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Es war eine schulinterne, hausgemachte Krise, in die sich das
Kardinal-von-Galen-Gymnasium ab Mitte der 1990er-Jahre
hineinmanövrierte. An ihr war der Lehrkörper ebenso beteiligt wie
die Stadt als Schulträgerin. Der Ruf des Gymnasiums begann zu kippen.
Schüler wechselten die Schule, einige Leistungskurse kamen nicht mehr
zustande.
1996 erhielt Oberstudiendirektor
Dr. Winfried Holzapfel von den Eltern
eines Schülers folgenden Brief, der die Stimmung jener Jahre deutlich
macht: "Unsere Erfahrungen mit der Schulungssituation in den letzten
beiden Jahren, insbesondere der vergangenen sechs Monate, haben (...) zu
dem Entschluß geführt, N. (Name des Schülers) die Schule
wechseln zu lassen. Nicht etwa wegen seiner ausreichend- bis
mangelhaften Leistungen in einigen Fächern, sondern wegen der sichtbaren
pädagogischen Konzeptionslosigkeit, mit der die Schüler/innen
konfrontiert waren und die letztlich maßgeblich zur Verschlechterung der
Noten unseres Sohnes beigetragen haben."
Die Kritik an der Leitung des Gymnasiums wurde in politischen Gremien
aufgegriffen. Seit Jahren komme an dieser Schule kein
Chemie-Leistungskurs zustande, kritisierte SPD-Fraktionsvorsitzender Dr.
Klaus Hölzle 1997 in einer Sitzung des Hauptausschusses. Vieles laufe am
Gymnasium nicht so, wie es solle. Hölzle warf Stadtdirektor
Heinz Paal
vor: "Sie schaffen nicht mal, die Kevelaerer Schüler hier zu halten".
Als KB-Redakteurin Delia Evers im Frühjahr 1997 bei Stadtdirektor Paal
recherchierte, reagierte dieser erschrocken: Er werde sich zur Qualität
des Hauses nicht äußern, weil er damit alles noch schlimmer machen
werde. Das Thema habe in der Öffentlichkeit nichts zu suchen, da sich
dadurch der "Prozeß des Niedergangs" beschleunigen werde. Er
bestätigte allerdings, ebenfalls von den Vorwürfen "gehört" zu haben.
Für ihn sei es alarmierend, dass keine Kevelaerer Realschüler auf das
Gymnasium wechseln wollten. Stattdessen wanderten sie nach Goch, Geldern
und zur
Gaesdonck ab. Es gebe einen Schwund von 30 Kevelaerer Schülern,
die irgendwo abgeblieben seien.
Ein Insider, ein erfahrener Lehrer des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums,
vertraute der Journalistin an, das "seit Jahren vorhandene Problem"
hänge besonders "mit drei Lehrern" zusammen, die er als "ungeeignet"
bezeichnete. "Wir waren mal ein großes Gymnasium". Knapp 20 Jahre
zuvor
(1978) habe es 1200 Schüler und jedes Jahr rund 110 bis 120 neue Schüler
gegeben. Jetzt seien es bei 700 Schülern noch knapp 70. "Bei uns im
Lehrerkollegium läuten die Alarmglocken."
Ein junger Mann, ehemaliger Schüler des Gymnasiums, sagte: "Die Probleme
traten auf, nachdem wirklich gute Lehrer die Schule verlassen hatten oder in Pension
gegangen waren. Für die Leistungskurse wurden die zuständigen Lehrer
vorher nicht bekannt gegeben. Aus der Angst heraus, einen missliebigen
Lehrer nehmen zu müssen, wurden manche Kurse lieber gar nicht belegt."
Ein Vater erklärte 1997 im Rahmen der journalistischen Recherchen: Sein
Sohn sei auf der Schule regelrecht krank geworden; als er gewechselt
habe, sei alles wieder in Ordnung gekommen. "In der Schule steckt der
Wurm" - aber das habe nicht nur mit einer Person zu tun.
Auch mit dem Direktor des Gymnasiums, Dr. Winfried Holzapfel, führte
Delia Evers im Frühjahr 1997 ein Gespräch. Für das folgende Schuljahr
hätten sich nur noch 69 Schüler angemeldet - wie er sich das erkläre,
fragte sie. Man müsse, antwortete Holzapfel, die Situation in Ruhe
analysieren. "Wir arbeiten an der Analyse des Hintergrundes". Für ihn
seien die Anmeldezahlen "überraschend und unerwartet, vor allem der
Übergang von der Realschule ist unerwartet".
Ein Ratsmitglied, selbst Pädagoge von Beruf, vertraute der Journalistin
an, sein Kind "aus guten Gründen nicht zum Kevelaerer Gymnasium gegeben"
zu haben. Der Schulleiter habe offenbar "seinen Laden nicht im Griff".
Einige wenige Lehrer am Gymnasium würden "die Schule kaputt machen".
Leider würde nicht die Schulaufsicht eingeschaltet. Die Eltern würden
lieber ihr Kind abmelden als riskieren, dass es die Folgen einer
Beschwerde auszubaden habe.
Ende März 1997 erschien dann der erste Bericht von Delia Evers im
Kevelaerer Blatt zur "Krise des Gymnasiums":
Immer weniger Schüler wollen zum Kevelaerer Gymnasium. Waren es in den
vergangenen fünf Schuljahren im Schnitt immerhin 29 Prozent der
Grundschulabgänger, sind es jetzt je nach Vergleichszahl nur noch 25
oder gar 23 Prozent. Dabei fühlen sich landesweit über 35 Prozent der
Kinder in Gymnasien wohl.
Woher rührt diese Diskrepanz? Eltern und Lehrer nannten dem KB vor allem
diese Gründe (zitiert von Vätern, Müttern und Pädagogen, denen das KB
Vertraulichkeit zugesichert hat):
Ein Lehrer: „Direktor Winfried Holzapfel hat seinen Laden nicht im
Griff, er ist sicher ein guter Pädagoge, aber ein schlechter
Schulleiter.“
Ein Lehrer: „Die Kommunikation an der Schule ist miserabel, da hört man
nur von Katastrophensitzungen in einer 5er-Klasse oder in einer
7er-Klasse. Keiner sagt offen, was Sache ist.“
Eine Mutter: „An der Schule unterrichten drei, vier Luschen. Wenn man
die alle in eine Klasse schickt, geht das in die Hose. So geballt darf
man schlechte Lehrer nicht auf Kinder loslassen.“
Ein Vater: „Ich mußte mein Kind von der Schule nehmen. Es war durch
einen schlechten Lehrer krank geworden.“
Ein Vater: „Da wechseln Kinder lieber auf die Gaesdonck, als es hier
länger auszuhalten.“
Ein Schüler: „Wichtige Leistungskurse wie Chemie und Französisch gibt es
nicht mehr. Das schränkt unsere Studienmöglichkeiten ein.“
Ein Lehrer: „Andere Gymnasien sind besser. Da arbeitet die Führung
konzeptionell und bietet den Schülern was an.“
Der Bericht endete mit dieser Einschätzung: "Leidtragende der Situation
sind die Schüler. Und die Lehrer. Denn wenn es stimmt, daß es an der
Schule 'drei, vier Luschen gibt', so gibt es doch auch 50 gute Lehrer,
die sich ungerechtfertigten Anwürfen ausgesetzt sehen. Auch sie wollen
jetzt über ihren Rat tätig werden und nach den Gründen für den
Abwärtstrend suchen. Es kommt Bewegung in das Gymnasium: Entwicklungen
sind nicht unumkehrbar."
Der KB-Bericht "Drei, vier Luschen", inzwischen legendär, brachte die
gewünschte Bewegung, freilich erst einmal in die falsche Richtung.
Lehrer fühlten sich befleißigt, das hohe Lied ihres Gymnasiums und das
schlechte Lied der Presse zu singen. "Sie machen mit mehrdeutigen
Schlagzeilen oder simplem Abschreiben aus der Abi-Zeitung 'den Laden
mies'", versuchte Lehrer Rudolf Kirchesch in einem Leserbrief
abzulenken.
Die damaligen Schüler Oliver van Well und Claus Martin meinten in einem
Leserbrief: "Offensichtlich hat die zuständige Redakteurin bei diesem
Artikel nicht sorgfältig recherchiert." Und sie lobten (was das KB
allerdings nicht bestritten hatte): "Besonders
engagierte Lehrer ermöglichen das Angebot vieler AGs, darunter eine
Kunst AG, über die das KB schon öfter berichtet hat, Theater, eine
prämiierte Schülerzeitung, Schüleraustausch etc.. Und wir stellen (mit
Goch) die meisten Schülermannschaften im Kreis, die überaus erfolgreich
sind. Zuletzt möchten wir anmerken, daß nahezu alle Abiturienten des
KvGG die guten Studiumsgrundlagen loben, die unsere Lehrer ihnen
schufen."
Dirk van den Hurk, damals Schüler der Jahrgangsstufe 12 des Kevelaerer
Gymnasiums, äußerte sich: "Es ist nicht abzustreiten, daß es
Mißstände an unserem örtlichen Gymnasium gibt. Weiterhin ist es wahr,
daß einige Lehrer scheinbar ihre Berufung verfehlt haben und nicht für
den Lehrerberuf geeignet sind. Doch die Alleinschuld für diese Mißstände
kann nicht allein Schulleiter Holzapfel gegeben werden. Haben Sie sich
schon einmal gefragt, welche Möglichkeiten ein Schulleiter hat, um gegen
solche 'Kollegen' vorgehen zu können? (...)"
Klaus Janßen zeigte sich in einem Leserbrief "entsetzt über Ihre
einseitige und, wie mir scheint, auch polemische Berichterstattung über
die 'Zustände' am Kevelaerer Kardinal-von-Galen-Gymnasium. (...)
Als Kevelaerer Abiturient des Abi-Jahrgangs 1996 kenne ich das KvGG noch
gut genug, um mit Sicherheit sagen zu können, daß diese Schule bei
weitem nicht so schlecht ist, wie Sie sie darstellen".
Leserbriefschreiber Stefan Mülders führte aus: "Für mich persönlich ist
es keine große Überraschung, daß es mit dem Kevelaerer Gymnasium bergab
geht. Vor allem kann ich verstehen, daß immer mehr Schüler, die in die
Oberstufe kommen, nach Geldern und Goch wechseln, statt vor Ort zu
bleiben. Auch ich bin am Kevelaerer Gymnasium 'groß geworden', zog nach
der 11/1 aber vor, zum Friedrich-Spee-Gymnasium zu wechseln und dort
mein Abitur 'zu bauen'. Fragt man nach den Gründen, so sind diese in
Ihrem Artikel schon teilweise recht deutlich zur Sprache gekommen. Doch
würde ich das Ganze sogar noch etwas ausweiten. Es gibt an dieser Schule
nicht nur 'drei, vier Luschen', sondern ich würde die Zahl nahezu
verzehnfachen. Gerade die pädagogische Leistungsfähigkeit der meisten
dort unterrichtenden Personen läßt sehr zu wünschen übrig. Teilweise
sind ganze Fächerbereiche von diesen Personen betroffen, so daß sich
kein guter Lehrkörper dort findet und die Qualität der Lehre
entsprechend schlecht ist."
Die Redaktion setzte eine Anmerkung an den Mülders-Leserbrief: "Das KB
erhielt eine Fülle weiterer Schreiben, teils anonym, teils mit
Adressenangabe, aber der Bitte, den Brief nicht zu veröffentlichen,
sondern nur als Hintergrundinformation zu nutzen. Sämtlichen Schreibern
ist gemeinsam, daß sie zum Teil sehr persönliche, negative Erfahrungen
am Gymnasium schildern und dankbar dafür sind, daß das KB dieses heikle
Thema aufgegriffen hat."
Am Tag, als der KB-Bericht "Drei, vier Luschen" erschien, bekamen nach
der fünften Stunde alle Schüler offenbar „Krisenfrei“, denn die
Pädagogen konferierten stundenlang. Am Nachmittag gab es dann eine
Pressekonferenz des Lehrerkollegiums. Der Tenor: Einerseits sehe man
selbst, dass die Schule Probleme habe, andererseits habe das KB sie
„vereinfachend und polemisch“ dargestellt. Es sei "empörend", dass das
KB die Probleme öffentlich gemacht habe. Schon vor der
KB-Berichterstattung habe es im Kollegium Einigkeit darüber gegeben,
dass sich baldmöglich etwas bewegen müsse. Dazu seien bereits
Konferenztermine abgestimmt worden.
Auf die Frage, ob an eine Schülerbefragung gedacht sei, betonten die
Lehrer: „Ja“. Warum zu alledem Direktor Winfried Holzapfel bei den
KB-Recherchen geschwiegen hat, konnte während der Pressekonferenz nicht
geklärt werden. Holzapfel selbst war nicht dabei, mochte sich verletzt
mit der Presse nicht auseinandersetzen. Das Kollegium stellte sich
hinter Holzapfel: „Wir weisen mit aller Entschiedenheit die
diffamierenden und persönlich herabwürdigenden Ausführungen zurück und
stellen uns solidarisch hinter den Schulleiter“, wurde während der
Pressekonferenz betont.
Die Flut von Leserbriefen und (nicht veröffentlichten) vertraulichen
Anrufen und Schreiben im Frühjahr 1997 war außergewöhnlich. Bedenklich
war, dass selbst jetzt, da ein Ventil geöffnet war, Kritiker des
Gymnasiums aus Angst vor Repressalien nicht öffentlich dazu stehen
wollten, was sie anzumerken hatten. "Daß diese Angst begründet ist,
dafür sprechen gleich mehrere Vorfälle", schrieb Delia Evers in einem
Nachfolge-Artikel. Offenbar habe es etliche Versuche gegeben, die
Probleme „in den zuständigen Gremien“ auf den Punkt zu bringen: Gleich
mehrere Väter und Mütter bestätigten sich darin, sie seien, nachdem sie
ihre Kritik geäußert hätten, beschimpft worden, als hätten sie eine
Majestätsbeleidigung begangen. Sie hätten keinen anderen Ausweg gewusst,
als ihre Kinder von der Schule zu nehmen.
Bemerkenswert war zudem, dass eine Art Stellvertreterdebatte vom Stapel
brach, die viel bequemer zu führen war: Was denn die Zeitung mit ihrer
Berichterstattung "bezweckt" habe? "Zeitungen haben die Aufgabe,
Informationen öffentlich zu machen, Zusammenhänge zu verdeutlichen,
nicht dem Ruf einer Schule zu nützen oder zu schaden", schrieb Delia
Evers.
Die Redaktion der Schülerzeitung „Denkpause“ vom Kevelaerer
Kardinal-von-Galen-Gymnasium kündigte aufgrund der KB-Berichterstattung
eine Sonderausgabe an - mit „Breitseiten gegen das Kevelaerer Blatt“,
wie die drei Schülerredakteure Claus Martin, Anna Reul und Oliver van
Well im Gespräch mit dem KB erklärten.
Unterdessen nutzte Schulleiter Winfried Holzapfel seine Kontakte zur
Unternehmensberatung Krups & Partner und ließ diese eine Elternbefragung
ausarbeiten. Dieser (für die Schule kostenlose) Vorstoß wurde Mitte
April bekannt. "Gern hätte das KB mit der beauftragten
Unternehmensberatung über das Konzept gesprochen, aber Mitarbeiter
Christof Balkenhol ließ das KB wissen, Direktor Winfried Holzapfel habe
ihn lediglich autorisiert, mit der Rheinischen Post zu plaudern",
schrieb Delia Evers und beleuchtete kritisch, wie die Fragen der
Unternehmensberatung formuliert waren. Stadtdirektor Heinz Paal, vom KB
auf die Infos zur Aktion angesprochen: „Wenn die Umfrage die Probleme
nicht berührt, ist sie für mich wertlos.“
In der Niederschrift über die gemeinsame Sitzung des Schulausschusses
und des Ausschusses für Bauwesen und Denkmalschutz der Stadt Kevelaer
(Mitte April 1997) klang das etwas vornehmer: "Herr Paal berichtete, daß
die Schulleitung des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums eine
Unternehmungsberatungsgesellschaft beauftragt habe, die Gründe für die
sinkenden Anmeldezahlen an der Schule zu erforschen. Die Schulleitung
habe ihm einen Entwurf des von der Gesellschaft entwickelten Fragebogens
zur Verfügung gestellt, den er, falls notwendig, noch mit aus der Sicht
des Schulträgers u.U. relevanten Fragestellungen anreichern werde. Die
betreffende Gesellschaft habe sich bereit erklärt, die Untersuchung
kostenfrei für die Stadt durchzuführen. Er denke, daß es ein richtiger
Weg sei, mit verläßlichen repräsentativen Daten und einer gesicherten
Methodik den Versuch zu unternehmen, Licht in so manche Spekulationen zu
bringen."
Dann erschien die Sonderausgabe der Schülerzeitung "Denkpause" (4/1997):
"Ein Erdbeben ist nichts dagegen. Was da im Kevelaerer Blatt am letzten
Schultag veröffentlich wurde, hat doch in vielerlei Hinsicht Grenzen
überschritten. Eine Ansammlung von Behauptungen, sogenannten Fakten,
tatsächlichen und halben Informationen mischten sich zu einem Gebräu aus
Verdächtigungen, polemischen Phrasen, Diffamierungen. Das Maß des
erträglichen wurde doch ein wenig überschritten."
Zu lesen war unter dem Wort "Satire" auch die etwas kindliche
Vorstellung davon, wie und wofür Journalisten arbeiten: "(...) An einem
viel zu frühen Montag morgen, nach einem furchtbar stressigen
Wochenende, kommt der Schreiberling Martin Willing mit äußerst
schlechter Laune zur üblichen Redaktionskonferenz und läßt folgendes
verlauten: 'Also, Leute, (... wir) müssen uns mal
irgendetwas einfallen lassen, wie wir die Auflage vervielfachen können,
denn sonst kann ich mir meinen gewohnten Luxus bald nicht mehr leisten
und muß so'n Leben führen wie der ganze andere Kleinstadt-Pöbel hier in
Kevelaer. - Jan Willing: 'Du, Papi, könnten wir nicht mal so richtig
über das Gymnasium lästern? Da hat es mir nämlich früher auch nie
gefallen.'
Martin Willing: 'Dat is eine glänzende Idee, mein Sohn. Ich hab hier
gerade die aktuellen Anmeldungszahlen für dat nächste Schuljahr
vorliegen, und die sind ein bißchen niedriger als in den letzten Jahren.
Also, laßt uns die Gymmie-Schweine doch mal so richtig fertig machen.
Und überhaupt, wofür braucht Kevelaer eigentlich ein eigenes Gymnasium?
Ich jedenfalls hab et doch auch mit meinem Baumschulabschluß bis zum
hochangesehenen Journalisten gebracht.'" -
In diesem unterirdischen Stil ging die "Satire" weiter. Aber es gab in
der Sonderausgabe auch die "Kritischen Gedanken" von Oliver van Well:
"(...) Zugegeben, der Artikel im Kävels Bläche hat mich geärgert, aber
machen wir uns nichts vor: Bei uns liegt schon einiges im Argen. Aber
die Schuld dafür sollten wir bei uns selber suchen. (...)" - Und Claus
Martin meinte in der "Denkpause": "Es muß etwas passieren, das ist
sicher. Die Planungen dafür laufen und bis das Ergebnis einer
mysteriösen, skurrilen, komischen, brauchbaren (?) Umfrage vorliegt, kann
man ja weiter schlafen. Wer wegen der Diskusssion doch nicht einschlafen
kann, der kann auch Schäfchen zählen. ... 68, 69, 70 ... Alle da, also
kann man ja doch wie unser Direktor feststellen: 'Bei uns ist alles in
Ordnung'. Oder?"
Vielleicht war es für die Schülerredakteure der "Denkpause"
überraschend, als sie ausgerechnet vom KB-Herausgeber Martin Willing in
Schutz genommen wurden: "Weil in der Sondernummer auch ein Text enthalten
war, der sich die vom KB beschriebenen Mißstände verknöpfte, bekamen
Schüler-Redakteure Wind von vorn. Ein Lehrer hatte nichts Besseres im
Kopf, als einem der verantwortlichen Jugendlichen einen Anschiß zu
verpassen. Dieser erbärmliche Versuch, Macht über Schüler auszuüben und
sie einzuschüchtern, ist ein Angriff auf die Pressefreiheit, die auch
eine Schülerzeitung für sich reklamieren darf. (...) Es ist sehr
wichtig, daß Schüler den unschätzbaren Wert von Pressefreiheit
frühzeitig lernen. Ohne eine freie Presse müßten unsere Demokraten die
Koffer packen. Und ohne ein freies KB gäbe es keine öffentliche
Diskussion über Mißstände in Kevelaer. Der Inhalt der 'Denkpause' mag
einem nicht schmecken; indes, die Meinungsfreiheit zu verteidigen, ist
tausendmal wichtiger, als sich über Schüler aufzuregen, die am Ziel
vorbeischießen. - Liebe Schüler-Kollegen: Schreibt in Eurem Blatt, was
Ihr wollt. Aber laßt Euch niemals zensieren!"
In der Menge der Veröffentlichungen ging ein Leserbrief fast unter. Er
stammte von Hans Broeckmann aus Wetten: "Warum hat keiner heute den Mut,
Roß und Reiter zu nennen? Es kann doch nicht angehen, daß einige, wenige
'Nieten' den Ruf einer ganzen Schule kaputt machen! Die vorgesehene
Umfrage (...) geht doch schon in der Fragestellung am Problem vorbei und
wird zu keinem Ergebnis führen, das die Situation verbessert. Warum
nicht auch Fragen, in denen die Eltern oder Schüler - heutige oder
frühere - ihr Urteil über die einzelnen Lehrer/Lehrerinnen abgeben
können? In meiner 35-jährigen Ratstätigkeit habe ich sicherlich manche
richtige, aber auch manche, wie man im nachhinein feststellen kann,
falsche Personalentscheidung mitgetragen. Bei einer bin ich mir - nicht
erst jetzt - sicher, daß sie falsch war."
Nach einer weiteren Reihe von Leserbriefen verschwand das Thema aus den
Schlagzeilen.
Samstag, 25. August 2012
© Martin Willing 2012, 2013