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    SACHBEGRIFFE |
Grüntjens, Peter

Schriftsetzer und Drucker in Kevelaer | * 1921 | † 2006

Peter GrüntjensNach der > Druckerei Köster, in der Peter Grüntjens etliche Jahre gearbeitet hatte, war sein eigenes Unternehmen, an der Alten Weezer Straße 53 gelegen, in den 1970er- und 80er-Jahren führend in Kevelaer. Die alte Köster-Druckerei in der Hauptstraße, seit 1881 in Familienbesitz, hatte sich um 1985 nach Umstellung auf Fotosatz und Offsetdruck und Eigentümerwechsel aus dem traditionellen Buchdruck verabschiedet. 
 
Bei Peter Grüntjens waren sie noch zu haben, die Papiere und Karten, gedruckt wie schon zu Gutenbergs Zeiten. Ungezählte Anzeigen zu erfreulichen und traurigen Anlässen erschienen im Kävels Bläche nach Vorlagen von Peter Grüntjens, der die Inserate vermittelt und am Telefon mit seiner unverwechselbaren, tiefen Stimme angekündigt hatte. 

Je älter Peter Grüntjens, Jahrgang 1921, wurde, desto stärker kamen seine Erinnerungen an traumatische Kriegserlebnisse zurück. Zu Weihnachten 1994 löste er als 72-Jähriger ein Versprechen ein: 

1944 hatte er sich als junger Soldat in Warschau geschworen, die Stadt in Friedenszeiten wieder zu besuchen. Damals hatte er die Christmette in einer Warschauer Kirche mitgefeiert; und an der Krippe machte er, beeindruckt von der christlichen Friedensbotschaft, sein Versprechen. Warschau hatte zu dieser Zeit den Aufstand im Ghetto erlebt; deutsche Truppen waren dabei, die blühende Stadt systematisch zu zerstören; Kämpfe zwischen Hitlers Soldaten und der Roten Armee gaben ihr den Rest. 
1994, 50 Jahre später, nahm Grüntjens die beschwerliche Reise auf sich und hielt sein Versprechen. Er wollte nicht mit leeren Händen in die polnische Hauptstadt kommen. So schickte er in großen Kisten eine Weihnachtskrippe voraus - als Zeichen des Friedens und der Versöhnung. 

Er setzte sich in den Intercity-Express Brüssel-Moskau und stieg in Warschau aus. Den Bahnhof erkannte er nicht wieder. Auch die Stadt hatte sich verändert. „Für mich ein kleiner Schock“, bekannte Grüntjens. Wolkenkratzer mit Leuchtreklame ragten in den Himmel, Mc-Donalds und Pizza-Hut fanden sich an jeder Ecke.

Er erinnerte sich an die Kriegsjahre 1943 und 1944, an seine Zeit als Soldat an der Ostfront in Orscha, wie viele seiner Kameraden miserabel auf den Einsatz vorbereitet. Peter Grüntjens: „Mir fehlte selbst die Ausbildung am Maschinengewehr und an der Leuchtpistole“. Die Deutschen waren bereits auf dem Rückzug, hatten Einkesselungen überlebt und kamen schließlich in die weitere Umgebung von Warschau, „wo ich endgültig vom Wahnwitz der Kriege überzeugt wurde“. 

Ein Erlebnis, das ihn noch heute tief beeindruckt, geschah, als er mit Kameraden eine Hausdurchsuchung vornehmen musste (eine ihrer Luftabwehreinheiten war in der Nacht überfallen worden; es galt, die Täter zu finden). In einem Zimmer sah er ein Heiligenbildchen; auch Grüntjens hatte eines dabei, die Trösterin der Betrübten. Schnell hielten Polen und Deutsche die Bildchen nebeneinander. Das reichte zur Verständigung. Es gab in dieser Umgebung keine Überfalle mehr.

Ein halbes Jahrhundert später versuchte Grüntjens, sich in der pulsierenden Millionenstadt zurechtzufinden. Seine erste Anlaufadresse: Das bischöfliche Vikariat. Seinen Besuch hatte er brieflich angekündigt. Doch als er in der Tür stand, wusste niemand Bescheid. Offenbar war die Post verlorengegangen. Seine wichtigste Frage: „Wie kann ich die Kirche finden, in der ich 1944 meinen Schwur geleistet habe?“ Über 100 Gotteshäuser sind in der Metropole wieder aufgebaut worden. Wo sollte Grüntjens mit der Suche beginnen?

Stundenlang schaute er im Vikariat Archivmaterial durch. Dann war er ziemlich sicher, die richtige Kirche gefunden zu haben. Er konnte sich ganz in ihrer Nähe bei katholischen Schwestern in einem einfachen Zimmer einquartieren. Wenig später stand er vor „seiner“ Kirche; sie verschwand fast im Häusermeer. Peter Grüntjens: „Herrlich renoviert zeigt sie sich von außen und innen in vollem Prunk einer gar nicht armen Gemeinde“.

Doch der schöne Eindruck hielt nicht lange. Am nächsten Tag wollte der Kevelaerer mit Vertretern der Kirchengemeinde sprechen. Sie waren desinteressiert, ungehalten, sogar aggressiv. Eine Sekretärin gab Grüntjens zu verstehen, dass die Gemeinde weder eine Krippe noch andere Geschenke benötige. Sie lehnte brüsk die Bitte ab, Kontakt zu Christen herzustellen, die womöglich die Weihnacht 1944 in der Kirche mitgefeiert hatten. Der 72-Jährige war enttäuscht.

Einen Tag später lernte er einen Deutsch sprechenden Pastor kennen: Stanislaw Kalinowski erklärte sich bereit, den Kevelaerer zu begleiten. Und er machte den Vorschlag, die Krippe einer anderen, ärmeren Gemeinde zu schenken. Die Sache hatte nur einen Haken. Die Pakete mit der Krippe, die Peter Grüntjens vorausgeschickt hatte, waren irgendwo hängengeblieben. Endlich fanden die beiden die Fracht beim Zoll des Hauptbahnhofs. Sie mussten ausgelöst werden; 50 Mark waren fällig. Später machte der Pastor zusammen mit dem Büro von Kardinal Glemp für die Krippe eine bedürftige Gemeinde aus.

Grüntjens blieb noch kurze Zeit in Warschau, begleitet von dem hilfsbereiten Pastor. Ihm gelang es, dem Kevelaerer die Stadt mit herrlich restaurierten Häuserzeilen und geschäftigem Treiben nahe zu bringen.

Zwei Jahre später: Peter Grüntjens, der die 1994 geknüpften Kontakte gepflegt hatte, erhielt eine Einladung der weiß gekleideten Paulinermönche von Jasna Góra, wo die „Schwarze Madonna“ von Tschenstochau verehrt wird. Dort erlebte er, so sagte uns der Mann aus der Marienstadt, „Glückseligkeit und eine echte Verbrüderung“.

Quellenhinweis: Kevelaerer Persönlichkeiten 2

© Martin Willing 2012, 2013