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Eisenbahn und der Wallfahrtsort Kevelaer

Seit 1863 ist Kevelaer ans Schienennetz angebunden

Bis ins 21. Jahrhundert musste Kevelaer darauf warten, bevor sein Bahnhof sein 50er-Jahre-Aussehen abstreifen und zeitgemäß umgestaltet werden konnte. Zuvor waren Millionen in den Bahnhofsvorplatz mit angrenzendem Europaplatz investiert worden. Doch dort, wo die Bahn AG das Sagen hatte, verkam die Gegend zu einer Brache. Expressgut und Reisegepäck wurden schon lange nicht mehr abgefertigt. Sogar Fahrkarten wollte die Bahn nicht mehr selbst an den Mann bringen.

Bahnhof 1890
Die älteste Fotografie vom Kevelaerer Bahnhof (1890).

Kevelaer als Zielbahnhof für Fernreisende war schon vor Jahrzehnten aus den Fahrplänen verschwunden, als Busunternehmer es schafften, ihre gummibereiften Gefährte als moderne Alternative zur Eisenbahn zu positionieren. Das wurde erleichtert dadurch, dass die Pilgergruppen in den Krisenjahren nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil deutlich kleiner wurden.

Um 1970 sank das Gesamtaufkommen sogar auf rund 200.000 Pilger ab. Da lockte auch kein Extrarabatt mehr: Pilger zahlten im Sonderzug nur ein Drittel des normalen Preises. Sonderzüge rechneten sich mangels Masse kaum noch.

Der Reisebus, wie geschaffen für kleinere Gruppen, kam also wie gerufen.

Nicht nur das. Weil die Pilgerzahlen ab Mitte der 70er-Jahre wieder anzogen und bis heute eine bemerkenswerte Stabilität aufweisen, wurde diesem „modernen“ Transportmittel sogar die Eigenschaft zugeschrieben, für die Erholung aus der Krise und die neuerliche Blüte mit verantwortlich zu sein.

Der Kevelaerer Bahnhof verlor im Bewusstsein der Bürger und Verantwortlichen für Stadt und Wallfahrt seine tragende Rolle für die wirtschaftliche Infrastruktur. Das registrierte die Bundesbahn - vielleicht einer der Gründe, warum sie den Bahnhof zurückstutzte auf das, was Kleinstadt-Bahnhöfe meistens sind: ziemlich unbedeutend.

100 Jahre lang hatte die Bahn das Hauptkontingent an Pilgern nach Kevelaer befördert, dann war der Zug in weniger als zehn Jahren vom Reisebus restlos abgehängt worden. Vorbei die Zeit, da in der Hauptwallfahrtszeit täglich mehrere Sonderzüge eintrafen. Wie es damals aussah, vermittelt ein Bericht des Kävels Bläche vom 12.7.1899:

Von dem Unfange des hiesigen Pilgerverkehrs vermögen sich wohl die meisten der Sache Fernstehenden kaum ein rechtes Bild zu machen. Einen Schluß auf die ungeheure Zahl der während der Pilgerzeit nach hier kommenden Fremden mag man daraus ziehen, daß allein in der Zeit von 28. Juni bis 3. Juli hier 23 Sonderzüge mit etwa 15.000 angemeldeten Pilgern eintrafen.

Auf Sonntag entfallen hiervon 11 Züge mit rund 8000 Personen aus dem Ruhrgebiete und angrenzenden Districten; über 1000 Pilger treffen am Montag aus Holland ein. Rechnet man hierzu nun noch die erhebliche Zahl der mit den fahrplanmäßigen Zügen und der in Prozessionen auf dem Landwege eintreffenden, so dürfte die Gesammtzahl der in dem kurzen Zeitraume von noch nicht einmal einer Woche hier zu kurzem Aufenthalte weilenden Fremden mit 30.000 bis 36.000 nicht zu hoch veranschlagt sein.

Für die ganze Dauer des sich auf die Sommermonate beschränkenden Pilgerverkehrs ergibt dies einen Besuch von 6 bis 700.000 Personen in dem bescheidenen Landstädtchen von noch nicht 8.000 Seelen. Es dürften nicht die Großstädte einen ähnlichen Fremdenverkehr aufzuweisen haben.

Der rasante Wechsel von einer Transporttechnologie zur nächsten brachte den Busunternehmern drei blühende Jahrzehnte. Ob diese Periode wie die der Eisenbahn ebenfalls 100 Jahre alt wird, muss freilich bezweifelt werden. Denn mit der Öffnung des Schienennetzes für private Anbieter und den zu erwartenden Verbesserungen für die Fahrgäste könnte die schon halbtot gesagte Eisenbahn wieder aufleben und zu einer zugkräftigen Konkurrenz für das Reisebusgewerbe werden. Spritpreise, Verkehrsdichte, Maut-Gebühren und Unfallgefahren auf der Straße machen den Reisebusunternehmern obendrein zu schaffen. Es sind die gleichen Probleme, mit denen die Spediteure zu tun haben, sofern sie schwerpunktmäßig auf den Lkw-Transport setzen.

Ein Umschwenk zurück auf die Bahn ist allerdings leichter gesagt als getan. Die komfortablen und superschnellen Züge, in die die Reisenden gerne wechseln würden, machen um Kevelaer einen weiten Bogen. Nachdem dieser einst so bevölkerte Pilgerbahnhof Jahrzehnte lang nicht gefördert worden ist, sind die Weichen zunächst einmal in andere Richtungen gestellt. Bis hier ein ICE regelmäßig halten könnte, müsste viel Wasser die Niers hinunter fließen.

Es ist eher damit zu rechnen, dass Kevelaer nur langsam die erwarteten Rückgänge im Reisebusverkehr durch Zuwächse im Eisenbahnverkehr ausgleichen kann. Deshalb dürfte die Zahl der Individualpilger, die mit dem Auto anreisen, zunächst noch zu- statt abnehmen.

Die Zukunft des Wallfahrtsortes kann sich aber nicht hauptsächlich von diesem nur schwer zu kalkulierenden Besucherkontingent abhängig machen. Durchorganisierte Pilgergruppen bleiben für die Wallfahrt unerlässlich.


Kevelaer und die Eisenbahn - eine Chronik

Bahnhof und Bahnhofsvorplatz
 im Jahr 1930.

Pilger-Sonderzug: Geschmückt mit dem Kreuz.

Bahnhof Kevelaer, so wie man
ihn aus den 70er-Jahren kannte.

Bahnhof Kevelaer 1997
Der Bahnhof Kevelaer präsentierte sich 1997 trist und wenig einladend.

Bahnhof Kevelaer (1997).

Kevelaerer Bahnhof 1997
So sah der Bahnhof Kevelaer (1997) vor seinem großen Umbau Ende der 2000er-Jahre aus.

Der neue Kevelaerer Bahnhof.

© Martin Willing 2012, 2013