Sürgers, Alfred
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Autohändler
in Kevelaer |
* 1939 | † 2013
Am
letzten Dienstag im Juni 1997 leistete Alfred Sürgers sich eine
Gedenkminute: Er hielt Rückschau auf 40 Jahre Arbeit in der
Automobilbranche. Sein Leben mit den bereiften Fortbewegungsmitteln hat
auch ihn bewegt und fortbewegt, hat ihn mitunter sogar ein Stück von
sich selbst entfernt. Er kannte fast nur noch seine Arbeit und übernahm
sich. Am Ende fühlte er sich ausgebrannt und war froh, „daß ich eine
gute, starke Frau hatte, die mir da herausgeholfen hat“.
Das war eine Seite seines Chef-Daseins, eine andere: „Die
Selbständigkeit hat mir viel gegeben“. Wie sehr er einst mit Herz und
Seele Unternehmer sein würde, hatte der blutjunge Alfred nicht
voraussehen können, als er in den 1950er-Jahren bei Heinrich Feger an
der Venloer Straße eine Lehre zum kaufmännischen Angestellten begann.
Die Ware hatte nicht vier Räder, sondern oft zwei Füße oder einen
Heiligenschein.
Devotionalien waren es, die er in den Büchern führte. Vor allem aber war
er mit anderen Aufgaben betraut. „Moos wenden, Bilder rahmen,
Sägemehlöfen stochen“, zählte er einmal die Qualitätsmerkmale seiner
Ausbildung auf.
Damit war natürlich kein Staat zu machen, als das junge KKV-Mitglied
Alfred Sürgers von seinem Vereinskollegen Heinz Koppers hörte, dass bei
Mercedes Herbrand eine
Stelle zu besetzen sei. Sürgers hatte in der Berufsschule gut
aufgepasst. Und er achtete darauf, daß Kanzler Konrad Adenauer ihm am
Tag vor dem Bewerbungsgespräch bei Herbrand nicht zum Verhängnis wurde.
Der hielt nämlich in der Dortmunder Westfalenhalle eine Wahlkampfrede,
die Sürgers sich nicht entgehen lassen wollte. Im Gegensatz zu seinen
Freunden entsagte er aber dem späteren Tanz- und Trinkfest in der
Bierstadt, um am Morgen fit zu sein. Das zahlte sich aus. Sürgers bekam
die Stelle: „So begann am 1. Juli 1957 mein Glück“.
Es war die Zeit, in der die Buchhaltung zu Fuß erledigt wurde. Der Kopf
war die wichtigste Maschine. „Und als wir unseren ersten Nasskopierer
bekamen, war das eine Sensation“. Bei Herbrand ereilte den jungen Mann
eine zweite Sensation. Er lernte seine Hannelore kennen, die dort
ebenfalls mit Zahlen jonglierte. Das war 1963.
Drei Jahre später gaben sie sich das Ja-Wort. Da hatte Sürgers bereits
seinen Arbeitgeber und die Automarke gewechselt, nachdem er bei Herbrand
in den Verkauf gewollt, aber in die Reparaturannahme gesteckt worden
war: Jetzt setzte er sich bei Paul Opwis für VW an der Gelderner Straße
ein. Die Umstellung brachte manche Überraschung mit sich, an die Sürgers
sich gern erinnert: „Von Herbrand her war ich moderne Unterflurbühnen
gewohnt. Bei Opwis gab es eine Einstempelhebebühne. Da kamen die Käfer
oben drauf, die Kotflügel wurden heruntergeklappt“. Sürgers: „Die Autos
sahen aus wie gerupfte Hühner, und ich dachte - o, Gott!“
Sürgers hat dann nachts noch einige Jahre von Herbrand geträumt,
erkannte aber schnell, dass sich bei Opwis für ihn eine Riesenchance
auftat: Er kam in dem kleinen Betrieb mit allen Dingen in Berührung, die
man überhaupt in die Finger kriegen konnte. Er begann unternehmerisch zu
denken. Paul Opwis zog sich immer mehr zurück. Schließlich übergab er am
1. Januar 1975 den Betrieb an Alfred Sürgers und Günter Grünholz. „Wir
hatten keine müde Mark Eigenkapital“, erzählte Alfred Sürgers in einem
früheren KB-Gespräch. „Ohne das Wohlwollen und die Großzügigkeit der
Familie Opwis hätten wir den Anfang nie geschafft“.
1984 verlagerten sie das Unternehmen in das neue Gewerbegebiet, 1989
trennten sich ihre Wege. Sürgers führte den Betrieb allein weiter.
In
dieser kurzen Chronologie verstecken sich harte Jahre, „in denen ich
zeitweise nicht mitbekam, wie meine drei Kinder groß wurden“. Er
schuftete wie ein Ackergaul, bis er nicht mehr konnte. Sein Fazit von
damals: „Arbeit ist nicht alles“. Er lernte, kürzer zu treten, zu
delegieren und anderen Dingen Wert beizumessen.
Eine seiner Sorgen: „Das gesunde Preisbewußtsein ist vielen Menschen
abhanden gekommen“. Es werde immer schwerer, „den Ertrag zu erzielen,
den wir eigentlich verdient hätten“.
Alfred Sürgers (1997).
Längst ist sein Sohn Rafael, als Diplom-Betriebswirt bestens präpariert,
in das Unternehmen eingestiegen und führt die Geschäfte. Geblieben ist
die ungewöhnliche Treue der Mitarbeiter zum Betrieb. „Sie haben bei uns
immer schon zur Familie gehört“, sagte Alfred Sürgers einmal in einem
Gespräch mit dem
Kevelaerer Blatt.
Mit beeindruckender Würde und wachem Geist ertrug Alfred Sürgers den
zunehmenden Verfall seiner körperlichen Möglichkeiten. Er war wie sein
2008 gestorbener Bruder Oswald Sürgers mit einer neuromuskulären
Vorerkrankung belastet gewesen und hatte sich immer gewünscht, nie ein
Pflegefall zu werden. Er erkämpfte sich
seine Lebensqualität gegen alle Verschlechterungen. Bis zuletzt nahm er
einige kleine Aufgaben in der Autofirma wahr, die er mit großem
Sachverstand und viel Herzblut ausfüllte. Das hielt ihn aufrecht und
geistig fit. Viele Kevelaerer sahen ihn auf seinem Dreirad zur Firma
fietsen und freuten sich an Begegnungen mit dem Mann, der so humorig und
verschmitzt kommentieren konnte.
Anfang September 2013 wurde der Kevelaerer Unternehmer mit einem
Oberschenkelhalsbruch, den er sich bei einem Sturz zugezogen hatte, ins
Marienhospital eingeliefert. Nach einer gewissen Genesungsphase war er
soweit, in eine Rehabilitation entlassen werden zu können. Eine
Lungenembolie und eine daraus resultierende Lungenentzündung raubten ihm
jedoch die Kräfte.
Alfred Sürgers starb Ende September 2013, weniger als vier Wochen nach
seinem Sturz mit den schwerwiegenden Folgen.