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30 Jahre lang dampfte die
Schmalspurbahn von Kevelaer über Twisteden, Lüllingen und Straelen nach
Kempen. 1928 - kurz vor ihrem Ende - geriet das Bähnchen in Brand und
rollte mit lodernden Waggons durch die Landschaft - als „feuriger
Elias“.
Kleve, Kevelaer und Geldern waren dank der rheinischen Staatseisenbahn
mit dem Zentrum Düsseldorf/Köln verbunden. Was im ausgehenden 19.
Jahrhundert fehlte, war eine Querverbindung nach Kempen und Krefeld.
Der Kreis Geldern baute sie auf eigene Kosten - und beging dabei zwei
entscheidende Fehler. Der erste war, dass die Geldernsche Kreisbahn den
Stolz der Kreisstädter verletzte und Geldern links liegen ließ. So
empörten sich im Stadtrat Geldern die Ratsmitglieder vor rund 100
Jahren:
Die [Kreisbahn] berührt die Kreisstadt gar nicht, sondern führt aus purer Menschenscheu, wie man annehmen muß, kilometerweit durch die einsame Heide, wo weit und breit keine menschliche Siedlung sich befindet, während das Bähnchen nach der anderen Seite hin einen Anschluß nach der benachbarten Kreisstadt Kempen vermittelt.
Schön für
Kevelaer: Hier begann sie ihre beschauliche Bummelfahrt durch den Kreis
Geldern, ratterte nach Twisteden, Lüllingen, Straelen und schließlich
nach Kempen.
Der zweite Fehler war die Spur: Mit nur einem Meter Breite konnte die
Geldernsche Kreisbahn nirgendwo Anschluss an das normale Eisenbahnnetz
finden.
Im Mai 1896 hatte Gelderns Landrat von Nell gegenüber seinem Kempener
Amtskollegen noch den Eindruck erweckt, als wolle Geldern mit Kempen
gemeinsame Sache machen. Die Stadt Kempen gab grünes Licht für eine
Kostenbeteiligung, und in einer vorbereitenden Kommission arbeiteten
alle beteiligten Geldgeber mit. Aber weil Geldern davon überzeugt war,
dass das Bahnprojekt eine lukrative Geschichte werden würde, wurde
Kempen kurzerhand ausgebootet. Ende Juli 1898 telegrafierte der
Gelderner Landrat kurz und unfreundlich nach Kempen: „Vertragsentwurf
abgelehnt, Kreis baut allein, Landrat.“
Um sich die Grundstücke für die Kleinbahnlinie zu beschaffen, ging man
nicht zimperlich vor. Die Eigentümer wurden enteignet. Im Mai 1902 waren
auch die letzten Flächen, die benötigt wurden, im Besitz des Kreises
Geldern. 1901 war die Teilstrecke
Straelen-Auwel-Holt-Walbeck-Lüllingen/Twisteden-Kevelaer dem Verkehr
übergeben worden, 1902 führte die Strecke weiter nach Kempen. Das Kävels
Bläche berichtete am 5. Juli 1902:
Wie nunmehr bestimmt verlautet, wird die Eröffnung der Theilstrecke Straelen-Kempen der Geldern'schen Kreisbahn Mitte dieses Monats erfolgen. Es wird allenthalben mit Freuden begrüßt, namentlich von den Kevelaer-Pilgern aus dem Viersener- und Gladbacher Lande, sowie der Jülicher und Aachener Gegend, indem dieselben von Wankum aus direct nach unserem Wallfahrtsort befördert werden können und hierdurch die Pilger einen Tag gewinnen würden.
Tatsächlich
konnte nach zweijähriger Bauzeit die Kleinbahn im Juli 1902 ihre
Probefahrt unternehmen und den fahrplanmäßigen Verkehr kurz darauf
beginnen.
Von Kevelaer aus sollte die Kleinbahn über Winnekendonk, Kervenheim und
Uedem bis nach Kalkar ausgebaut werden, aber dazu kam es nicht mehr. Als
nach 20-jährigem Betrieb die Kosten davon liefen, schrieb der Gelderner
Landrat an seinen Kollegen in Kempen einen Brandbrief: Kempen solle
mitzahlen, andernfalls würde die Bahnlinie, von der Kempen schließlich
profitiere, geschlossen. Kempen reagierte trocken: Als die Bahn gebaut
worden sei, habe Geldern Kempen nicht dabei haben wollen. Nun solle es
sehen, wie es klar komme.
Ihr endgültiges Aus im Jahr 1930 leitete die Kleinbahn mit einem
feurigen Abschied ein: Ende März 1928 fuhr der Schmalspurzug um 12.50
Uhr in Kevelaer ab. Kurz vor der Station Auwel, zwischen Holt und
Straelen, sah der Zugführer von dem letzten der drei Waggons, die hoch
mit Stroh beladen waren, Rauch aufsteigen. Zugführer, Schaffner und
Bremser koppelten die in Brand geratenen drei Waggons ab, sicherten sie
durch Bremsklötze und fuhren weiter. Die Bremsklötze hielten aber nicht,
so dass in Folge des leichten Gefälles die drei nun lichterlohn
brennenden Waggons dem Zug hinterherrollten.
Weil die Gleise dicht neben Häusern lagen, gefährdeten die fahrenden
Riesenfackeln alle Gebäude an der Bahn. Telegrafenmasten begannen zu
kokeln, das zweistöckige Wohnhaus des Schreinermeisters Hanssen mit
Hinterbau und Stallung wurde völlig eingeäschert, Dachstühle fingen
Feuer. Vor der Holter Schule blieben die Waggons endlich stehen, was zur
Folge hatte, dass die Schule bis auf die Grundmauern niederbrannte. Und
weil der scharfe Wind Funken durch die Gegend blies, fackelte einige
Stunden später auch noch die Gastwirtschaft „Zum Paradies“ in Auwel ab.
Fortan hieß die Geldrische Kreisbahn nur noch „Der feurige Elias“.