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Das Hochfest der
Gottesmutter Maria am ersten Tag im neuen Jahr erleben die Menschen auf
unterschiedliche Weise. An den meisten rauscht es ungewürdigt vorbei,
für viele Katholiken ist es bedeutsam, für engagierte Marienverehrer ist
es ein großer Feiertag. An der Marienverehrung reiben sich die Christen.
Im
Oktober 1999 spielte sich im saarländischen Marpingen etwas
Unglaubliches ab. 25.000 Menschen kraxelten im Härtelwald herum, wateten
durch aufgeweichten Waldboden und strebten einer kleinen Kapelle zu, die
jedoch schon so dicht umzingelt war, dass die meisten nur noch an den
Hängen des Hügels Platz und an Bäumen Halt fanden.
Marienkapelle im Härtelwald von Marpingen.
Unwirkliche Szenen,
chaotisch, angespannt, überhitzt im kaltem Herbst. Und doch war alles
anders. In die Stille über dem Härtelwald wurde von den Menschenmassen
ein Gebet gesprochen und immer wiederholt. Es war das Ave Maria
des Rosenkranzes.
Über die Ereignisse von Marpingen an jenem Sonntag im Oktober 1999
schrieb ich später im Kevelaerer Blatt: "Lässt die Kirche ihr Volk im
Stich? Werden Menschen, die sich nach mystischen Erfahrungen sehnen,
Opfer von Leichtgläubigkeit? Fehlt es in der Kirche an menschlicher
Wärme? Oder was läuft da ab, wenn - wie am vergangenen Sonntag - in
Marpingen 25.000 Menschen auf eine Marienerscheinung warten?"
Sie erschien nicht.
Das hatten die Seherfrauen allerdings auch nicht angekündigt für diesen
Tag, wohl aber eine Botschaft der Gottesmutter. Was immer sich dort in
diesen Minuten abgespielt und später im Herbst 1999 vor bis zu 40.000
Menschen mehrmals wiederholt hat - für mich waren die Szenen im
Härtelwald, die ich beobachtet habe, ein Schlüsselerlebnis.
Seitdem weiß ich, warum unsere geheizten Kirchen halbleer sind und der
nasskalte Hügel rund um eine kleine Marienkapelle von Tausenden Menschen
bevölkert gewesen ist: Wenn Wärme durch verkopfte Theologie ersetzt
wird, suchen sich die Menschen Auswege.
Marpingen Das deutsche Lourdes
Dienstag, 1. Januar 2013
© Martin Willing 2012, 2013