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    SACHBEGRIFFE |
Marcati, Clara
Unternehmerin in Kevelaer | * 1938

Clara MarcatiSie hat eine kleine Statur
und ein großes Herz für Kinder und Jugendliche. Wer Clara Marcati in ihrem CD-Shop in der „Luxemburger Galerie“ hörte, wenn sie mit den Teens und Twens über Gott und die Welt sprach, bekam eine Ahnung davon, wie sehr die jungen Gäste Clara Marcati schätzten. Mitunter kamen Eltern mit einem besonderen Wunsch in ihr Geschäft: „Wir möchten die Person kennenlernen, von der unsere Kinder erzählen“.

Wer ist diese Person? Clara Marcati wurde in der Heimat ihrer Mutter, in Messina auf Sizilien geboren; der Vater stammte aus Mailand. Dort wuchs die junge Clara auf; sie liebte alles, was mit den Ohren aufzunehmen war, die Musik genauso wie den Klang der Sprachen. Sie übte sich in Französisch und Spanisch; als sie sich mit zwei Studenten aus Deutschland anfreundete, war ihr Wunsch besiegelt, deren Sprache zu lernen. Das ging am besten in Deutschland selbst. Über private Kontakte kam sie nach Düsseldorf, nahm mit den Töchtern und Söhnen von Botschaftsangehörigen an einem Institut Grammatik und Vokabeln durch.

Sie lernte ihren Mann kennen, schenkte zwei Söhnen das Leben, war aber so quirlig, dass sie, die immer gelernt, geplant, geträumt und gearbeitet hatte, noch eine andere Aufgabe suchte. Als ihr Jüngster in den Kindergarten kam, nahm sie eine Stelle im Krefelder Milchhof an, wo sie zum Operator ausgebildet wurde, eine Schwäche für alle Fragen rund um den Computer entwickelte und selbst programmierte.

Ihren Kindern gegenüber hatte sie nie ein schlechtes Gewissen. Mütterliche Liebe hatte und hat für sie mit Hingabe und Intensität zu tun, nicht mit der Anzahl der Stunden, die man den Kindern zur Verfügung stellt. „Wenn ich von der Arbeit nach Hause kam, habe ich nie gesagt, dass ich müde bin“. Sie hat sich immer auf ihre Kinder gefreut.

Trotzdem waren die ersten Jahre in Deutschland belastet. Zwar beherrschte sie die Sprache, aber mit der Mentalität hatte sie Probleme. Italien, das sie verlassen hatte, kam ihr mit einmal weltoffen vor. Deutschland begegnete ihr verschlossen und mit Vorbehalten. Erst suchte sie den Fehler bei sich. „Was machst Du falsch?“ fragte sie sich immer wieder. Später lernte sie, Contra zu geben und mit ihrer eigenen Mentalität selbstbewusst umzugehen.

Die Familie zog nach Alpen. Clara Marcati suchte nach einer neuen Stelle, die ihr die viele Fahrerei ersparte und fand sie bei einer 600 Mitarbeiter starken Firma in ihrem neuen Wohnort. Sie fing als Telefonistin an, immerhin ein Einstieg: „Doch mein ganzer Kopf wollte etwas tun, nicht nur Mund und Ohr“. Sie vertiefte sich in die Arbeitsorganisation, beschäftigte sich mit Zeitmanagement und Ergonomie, entwickelte sich über eine Studienorganisation zur Fachfrau weiter.

Es gibt einen weiteren Wesenszug, der sie prägt: „Ich habe immer meinen Mund aufgemacht“. Sie hielt nichts davon zu ducken, wenn etwas schief lief. Andere Mitarbeiter fassten schnell Vertrauen zu Clara Marcati und wählten sie zur stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden. „Ich konnte unbequem sein“. Sie erinnert sich gut daran, wie sie dafür die Quittung bekam: 20 Jahre lang hatte sie sich für die Firma und für die Mitarbeiter eingesetzt, als ihre Kündigungsschutzzeit ablief; eine Woche später versuchte der Betrieb, sie vor die Tür zu setzen. Sie wehrte sich und gewann den Arbeitsgerichtsprozess, doch das Klima war vergiftet. Der Richter riet ihr, auf die Stelle zu verzichten und eine Abfindung anzunehmen.

Ihre Kinder waren aus dem Haus, so fiel es ihr leicht, Alpen den Rücken zu kehren; sie zog zur Friedenstraße nach Kevelaer; wieder kreisten ihre Gedanken um ein neues Konzept. „Musik war für mich immer ein Traum“, erzählt sie; und diesen Traum nahm sie mit in ihren neuen Alltag: Sie eröffnete an der Basilikastraße einen CD-Shop. Hier war die Frau, die schon als Jugendliche die Texte aller großen Opern gekannt hatte und mit dem Akkordeon in einer Band von Auftritt zu Auftritt gezogen war, in ihrem Element.

Clara Marcati
Clara Marcati in ihrem Element.

1993 siedelte sie in die „Luxemburger Galerie“ um, wo sie besonders für Kinder und Jugendliche Institution und Magnet war. Ihr Herz ging auf, wenn sie von einem Mädchen gefragt wurde: „Warum bist Du so lieb zu uns Kindern?“ Oder wenn bei der Mini-Playback-Show zum fünften Geburtstag der Galerie Dutzende von Kindern wie von selbst aus heiterem Himmel ihren Namen skandierten: „Clara, Clara!“

Ihr Lachen war nicht diktiert von Geschäftstüchtigkeit, die wusste, dass ein freundliches Gesicht den Verkauf beflügelte, ihr Lachen kam von Herzen. Die Kinder, die sie in ihrem Shop aufsuchten, spürten das.

Ihre aktive Zeit als Geschäftsfrau in der LuGa liegt nun schon einige Jahre zurück. Die Unternehmerin, die 1994 zur Kommunalwahl auf der Reserveliste der Kevelaerer SPD kandidierte, genießt unweit von Kevelaerer ruhigere Zeiten.

© Martin Willing 2012, 2013