Medienkonzern Weltbild und Kevelaer
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Problemfall für die deutschen Bistümer | Insolvenzverfahren 2014
Mit
dem
Weltbild-Verlag, der zuletzt mehr als 6.000 Arbeitnehmer
beschäftigt und im Januar 2014 Insolvenz angemeldet hat, haben Kevelaer
und
Grafische Betrieb
Bercker zu tun gehabt. Auch der Grafische Betrieb Bercker ist
insolvent geworden und hat sich 2012 vom Markt verabschiedet. Fast 200
Mitarbeiter haben damals in Kevelaer ihre Arbeitsplätze verloren.
Weltbild-Zentrale in Augsburg.
Im Jahr 2006 hatte Bercker-Geschäftsführer Ulrich Schurer einen
spektakulären Auftrag an Land gezogen. Im November meldete das
Kevelaerer Blatt:
►
"Dürer-Holzbibel aus Kevelaer / Buchbinderische Herausforderung
Bibel, Bercker, BILD - wie passt das zusammen? Bercker Graphischer
Betrieb in Kevelaer produzierte die Dürer-Holzbibel für die
Boulevardzeitung und den Weltbild-Verlag. Seit Montag ist sie im Handel.
Die Ausgabe 2006 umfasst 1504 Seiten, enthält einen 48-seitigen Bildteil
und ist 17 x 25 Zentimeter groß.
Die bei Bercker hergestellte Dürer-Holzbibel.
Der Massivholz-Deckeleinband zeigt das weltberühmte Schnitzmotiv
'Betende Hände' nach Albrecht Dürer. Diese Ausgabe des „Bestsellers“
Bibel ist praktisch so gut wie restlos an den Buchhandel verteilt. Für
die „Dürer-Holzbibel“ (2,1 Kilo schwer, 29,95 Euro) gab es mehr
Bestellungen als gedruckte Exemplare; so musste die Verteilung sogar
kontingentiert werden.
Die
Herstellung der 'Dürer-Holzbibel' war eine große buchbinderische
Herausforderung.
Ein italienischer Meister seines Handwerks schnitzte Dürers 'Betende
Hände' (eine Pinselzeichnung) als Vorlage für den Bucheinband. Erst nach
langwierigen Tests gelang es, die Feinheiten der 'Dürer-Hände' auf der
17 mal 25 Zentimeter großen Holzplatte abzubilden. - Die 'Dürer-Bibel'
im Holzeinband wurde in Norditalien und in Kevelaer bei Bercker
gefertigt. Sie ist bereits die dritte gemeinsame Bibelausgabe von
Bild-Zeitung und Weltbild. Zuvor wurden die 'Goldbibel' (Weihnachten
2005) und die 'Volksbibel' (Weihnachten 2004) verlegt. Beide Ausgaben
waren unmittelbar nach Erscheinen vergriffen, allein die 'Volksbibel'
fand in nur drei Wochen 250.000 Käufer. Der 'Dürer-Holzbibel' dürfte es
nicht viel anders ergehen.
Soweit der KB-Bericht.
Gute
Wirtschaftsnachrichten wie die vorstehende waren allerdings selten. Zwar
signalisierten Mitteilungen aus dem Grafischen Betrieb Bercker in
Regelmäßigkeit Großaufträge wie den Druck und die Herstellung des
Skandalbuchs von Thilo Sarrazin oder von Bänden aus der Reihe "Harry
Potter".
Ulrich Schurer im Grafischen Betrieb Bercker.
Aber mehr als eine zeitlich begrenzte Auslastung der Maschinen scheinen
diese Aufträge dem Unternehmen Bercker nicht gebracht zu haben. Am Ende
reichte es nur noch dazu, die an Jahre alte, im Maschinenpark
hochmoderne und von erstklassigen Mitarbeitern betriebene Firma abzuwickeln.
Die Berichte über
Weltbild in den Medien sprachen meistens von
Problemen. Ende 2011 kam sogar heraus, dass die Bistümer als
Gesellschafter den
Weltbild-Konzern verkaufen wollten. "Die
katholischen Bischöfe wollen sich nach langer Diskussion endgültig von
der Verlagsgruppe
Weltbild trennen. Etliche Produkte seien
nicht mit dem Wertekanon der Kirche vereinbar", hieß es in einem Bericht
der
Rheinischen Post ( 23.11.2011). Moral sei nicht teilbar.
Und:
► "Auch deshalb haben sich die katholischen Bischöfe in Deutschland
jetzt dazu entschlossen, ihre Verlagsgruppe Weltbild 'ohne jeden Verzug'
zu verkaufen. Der Grund für diese Veräußerung: Der Verlag, der zu 100
Prozent der katholischen Kirche gehört, führt im Programm auch
esoterische, erotische und pornografische Titel. Und das sind keine
Nischenprodukte: Auf dem Internetportal von weltbild.de findet man unter
dem Stichwort 'Erotik' immerhin 2500 Titel."
An dem Medienkonzern waren zu jenem Zeitpunkt zwölf der
27 katholischen Bistümer beteiligt - außerdem der Verband der Diözesen
Deutschlands (VDD) und der katholischen Soldatenseelsorge Berlin.
Bereits 2008 hatte das das Erzbistum Köln Konsequenzen gezogen und seine
Anteile am
Weltbild-Konzern abgegeben, der in der
wirtschaftlichen Hochphase fast zwei Milliarden Euro Jahresumsatz
ausgewiesen hat. Joachim Kardinal Meisner äußerte sich damals gegenüber
Welt am Sonntag, es sei nicht hinzunehmen, „dass wir in der
Woche damit Geld verdienen, wogegen wir sonntags predigen“. Meisners
Urteil: „Wir müssen uns von diesem Unternehmen verabschieden.“
Der Verkaufsbeschluss von 2011 wurde nicht umgesetzt - vielmehr machten
die zwölf der 27 Bistümer, die bei
Weltbild Gesellschafter
sind, Mitte 2012 einen Rückzieher, freilich nur einen halben. Die
Bischöfe entschieden sich nun dafür,
Weltbild einerseits
abzugeben und andererseits zu behalten.
Die Verlagsgruppe werde, so hieß
es in der Meldung der
FAZ, in eine kirchliche Stiftung öffentlichen
Rechtes überführt. Der Geschäftsführer des Unternehmens, Carel Halff (
Bild),
hielt das für die rettende, "dauerhafteste und stabilste Lösung"
angesichts der "heftigen Transformationsphase", in der sich Buch- und
Medienmarkt befänden.
Der Stiftungsbeschluss war offenbar eher unverbindlich geblieben, denn
einige Bistümer hielten sich nicht daran und betrieben stattdessen den
Verkauf des Konzerns. Auch der im September 2013 von den Bischöfen
gefasste Beschluss,
Weltbild fortbestehen zu lassen, trug
offenbar eine gewisse Unverbindlichkeit in sich.
Nachdem 2013 die Medien über Insolvenzgefahr für
Weltbild
berichtet hatten, konnte schließlich das Kölner Internetportal
domradio.de (6.11.2013) melden: "Insolvenz des
Weltbild-Medienkonzerns offenbar abgewendet : Stütze und weniger
Eigentümer". In dem Bericht hieß es:
► "Viele Bistümer wollen dem angeschlagenen katholischen Medienkonzern
Weltbild letztmalig finanziell unter die Arme greifen. Gleichzeitig wird
das Buchhandelsunternehmen in Zukunft deutlich weniger Gesellschafter
haben als bisher. Eine Insolvenz des Medienkonzerns in Augsburg -
Schreckgespenst der Mitarbeiter - ist offenbar abgewendet. Das zuletzt
in die roten Zahlen gerutschte Unternehmen soll Medienberichten zufolge
frisches Kapital in Höhe von mindestens 60 Millionen Euro erhalten,
teils auch von ausscheidenden Gesellschaftern."
Am
7. November 2013 hieß es sogar bei
domradio.de: "Der
Weltbild-Konzern ist bis auf Weiteres gerettet : Ein finanzieller
Kraftakt". Maßgeblichen Anteil daran habe offenbar Kardinal Reinhard
Marx, der die Sicherung der Arbeitsplätze als "moralische Verpflichtung"
empfinde. Der Erzbischof von München und Freising vertrete mit bislang
13,2 Prozent einen der größten Anteilseigner.
Reinhard Kardinal Marx: "Nicht zu verantworten."
Die Bistümer sicherten dem Konzern Finanzspritzen in Millionenhöhe zu,
was die beteiligten Banken ermunterte, ihre Geschäftsbeziehungen mit
Weltbild aufrecht zu erhalten. Unklar blieb zunächst, wie sich die
Bistümer in Zukunft engagieren würden, denn nach wie vor gab es
Bestrebungen einiger Bischöfe, sich von dem Wirtschaftskonzern zu
trennen.
Dann die ernüchternde Pressemitteilung von DDr. Peter Beer
(
Bild), dem
Aufsichtsratsvorsitzenden von
Weltbild (10. Januar 2014):
► Die Bemühungen um den Umbau der Verlagsgruppe Weltbild in ein
digitales Handelsunternehmen unter Einschaltung externer Berater hat
nicht zum Erfolg geführt. Die Digitalisierung und das veränderte Nutzer-
und Konsumverhalten stellen den gesamten Buchmarkt und Versandhandel vor
große Herausforderungen. Dieser Marktsituation konnten in den
vergangenen Jahren viele Buchhandlungen und Versandhäuser nicht
standhalten. Die Verlagsgruppe Weltbild hat versucht, sich den
fundamental und rasant verändernden Rahmenbedingungen zu stellen, den
Umbau verträglich zu gestalten und einen Neuaufbau im digitalen Handel
voranzutreiben, um sich als modernes Medien- und
Internet-Handelsunternehmen zu positionieren. Diese Neuausrichtung
wurde durch externe Berater und ein entsprechendes Sanierungskonzept
intensiv begleitet.
Bereits im Herbst des vergangenen Jahres haben die
Gesellschafter in diesem Zusammenhang entschieden, (…) 65 Millionen Euro
zur Verfügung zu stellen. Nunmehr wird nach dem Weihnachtsgeschäft und
ein erneuten Überprüfung des Konzepts der notwendige finanzielle Beitrag
der Gesellschafter auf 135 bis 160 Millionen Euro für die Sanierung des
operativen Geschäfts in den kommenden drei Jahren beziffert; für die
sich hieran anschließende Entschuldung wäre darüber hinaus ein weiterer
dreisteiliger Millionenbetrag erforderlich. Ein derart hoher
finanzieller Aufwand kann zumal angesichts verbleibender erheblicher
Unsicherheiten hinsichtlich der künftigen Entwicklung des Unternehmens
von den Gesellschaftern nicht verantwortet werden.
Damit wies der Weg nur noch in Richtung Aus
für den
Weltbild-Konzern. Der Finanzbedarf war geradezu
aberwitzig groß und hätte den Angehörigen der katholischen Bistümern im
Angesicht der heftigen Diskussionen über (sprudelnde) Kirchensteuer,
Vermögen der Diözesen und Staatszahlungen an die Bistümer kaum
vermittelt werden können - schon deswegen nicht, weil allgemein und
speziell mit Blick auf die
Causa Limburg (Bischof Franz-Peter
Tebartz-van Elst) nach einer "neuen Bescheidenheit" verlangt wurde.
Die Entscheidung der Bischöfe, die weitere Finanzierung der
Weltbild-Sanierung
zu stoppen, sei ein "riesiger Skandal" (so der Augsburger
Verdi-Sprecher
Thomas Gürlebeck). Die Kirche indes wies die Kritik zurück. Kardinal
Reinhard Marx betonte, die Bischöfe seien vom dramatisch gestiegenen
Kapitalbedarf überrascht worden.
► "Wir konnten es als Gesellschafter nicht verantworten, auf absehbare
Zeit dreistellige Millionensummen aus Kirchensteuermitteln zu
investieren".
Marx kündigte zugleich Hilfen für die Mitarbeiter in dem finanziellen
Rahmen an, den die Kirche zuletzt für eine Sanierung zugesagt habe – das
wären 65 Millionen Euro. Und er sagte:
► "Wir sind kein skrupelloser Unternehmer, der die Mitarbeiter einfach
davonjagt."
Der Konzern selbst verkündete am 13. Januar 2014 auf seiner Webseite (
weltbild.com):
Der Antrag für die Weltbild GmbH auf Insolvenz, gestellt am selben Tag
beim Amtsgericht Augsburg, sei unvermeidlich gewesen.
Vom
Gericht wurde zum vorläufigen Insolvenzverwalter Wirtschaftsprüfer Arndt
Geiwitz (
Foto) von Schneider Geiwitz & Partner bestellt. In
Abstimmung mit ihm soll der Geschäftsbetrieb von
Weltbild
weiterlaufen.
Der Insolvenzantrag beziehe sich ausschließlich auf die Verlagsgruppe
Weltbild GmbH in Augsburg. Nicht betroffen seien insbesondere alle
Filialen, sowie die Gesellschaften in Österreich und der Schweiz und
bücher.de
Schwere Vorwürfe gegen die katholische Kirche
erhoben Mitarbeiter des
Weltbild-Verlags in einem öffentlichen
Brief
. Focus online meldete am 15. Januar 2014: "Bewusst in die
Insolvenz getrieben - Weltbild-Mitarbeiter rechnen mit Bischöfen ab".
Der Brief wurde nach Angaben der Gewerkschaft Verdi bei einer
Betriebsversammlung in Augsburg von rund 1500 Mitarbeitern
unterzeichnet. Die Beschäftigten werfen der Kirche vor, dass sie
entgegen früheren Beschlüssen und einer Zusage die Refinanzierung des
Verlags und Versandhändlers hätten scheitern lassen.
Der Weltbild-Betriebsrat
sah schließlich doch noch eine Zukunft. Das Unternehmen solle
als ein "werteorientierter Multichannel-Buchhändler" erhalten bleiben.
Dieses Konzept stellte die Arbeitnehmervertretung mit der Gewerkschaft
Verdi am
Weltbild-Sitz in Augsburg vor. Der gleichzeitige
Vertrieb über Internet, Katalog und Filialen sei maßgeschneidert für die
Vielfalt des deutschen Buchhandels, sagte der vom Betriebsrat engagierte
Sachverständige Klaus Warbruck.
Weltbild-Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz wollte das
Unternehmen möglichst komplett in der Konzernstruktur erhalten.
In der
Zeit (16.1.2014) wurde die These vertreten, dass sich
die Bischöfe geradezu beeilen, die Buchhandelskette loszuwerden. Das
könnte "auch am neuen Papst und Kapialismuskritiker Franziskus liegen,
der keine teuren bischofslimousinen und keine reichen Bistümer mehr
will. Gewiss will er auch keinen Gewinn mit Sadomaso-Romanen."
Wie
kirchensite.de am 24. Januar 2014 berichtete, sicherten die
Bistümer München und Augsburg dem insolventen Konzern Kredite über 35
Millionen Euro zu.