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Arzt in Kevelaer | * 1914 | † 1995
Als die Behindertensportgruppe Kevelaer am 1969 als
Versehrtensportgemeinschaft ins Leben gerufen wurde, war unter den elf
Gründungsmitgliedern Dr. med. Wilhelm Wolfgarten. Er wurde als Sportarzt
verpflichtet. Fast zwei Jahrzehnte stand er der Behindertensportgruppe
als Arzt zur Seite.
Dr. Wilhelm Wolfgarten war 1914 auf Marienau bei Mechernich geboren
worden. Seine spätere Frau lernte er in Düsseldorf während des
Medizinstudiums kennen und heiratete sie 1942. In diesem Jahr wurde er
dienstverpflichtet nach Weeze in die Praxis Dr. Borgel, da dieser bei
einem Autounfall tödlich verunglückt war und die ärztliche Versorgung im
Raum Weeze sichergestellt werden mußte. Seine Frau Josefine, ebenfalls
Ärztin, wurde zum Gesundheitsamt Geldern zur Unterstützung des dortigen
Kreisarztes abkommandiert.
Ende 1942 wurde Wolfgarten zum Militär einberufen und als Arzt im
Rußlandfeldzug eingesetzt. Er geriet in Gefangenschaft. Ende 1949 wurde
er als sogenannter Spätheimkehrer aus Rußland entlassen. Bereits 1947
hatte seine Frau ihren Beruf als Ärztin wieder aufgenommen und sich mit
Kassenzulassung in Kevelaer eingerichtet. Angemietet wurde das Haus Fuss
in der Annastraße, wo es - ein großer Vorteil - eine intakte
Telefonanlage gab.
Die „Praxis“ bestand aus einem einzigen zur Straße hin gelegenen etwa 16
Quadratmeter großen Zimmer. An Innenausstattung waren eine ältere Liege
für Untersuchungszwecke, ein Tisch und zwei Stühle vorhanden. Ein
kleiner Holzschrank enthielt die wenigen Medikamente und Instrumente.
Letztere bestanden aus einem Blutdruckmeßgerät, einem Stethoskop, einem
Reflexhammer und einem Otoskop.
Es war üblich, das Verbandsmaterial nach Gebrauch in einem großen Kessel
zu kochen und zur Wiederverwendung zu bügeln; die Familienmitglieder
(vor allem die Kinder) wurden angestellt, die Mullbinden anschließend
wieder aufzurollen. Als Wartezimmer diente der Treppenflur, in dem zwei
Stühle standen.
Nachdem Dr. Wilhelm Wolfgarten Ende 1949 aus russischer
Kriegsgefangenschaft entlassen war, konnte er sich in Kevelaer nur
niederlassen, wenn seine Ehefrau - Niederlassungsfreiheit gab es nicht -
auf die eigene Zulassung verzichtete. Das tat sie 1950, und Wolfgarten
konnte praktizieren. Als Spätheimkehrer erhielt er einen Sonderkredit,
mit dem er ein Auto erwerben konnte - einen Renault 4 CV.
Wie alle anderen Ärzte auch hatte Dr. Wolfgarten im
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Krankenhaus Belegarztrecht; jeder Arzt versorgte seine Patienten im
Krankenhaus selbst. Alle Kevelaerer Ärzte waren auch Geburtshelfer und
haben diese Tätigkeit mit Freude ausgeübt. Damals war noch die
Hausentbindung in Zusammenarbeit mit der Hebamme und Betreuung durch den
Hausarzt die Regel.
Dr. Wilhelm Wolfgarten
(1986).
Der Hausarzt galt „von der Wiege bis zur Bahre“ als Vertrauter der
Familie und wurde auch bei nicht-medizinischen Familienentscheidungen um
Rat gefragt. Seine Meinung galt bei der Berufswahl der Kinder und bei
der Wahl des Ehepartners gleichermaßen.
Nach seinem Tod Ende 1995 war über der Traueranzeige seiner Familie ein
Leitspruch zu lesen: „Aliis in Serviendo consumor“ (Für andere im Dienen
verzehre ich mich). „Seiner Familie und seinen Patienten galten seine
Liebe und Sorge sein ganzes Leben lang.“