne Lehrer. Ich studierte jedes Kunstbuch, das
mir unterkam, und vertiefte mich in die Abbildungen und vollzog die
Techniken nach, derer sich der Maler bedient hatte. Indes, eine
Ausbildung konnte ich nie genießen.
Ludgeri-Kirche in Norden.
Mit Bildern wie diesem 1,20 Meter breiten Ölgemälde von der
evangelischen Ludgeri-Kirche in der Stadt Norden reaktivierte ich ab
etwa 2008 meine Lust am Malen.
Schon bald konzentrierte ich mich auf die
bildliche Darstellung elementarer religiöser Aussagen wie die in der
Kreuzigungsstunde, als Christus zu dem Todgeweihten neben ihm sagt:
"Noch heute wirst Du mit mir im Paradies sein."
Mit Licht und Schatten Gestalten und Formen zum
Leben zu erwecken, nur mit Hilfe von Farben, übte eine solche
Anziehungskraft auf mich auf, dass ich in der Zeit vor der
Vernunftsentscheidung, Journalist zu werden (meinen Volontärvertrag mit
der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" hatte ich schon als Gymnasiast
unterschrieben), nichts anderes vorstellen konnte, als die Malerei zu
meinem Beruf zu machen.
Heute, nach einem langen Berufsleben als
Journalist, Schriftsteller und Büchermacher, schließt sich mit der
Wiederentdeckung meiner Malerei der Kreis. Mir geht es noch immer um
Bilder, die ich im Kopf erzeugen will, und dabei spielt keine Rolle, ob
das mit Worten, Farben oder Musik geschieht.