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METTENBUCH (2)

Heile uns an Leib und Seele

Pilgerreise zum Marienerscheinungsort Mettenbuch

HinweisschildDie Kirche mit den zwei Zwiebeltürmen des mächtigen Benediktiner-Klosters Metten in Niederbayern, 766 gegründet, weist den Weg.

Hier entlang geht es zur Erscheinungsstätte. Foto: Martin Willing (1998)

Die Straße führt links am Kloster vorbei und zweigt dann scharf rechts zum Ortsteil Mettenbuch ab. Die Gnadenstätte befindet sich, so habe ich gelesen, in einer Schlucht zwischen der Stadt Metten und dem Dörfchen Mettenbuch.

Elf Prozent Steigung, enge Kurven, wenige Häuser, dann freie, hügelige Landschaft vor postkartenschöner Bergkulisse des Bayrischen Waldes, deren schneebedeckte Kuppen das Sonnenlicht reflektieren. Mettenbuch ist ein winziges Straßendörfchen hoch oben auf der Hügelkette.

Das verwitterte Holzschildchen mit der Aufschrift „Zur Waldkapelle“ übersieht man leicht, nicht aber das bunte, kitschig wirkende Kruzifix aus Eisen, das an einer Wegkreuzung steht. Ich biege in den gut ausgebauten Wirtschaftspfad ein, der eine Sackgasse ist, aber das weiß ich noch nicht. Nach einem halben Kilometer endet die Fahrt unvermittelt auf dem Hof eines Privathauses. Verfahren?

Ich steige aus, werde von einem bellenden Bernhardiner empfangen und hoffe, dass der frei laufende Hund freundliche Absichten hat. Hinterm Haus sehe ich einen jungen Mann, den ich frage. „Etwa 100 Meter“, antwortet er mir. „Ja, diesen Weg“, bestätigt er, als ich ungläubig auf einen Schuppen zeige, an dem sich ein schmaler Fußweg vorbeischlängelt.

Gnadenkapelle im WaldNach wenigen Metern bin ich eingetaucht in ein Bild wie aus einer anderen Welt, das mich an Kinderjahre und Märchenerzählungen erinnert. Links von mir fällt eine kleine Schlucht ab, durch die ein Bächlein rinnt, auf der anderen Seite drückt sich ein Kapellchen an den Hang, so klein wie ein Puppenstübchen, beschützt von riesenhaften Bäumen.

Gnadenkapelle der "Trösterin der Betrübten" im Wald von Mettenbuch.
Foto: Martin Willing (1998)

Die Perspektive verschiebt die Dimensionen. Als ich näher komme, werden die Waldbäume normal groß, und die Kapelle wächst, immerhin, zu Ausmaßen eines Gartenhäuschens heran. Die Inschrift über der Eingangstür zeigt, was Mettenbuch mit Kevelaer verbindet. „Trösterin der Betrübten“, lese ich und bin als Kevelaerer berührt.

Diesen Titel trägt die Gottesmutter an sieben Gnadenstätten in der Welt: im thüringischen Helfta (1282), wo die Heilige Gertrud gelebt hat, in Luxemburg (1627), der „Mutter“ von Kevelaer, in Japan (1632), in Kevelaer (1642), in Mettenbuch (1876), im luxemburgischen Kayl (1947) und im deutschen Neuweier (1960). Nur Luxemburg und Kevelaer haben Bedeutung als Marienwallfahrtsorte erlangt, „Mettenbuch“ und „Kayl“ werden von der Kirche abgelehnt.

Es ist Karfreitag, später Vormittag, und ich befinde mich hier im Wald an einem, das weiß ich aus der Literatur, „verbotenen“ Ort. Ich bin der einzige Besucher, und alles, was ich höre, ist leises Plätschern des Baches. Die schmale Schlucht trennt das Marienkapellchen von einem mannshohen Kruzifix, vor dem ein blassblauer Rhododendron blüht. Hier, am Eingang der Gnadenstätte, die unter dem Dach hochkroniger Bäume von dem Kapellchen, dem Kreuz und der Gnadenquelle gebildet wird, liegt eine hässliche Betonfläche. Sie macht einen unfertigen Eindruck, als sei das Geld ausgegangen. Ein schmaler, steiler Waldweg führt mit mehreren Kehren hinab in die Schlucht. Wer nicht gut auf den Beinen ist, könnte stürzen. „Betreten auf eigene Gefahr“, warnt ein Schild. Auch der Bach, der sich hinabschlängelt, macht einen eher weltlichen Eindruck, denn sein Wasser ist, wie ein weiteres Warnschild unmißverständlich aufklärt, „Kein Trinkwasser!“

Ich steige die Treppenstufen, die vor nicht allzu langer Zeit gegossen worden sind, hinunter und sehe an der Betonwand, die den Eingangsbereich hält, einen verchromten Wasserkran. Er ist aufgedreht, und aus ihm läuft ein dünner Strahl. Drei Liter in der Stunde gibt die Gnadenquelle ab, mehr nicht.

InfotafelEine Steinplatte ist in die Mauer eingelassen. In sie hat ein Steinmetz gemeißelt: „Beim Gnadenwasserschöpfen 3 Ave beten mit der Bitte, Trösterin der Betrübten, heile uns an Seele und Leib!“ In der Entstehungszeit der Mettenbucher Wallfahrt hat diese winzige Quelle für die Gläubigen die gleiche Bedeutung gehabt wie die große in Lourdes.

Drei Ave Maria an der Gnadenquelle.

Wenig später stehe ich wieder vor der verschlossenen Kapelle, zu der, wie ich jetzt entdecke, von der anderen Seite ein Kreuzweg führt, der einfach mitten im Wald an einem holprigen Pfad beginnt. Der Kreuzweg wirkt verlassen, ist es aber nicht, wie frische Blümchen am Fuß der vierzehn Holzstationen, in die volkstümliche Bilder von der Passion eingelassen sind, mir zeigen.

In der Kapelle, so ist durch das Fenster zu erkennen, steht eine Madonnenstatue, die nicht mehr jene sein kann, die die Fürstin von Thurn und Taxis Anfang 1877 für den Mettenbucher Erscheinungsort hat anfertigen lassen. Die „fürstliche“ Skulptur war nämlich schon bald wieder entfernt worden, nachdem Helene von Thurn und Taxis von der bischöflichen Residenz in Regensburg erfahren hatte, dass die Kirche die Mettenbucher Erscheinungen als Täuschung ablehnte. Die Figur gilt heute als verschollen.

Das andächtige Ensemble im Wald von Mettenbuch lebt von der Stille, in das es eingebettet ist. Es rührt mich an, wie Menschen mit beschränkten Mitteln einen Ort, den sie als heilig empfinden, behüten. „Bitte hier keine Kerzen anzünden“, steht auf einem Zettel an der verschlossenen Tür der Gnadenkapelle. Das dürfte sich eher auf die Waldbrandgefahr beziehen und weniger auf die kirchliche Ablehnung, in deren Gefolge die Seher-Kinder von Mettenbuch mit unglaublicher Kälte verstoßen und in die Exkommunikation getrieben worden sind. Ich zünde an jeder Gnadenstätte, die ich auf meinen Forschungsreisen zu den Wallfahrtsorten besuche, eine Kerze an, egal ob kirchlich anerkannt oder nicht; hier ist es zum ersten Mal nicht möglich.

In der prächtigen, barocken Klosterkirche von Metten, wo in einer winzigen Seitenkapelle eine Madonnenstatue steht, hole ich das nach. Nirgendwo findet sich in der Kirche oder in den ausliegenden Schriften ein Hinweis auf die Erscheinungen von Mettenbuch vor 122 Jahren, obwohl der damalige Abt von Metten den Kindern geglaubt und die Ereignisse in einer Broschüre als wahrhaftig und tatsächlich geschehen dargestellt hat, noch bevor der Bischof von Regensburg das nach kanonischen Vorschriften durchgezogene Untersuchungsverfahren mit einem vernichtenden Urteil abgeschlossen hatte. „´Mettenbuch` ist noch nicht zu Ende“, hat einer seiner Nachfolger geäußert.

Nur Einweihte können den Grabstein einer „Therese Stettmeier geb. Strobl“ auf dem Klosterfriedhof, gleich vor der Kirche gelegen, einordnen. Hier liegt Theres Strobl begraben, das jüngste der Seherkinder, verstorben im Jahr 1962. 

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© Martin Willing 2012, 2013