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Pilgerreise zum Marienerscheinungsort Heroldsbach
Die Gebetsstätte Heroldsbach
auf dem Erscheinungshügel.
Foto: Martin Willing (1998)
Den Freizeit- und Erlebnispark im
oberfränkischen Heroldsbach, Ortsteil Thurn, finde ich leicht. Er ist
hier überall bekannt. Sein riesiger Parkplatz ist kaum zur Hälfte
belegt. Ich stelle das Auto ab und mache mich auf die Suche nach dem
„heiligen Berg“, wie er in der Literatur genannt wird. Auf einer
amtlichen Informationskarte am Dorfrand heißt er „Erscheinungshügel“.
Er muss ganz in der Nähe sein. Ich gehe die leicht ansteigende Straße am
Waldrand entlang, vorbei an einigen Sportanlagen. Dann haben die Augen
freie Bahn über Wiesen, Weiden und Pferdekoppel, und ich sehe ihn: Dort
wo die Dorfbebauung endet, erhebt sich der Hügel, eingehüllt von Bäumen.
Ein Lichtkreuz, das bei Dunkelheit weit ins Land leuchtet, ist jetzt am
frühen Nachmittag erst auf den zweiten Blick auszumachen.
Die
Bäume, die die Anhöhe einfassen, sind nach den Erscheinungen gepflanzt
worden. Als hier vor 49 Jahren die Ereignisse begannen, war der Hügel
nackt, wie Fotos aus jener Zeit zeigen. Hier standen und beteten in der
Entstehungsphase (1949) bis zu 70.000 Menschen.
Gebetshalle neben der
Gnadenkapelle in Heroldsbach. Fotos: Martin Willing
„Ave Maria Rosenkönigin“ ist über dem eisernen Tor am Eingang der
umzäunten Anlage zu lesen. Hier lässt man den Lärm des Tages zurück.
Wohin ich auch schaue: Kleine und große Skulpturen, meist aus Bronze:
Engel, Christus, Maria, Heilige. Am Rand des Hügels zieht sich ein
Unterstand hin wie einer für Fahrräder. Hier stehen wohl hundert
Tragekreuze aus Holz, manche fast zu schwer für einen Erwachsenen,
einige leicht und für Kinder gemacht. Mir begegnet eine Familie mit vier
Kindern, dem Aussehen nach aus Japan stammend. Die Kinder haben
Holzkreuze geschultert, wie man es aus Altötting kennt. Sie ziehen den
Kreuzweg entlang. Später treffe ich sie am Brunnen wieder, wo die
Besucher Wasser trinken oder abfüllen können.
Die Gnadenkapelle
von Heroldsbach (1998).
Neben dem langen Schuppen mit den Kreuzen steht ein Häuschen aus Holz,
dunkel gebeizt. Die weiße Aufschrift im Giebel, „Jesus Maria“ und
darunter „Ich liebe Euch - Rettet Seelen“, hebt sich leuchtend ab. Warum
ich eine so schöne Gnadenkapelle wie die in Kevelaer erwartet habe, weiß
ich nicht. Jedenfalls kommt mir in diesem Moment noch nicht in den Sinn,
dass hier der Punkt ist, wo zehn- und elfjährige Kinder im Jahre 1949
Marienerscheinungen hatten. Rechts neben dem Häuschen, das die
Gnadenkapelle von Heroldsbach ist, dehnt sich eine lichtdurchflutete,
flache Pilgerhalle aus. Auch ihre Bedeutung erkenne ich erst, als ich
sie betrete. Sie wirkt von außen eher wie ein gärtnerisches Gewächshaus.
Wir sind verwöhnt an Orten, wo sich Segen und Geld der Kirche ausgewirkt
haben. Hier in Heroldsbach musste bisher alles privat finanziert werden.
Ich
trete in die große Gebetsstätte mit vielen Bänken ein. Vorne im Zentrum
erhebt sich eine lebensgroße, gekrönte Muttergottesfigur.
Der Künstler hat ihr eine so überreiche Schönheit mitgegeben, dass sie
betörend wirkt. Die Madonna steht in einem Meer von Blumen.
Ich höre Rosenkranzgebete, ohne die Beter zu sehen. Ich gehe durch die
Pilgerhalle nach vorne und bemerke jetzt. dass rechts ein schmaler
Eingang zur Gnadenkapelle führt. Dort betet eine Frau den Rosenkranz,
und zwei Dutzend Besucher in dem kleinen Raum antworten. Vor mir kniet
ein Farbiger mit einem weißen Rosenkranz in seinen schwarzen Fingern.
Die Wände der dunklen Gnadenkapelle, nur von Kerzen belichtet, sind
übersät mit Tafeln, die vom Dank an die Muttergottes erzählen.
Die Beter blicken auf die Statue der gekrönten Madonna von Heroldsbach,
der „Rosenkönigin“, die inmitten von Rosen, in einer anderthalb Meter
breiten Apsis, ruht, dort wo die Kinder die Muttergottes zum ersten Mal
gesehen haben.
Seit nunmehr fast 50 Jahren verstummt dieses
Rosenkranzgebet nicht. Ob Tag oder Nacht, die Kapelle ist immer
geöffnet, und die Gebete wandern wie bei einem Staffellauf zum Nächsten,
der eine Zeit lang vorbetet.
Die Gesätze werden gerade von einer vielleicht 40-jährigen Frau
gesprochen, deren ruhige, klare Stimme keine Silbe verschluckt und mir
noch lange im Ohr nachklingt. Die Innigkeit ihres Gebets ist geradezu
fühlbar und gehört zu den schönsten Erfahrungen auf dieser
„Spurensuche“.
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© Martin Willing 2012, 2013