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Vom kleinen Verein zum Marktführer
Es war ein langer Weg vom kleinen Obst- und Gemüseverein zum mächtigsten
Vermarkter für Gartenbauprodukte in Deutschland. Nicht das Wetter, nicht
die große Anbaufläche am unteren Niederrhein, sondern die Eisenbahn
(1863) war es, die den Gärtnern den späteren Aufschwung des Gartenanbaus
ermöglichte. Schnelle Transporte auf Schienen - das war ideal für leicht
verderbliche Waren. Was noch fehlte, war die Idee einer zentralen
Vermarktung. Die meisten Gärtner blieben vorerst Einzelkämpfer und
karrten ihre Produkte auf Pferdefuhrwerken zum nächsten Wochenmarkt.
1907 entstand ein Obst- und Gemüsebauverein - Premiere im ehemaligen
Kreis Geldern. Aber erst 1910, als der visionäre Hans Tenhaeff, ein
Holzkaufmann aus Straelen, auf den Plan trat, begann sich der
kleinbäuerlich geprägte, gärtnerische Anbau zu einer Gartenbauwirtschaft
zu wandeln, die sich wie die Industrie moderne Produktions- und
Vermarktungssysteme zunutze machte.
Die erste Versteigerung von Obst und Gemüse lief 1914 in Straelen an.
1924 baute die Erzeugergemeinschaft eine Versandhalle in Kevelaer und
entwickelte für das gesamte Gebiet der Weimarer Republik ein
Vertriebsnetz.
Die Azaleen-Züchter gingen ihren eigenen Weg. 20 junge Gärtner gründeten
1950 in Kevelaer die Blumenabsatzgenossenschaft Azalerika, nutzten
ihre guten Kenntnisse in der Zucht und brachen das Monopol der
belgischen Züchter, die bis dahin fast ausschließlich den deutschen
Markt für Azaleen beherrscht hatten. Aus dieser Initiative erwuchs die
blühende Azaleen- und Erikenkultur in unserem Raum.
Während sich die Erzeugerversteigerung in Straelen und Kevelaer stetig
weiterentwickelte, entstand 1953 im Raum Düsseldorf mit Gründung der
Niederrheinischen Blumenversteigerung mächtige Konkurrenz. Die NBV
versteigerte ab 1954 in Neuß Schnittblumen.
Im selben Jahr eröffnete die Azalerika in Kevelaer an der Südstraße ein
Gewächshaus mit 500 qm Fläche. 1958 kam ein weiteres Gewächshaus hinzu,
diesmal 1.000 qm groß.
Unterdessen begann die Azalerika mit der Ausdehnung des Warenabsatzes
ins Ausland. 1960 erfolgten die ersten Warentransporte in nahe gelegene
europäische Länder von der neuen Vermarktung in Kevelaer aus. Immer mehr
Eriken und Azaleen wurden ab den 1960er-Jahren angebaut und verkauft.
Das Rennen um Größe war längst im Gange. 1974 fusionierten
Erzeugerversteigerung Straelen, Azalerika Kevelaer und
Erzeugergenossenschaft Wesel zur Union gartenbaulicher Absatzmärkte
(UGA).
Die enge vertragliche Bindung der Gärtner an die UGA löste unter den
Produzenten eine „oppositionelle Fraktion“ aus. Mit liberalerer
Vertragsbindung trat im Herbst 1981 ein Konkurrenzunternehmen zur UGA
auf: die Gartenbau-Vertriebs-Gesellschaft (GVG) mit Sitz in Lüllingen.
1990 lief dort zum ersten Mal eine Versteigerungsuhr für Topfpflanzen.
Dann bekam die scheinbar florierende GVG existenzielle Sorgen. Auch die UGA werde das Jahr 2000 nur dann erleben, wenn sie durch Fusion mit der NBV und mit niederländischen Vermarktern erheblich wachsen werde - so jedenfalls äußerte sich bereits 1991 der > MdB Ronald Pofalla. Anfang 1992 konnte sich die GVG unters Dach der NBV retten und ging in dem Neußer Unternehmen auf.
Hoch hinaus: Die Erwartungen der UGA waren 1997 noch hoch gesteckt.
Als 1993 Fusionsgerüchte um UGA und NBV die Runde machten, überraschte
das niemanden. Erstaunlich war nur, wie lange es dauerte, bis die beiden
Großvermarkter Vereinigungswillen zeigten.
Ein Wettlauf begann, so als wollte sich jeder der beiden
Übernahmekandidaten besonders stark in Szene setzen. 1995 eröffnete in
Lüllingen die NBV eine neue Topfpflanzen-Zentralvermarktung. Im selben
Jahr nahm die UGA in Kevelaer einen neuen Hallentrakt in Betrieb. 1997
schlossen NBV und fleurfrisch Stuttgart einen Kooperationsvertrag. Und
im selben Jahr begann die NBV, ihre Blumenvermarktung in Lüllingen
weiter auszubauen - auf nunmehr 35.000 qm Hallenkapazität.
Im Herbst 1997 kam es zur ersten konkreten Annäherung: NBV und UGA
gründeten eine gemeinsame Tochter für die gesamte Vermarktung von
Topfpflanzen, Schnittblumen sowie Obst und Gemüse. Die beiden
Muttergesellschaften, zu je 50 Prozent an der Tochtergesellschaft
beteiligt, sollten selbstständig bleiben. Aber das hielt kaum ein Jahr.
Im März 1998 wurde die Fusion beschlossen und im Dezember bekannt
gegeben: Die neue Firma, die durch die Elefantenhochzeit entstanden war,
hieß NBV + UGA Handels-GmbH mit Sitz in Straelen.
Nicht genug damit. Ab August 1998 wurde, beginnend mit einem
vierwöchigen Verhandlungsmarathon im Krefelder Dorint-Hotel, um eine
Hochzeit zu Dritt gerungen: Den niederländischen Vermarktungsriesen
Veiling ZON hätten NBV und UGA gerne dabei gehabt. Es wurden schon
gemeinsame Presseerklärungen abgegeben. Zum 1. Januar 1999 solle das
Super-Unternehmen auf den Plan treten und Euregio heißen.
Ein halbes Jahr vor dem Fusionsvollzug machten die Niederländer einen
Rückzieher.
Wachstum trat trotzdem ein. NBV+UGA, Centralmarkt Rheinland (2004),
Nordwest-Blumen (Wiesmoor) und fleurfrisch (Stuttgart) verschmolzen zur
Genossenschaft N.U.C., die sich heute Landgard eG nennt und zu der
mittlerweile auch die „Veiling Rhein-Maas“ in Herongen (ein gemeinsames
Unternehmen von Landgard und FloraHolland) zählt.
Landgard wurde mit rund 3.500 Mitarbeitern, mehr als 3.000
Vertragspartnern als Anlieferer und rund 25.000 Einkäufer-Kunden die
mächtigste Vermarktungsfirma in Deutschland. Und sie wuchs weiter. Aber
die "schwarzen Zahlen" kamen nicht mit. 2011 schloss die Bilanz von
Landgard mit einem Verlust von 61,5 Millionen Euro ab. Die Schulden
wuchsen auf rund 350 Millionen. Nach Einschätzung von Fachleuten war
Landgard zu schnell gewachsen. Ein Zusammenbruch konnte abgewendet
werden, indem gemeinsam mit Banken ein Sanierungsvertrag abgeschlossen
wurde. Schon für 2013 hoffe man auf eine ausgeglichene Bilanz, hieß es
Ende Oktober 2012 im Vorstand von Landgard.
Landgard
Landgard bündelt als Deutschlands größter Vermarkter von gartenbaulichen
Produkten das Angebot an Topfpflanzen, Schnittblumen, Gärtner- und
Floristenbedarf, Obst und Gemüse. Das Unternehmen gehört zu 100 Prozent
den Gärtnern. Umsatz der Landgard eG mit Blumen & Pflanzen, Obst &
Gemüse: rund 2 Milliarden Euro. Die Vermarktung erfolgt über die
„Landgard Blumen & Pflanzen GmbH“ (Herongen) und »Landgard Obst & Gemüse
GmbH & Co. KG« (Bornheim-Roisdorf).