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Rektorin in Twisteden | * 1936
Als
Irmgard Wustmans im Juni 1999 als Leiterin der Grundschule Twisteden
verabschiedet wird, kann sie auf ein ganz besonderes Lehrerleben
zurückschauen: 41 Jahre lang, das ist äußerst selten, hat Irmgard
Wustmans an ein und derselben Schule unterrichtet.
Mit 22 Jahren, nach nur vier Semestern Studium, beginnt Irmgard Wustmans
geb. Cox im April 1958 ihren Dienst an der Twistedener Volksschule. Nach
dem Tod von Hauptlehrer Gerhard Koenen im Jahr 1976 übernimmt sie
zunächst für zwei Jahre kommissarisch die Schulleitung und wird dann zur
Rektorin ernannt.
Sinkende Schülerzahlen bedrohen Ende der 1970er-Jahre die Existenz der
Dorfschule. Mit einem Bestand von 62 Kindern wird ein Tiefpunkt
erreicht. Da geht unter Anführung von Ortsvorsteher
Heinz Verrieth ein
Ruck durch das Dorf und anschließend durch das Kevelaerer Rathaus: Unter
Aufbietung aller Kräfte wird Twisteden in den folgenden Jahren attraktiv
für junge Familien gemacht, die bauen und vor allem für Nachwuchs sorgen
sollen. Und so kommt es: Längst ist die Dorfschule wieder so stark, dass
die Existenz gesichert ist und dass sogar angebaut werden muss.
Die Schule ist nichts ohne ihre gute Seele. Die Frau, die sie
verkörpert, ist lange Zeit das „Fräulein“, obschon seit 1966 mit dem
Gelderner Glasmaler Peter Wustmans verheiratet. Irmgard Wustmans,
Caritas-Frau der ersten Stunde und ausgezeichnet mit dem Elisabethkreuz,
überträgt den Leitspruch aus ihrer Schulzeit am Kevelaerer Gymnasium ins
praktische Leben: „Das Dienen, wenn wir es recht erfassen, ist eine
wunderbare Kraft im Leben der Frau“.
Als sie im Sommer 1997 einer Einladung der CDU-Frauen folgt, die über
„Frauen in Führungspositionen“ diskutieren wollen, sagt Irmgard Wustmans
aus ihrer reichen Erfahrung einen Satz, den sich die Schulpolitiker
hinter die Ohren schreiben können: „Wegen der vielen Verwaltungsarbeit
fehlt dem Schulleiter Zeit zum Unterrichten“. Auf die Frage, ob sie von
Männern im Berufsleben akzeptiert werde, antwortet sie, sie habe Mut
gebraucht, Entscheidungen alleine zu treffen und die Verantwortung voll
zu übernehmen. Dann aber gebe es keine Kompetenzprobleme mit männlichen
Kollegen.
Nach 41 Jahren an ein und derselben Schule „geht eine Ära zu Ende“,
schreibt Kirche+ Leben über die Lehrerin. „Viel Aufhebens will
sie nicht von sich machen, wie sie es auch nicht getan hat von den
vielen ehrenamtlichen Diensten in St. Quirinus und St. Antonius“. Und:
„Ein Herz für die Menschen, das Geduld und Ausdauer hat, eine ruhige
Übersicht in allen kniffeligen Tagesproblemen eines Schulalltags, eine
kirchliche und frohe Grundeinstellung: Diese und viele andere gute
Seiten fügten sich bei ihr zusammen“.
Dann kommt im Juni 1999 der Tag des Ausscheidens. Nach einem festlichen
Gottesdienst nimmt die scheidende Rektorin der Twistedener Schule mit
vielen Freunden und Kollegen bei einem zweiten Frühstück Abschied.
Natürlich fehlen dabei auch die Schüler nicht. Dass die etwas Besonderes
vorhaben, ist Irmgard Wustmans nicht entgangen, schließlich hat ihre
vierte Klasse ihr drei Tage lang den Zugang zum eigenen Klassenzimmer
verboten.
Unter Leitung von Andrea Leurs, ihrer Nachfolgerin im Rektorenamt,
setzen die 32 Kinder mit viel Begeisterung Smetanas „Moldau“ in Bilder
und Bewegungen um. Tanzende Nixen, springende Fluten und grimmige Jäger
versetzen die Zuschauer in Begeisterung. Irmgard Wustmans, ganz passend
im wasserblauen Kostüm, sucht bewegt nach Dankesworten.
Bevor Schulamtsdirektor Karl Julius seiner Kollegin die Abschiedsurkunde
übergibt, lässt er ihre lange Laufbahn im Dienste der Twistedener Kinder
Revue passieren. Als „pädagogische Instanz des Dorfes“ sei sie 41 Jahre
lang Erzieherin, Anwältin der Kinder, geduldige Zuhörerin der Eltern und
gute Kollegin gewesen. Der Personalrat verblüfft sie mit
Zauberkunststückchen, Pastor Alois van Doornick gestaltet seinen Vortrag
musikalisch, und auch die Kolleginnen erweisen sich als sehr kreativ -
mit einem lyrischen Streifzug durch den Schulalltag. Dass ihre Schule
bald darauf auf den Namen des heiligen Franziskus getauft wird, sieht
sie vom Ruhestand aus mit Freude.
Irmgard Wustmans hat 1998, als sie ihr 40-jähriges Lehrerjubiläum an
dieser Schule feiert, im Gespräch mit dem Kevelaerer Blatt angekündigt,
sie wolle „die Kurve kratzen, wenn ein Kind sagt: Meine Oma war auch
schon bei dir“. Die Twistedener sind froh darüber, dass eine solche
Lehrerin sie über mehrere Generationen begleitet hat.