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Geschäftsleute in der City | Richard Opwis * 1937
Die
Anzeige zur Geschäftseröffnung steht Mitte 1924 im Kävels Bläche. Sie
zeigt an, dass Schneidermeister Josef Opwis seine „erstklassige
Herrenmass-Schneiderei“ eröffnet. Sohn Richard Opwis darf 75 Jahre
danach ein Firmenjubiläum feiern.
Richard Opwis.
Die Anfänge sind bescheiden: Der junge Josef Opwis quartiert sich mit
seinem Betrieb bei seinem Gold schmiedenden Vater an der Amsterdamer
Straße 19 ein. Als er im Dezember 1934 in sein Domizil an der
Hermann-Göring-Straße 11, der heutigen Bahnstraße, umzieht, zahlt er für
die neue Werkstatt weniger Geld als zuvor daheim.
Genau in diesem Haus hat Josef bei Schneidermeister Christian Wilhelm
Siebers seine Ausbildung gemacht und sich auf die Gesellenprüfung
vorbereitet. 1914 hat Gerhard Kaenders, der Vorsitzende des
Gesellenprüfungsausschusses, die Urkunde unterzeichnet. Noch heute
besitzt Sohn Richard Gesellenbrief und Auftragsbuch seines Vaters, in
dem er die Maße aller Kunden und ihre Aufträge vermerkt hat. Da sind
fast alle illustren Namen aus der Stadt vertreten.
Auch Jakob Köster, Verleger des KB, nimmt die Dienste in Anspruch: Im
Mai 1936 betritt Köster die Werkstatt, in der Opwis im Schneidersitz auf
seinem Arbeitstisch näht, und gibt einen Anzug in Auftrag. Opwis nimmt
Maß und notiert Umfänge und Längen mit Bleistift in seinem Buch.
Die Anzüge müssen von bester Güte gewesen sein. Richard Opwis erinnert
sich, dass er - einige Jahre ist das her - von einem alten Kevelaerer
angesprochen wird, der seine Goldhochzeit feiert. Der Jubilar zeigt
stolz auf seinen etwas abgeschabten Anzug: „Den hat dein Vater noch
gemacht“. Richard staunt ehrfürchtig, befindet aber im Stillen, das
Kleidungsstück habe bessere Zeiten gesehen.
Josef Opwis hat mit Zahlen nichts am Hut. „Unser Vater war Handwerker.
Er wusste gar nicht, was Geld ist“, sagt Richard Opwis. Um die
Buchhaltung kümmert sich seine Mutter Johanna. Sie ist es auch, die Hüte
und Hemden ins Sortiment nimmt und den Grundstock fürs Geschäft legt.
Josef Opwis hat die junge Frau aus der Uedemer Schuhfabrikantenfamilie
Riddermann fünf Jahre nach der Firmengründung 1929 geheiratet und sich
nicht nur eine Frau fürs Leben, sondern auch eine geschäftstüchtige
Unternehmerin „eingehandelt“. Zur Hochzeit bekommen sie eine
Registrierkasse geschenkt, die noch heute im Laden ihre Dienste tut.
Josef Opwis hat ausgiebige Wanderjahre hinter sich. In einer KB-Anzeige
formuliert er:
Durch mehrjährige Tätigkeit in den ersten Häusern Deutschlands und durch Ausbildung an der Privaten Modeakademie mit Sitz in Cöln ist es mir möglich, stets ein modernes und elegantes Kleidungsstück herauszubringen. Im eigenen Interesse werde ich bestrebt sein, durch saubere Ausführung sämtlicher Aufträge mir volles Vertrauen meiner Kundschaft zu erwerben.
Richard Opwis erinnert sich lebhaft an die Arbeitsjahre seiner Eltern, an die Qual des Bügelns mit einem Eisen, das mit Kohle beheizt wurde. Für Ärger sorgten bei großen Festumzügen immer wieder manche Schützen, die im Regen nass geworden waren, ins Geschäft kamen und sagten: „Bügel mir mal eben den Anzug auf“. Richard Opwis: „Kosten durfte das natürlich nichts“.
Richard Opwis (1996).
Mit Hochachtung erinnert sich Richard Opwis daran, wie sein Vater mit
tausend Stichen ein Jackenrevers umnäht. Er nutzt Rosshaar; das gibt dem
Kragen die richtige Stabilität. Er sitzt eine Woche an einem Anzug.
Montags wird ein Tisch aufgestellt, dann sagt die Mutter zu den Blagen:
„Kinder betet, Vater schneidet Stoffe zu“.
Nach dem Krieg stirbt das Schneiderhandwerk fast aus. Kaum jemand kann
sich einen Maßanzug leisten. Den ehemals 40 Kevelaerer Schneidern geht
es an den Kragen. Es gibt nur kleinere Aufträge. In den 1970er-Jahren
legt Josef Opwis Nadel und Faden endgültig nieder.
Sohn Richard, gelernter Kaufmann und seit Mai 1957 im Geschäft, baut den
Laden 1975 um und übernimmt ihn 1976. Ein Jahr später stirbt sein Vater.
Richard Opwis stellt das Sortiment auf Jeans und legere Kleidung um.
Inzwischen steht er seit über 40 Jahren hinter der Theke, hat
Stammkunden, die ihm eben so lange treu sind. Und wie lange macht er
weiter? „Ich halte es wie mein Schwiegervater
Theo Labonté“, sagt er, als wir ihn für dieses Porträt besuchen.
Opwis grinst: „Er ist 93 und steht noch immer gern im Geschäft“.
Richard
Opwis, Vater zweier Söhne und inzwischen Großvater, bezeichnet seine
Arbeit als Hobby. Er feiert gerne und ausgiebig, aber er schwört, es sei
in den 40 Jahren „noch keine drei Mal vorgekommen, dass ich den Laden zu
spät aufgemacht habe“.
Richard Opwis 1990 in seinem Geschäft.
Richard Opwis schätzt den Plausch auf Platt über den Tresen hinweg. Wenn
er nicht im Geschäft Jeans, Hemden und Hüte verkauft, sieht man ihn oft
mit dem Rad durch Kevelaer fahren. Er zählt zu den Gründern des KCK, des
Karnevalsclubs Kevelaer, und ist dort Kassierer. Keinem Passanten auf
der Bahnstraße bleibt verborgen, dass er ein unbekehrbarer Fußball-Fan
ist. Die Fahne seines Lieblingsclubs, der Gelsenkirchener Kicker,
flattert regelmäßig am Opwis-Haus. „Auf Schalke“ ist er oft und zittert
live mit seinen Favoriten.
„Leben und leben lassen“ ist seine Devise. Er verträgt jede Menge Spaß
und zeigt lachend, mit welch „netten“ Titulierungen ein Bekannter einmal
einen Urlaubsgruß an ihn adressiert hat: „An den dicksten und
durstigsten Bewohner der Bahnstraße, Schalke-Fan und Foddenhändler, D -
4178 Kevelaer, Alemania“.