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Die Führungskrise im CDU-Stadtverband Kevelaer, die sich nach dem
Rücktritt der drei Stellvertreter von Parteichef Thomas Selders
offenbart, ist kein gewöhnliches Personalproblem, das in Parteien immer
wieder mal aufbricht und das mit Nach- oder Neuwahlen erledigt werden
kann. Die Geschichte reicht tiefer und ist vielschichtiger.
Es
ist nicht zu kritisieren, dass Amtsträger zurücktreten, wenn sie eine
getroffene Mehrheitsentscheidung nicht akzeptieren können. Sie strebten
personelle Veränderungen nach der unglücklicherweise nicht
aufzuklärenden Fax-Affäre an, weil ihrer Meinung nach nur so der
Vorstand und die ganze Partei die Glaubwürdigkeit zurückgewinnen
könnten.
Es ist auch nicht zu kritisieren, dass Vorsitzender Thomas Selders
diesen Schritt nicht mitgegangen ist. Hätte er in dieser Situation
seinen Posten an der Spitze der Partei verlassen, wäre ihm das
unweigerlich als halbes Eingeständnis dafür vorgehalten worden, dass
doch etwas an dem ausgesprochenen Verdacht sei, das ruhmlose Fax stamme
aus dem Hause Selders. Damit wäre er seinem Vater Hannes Selders, der
sich verzweifelt gegen die Verdächtigungen wehrt, in den Rücken
gefallen.
Mit dem kollektiven Rücktritt der drei Stellvertreter von Thomas Selders
wird zwar die Partei in eine Führungskrise gestürzt, aber die ist zu
meistern und durch Wahlen relativ rasch zu beheben. Schlimm ist dagegen
der Kollateralschaden, den dieser spektakuläre Vorgang im Hause Selders
anrichtet: Nun wird, obwohl mit außergewöhnlicher Gründlichkeit von
technischen Fachleuten und Juristen die Herkunft des ominösen Faxes
untersucht worden ist, ohne ein klares Ergebnis zu
finden, erneut Hannes Selders in die Affäre hineingezogen. Denn, und so
denken nicht nur tumbe Stammtischbrüder, wenn drei gestandene
Vorstandsmitglieder dem Vormann im Dunstkreis der Fax-Affäre die
Gefolgschaft aufkündigen, könnte doch irgendwas dran sein an den
Vorwürfen.
In der Fax-Affäre muss man so langsam mal wieder auf den Teppich
zurückkommen! Wenn sich ein Sachverhalt nicht aufklären lässt, gehört es
zu den Regeln von Pflichten und Anstand, dieses zweifellos
unbefriedigende Ergebnis zu akzeptieren und - so wie es der
Parteivorstand einstimmig beschlossen hat - die Akte zu schließen. Weder
ist Nachtreten erlaubt, noch ist hinzunehmen, dass ehrenamtlich tätige
Kommunalpolitiker derart in die Mangel genommen werden, dass sie darüber
krank werden könnten.
Die Führungskrise besteht nicht in der Vakanz einiger Vorstandsämter,
sondern im Fehlen einer Persönlichkeit, die jetzt durchgreift und als
Mediator unter den Kontrahenten für die Rückkehr zu einem angemessenen
Miteinander sorgt. Es darf nicht so weitergehen, dass CDU-Mitglieder
zwar ihre Kollegen von SPD oder KBV höflich und korrekt als politische
Gegner bezeichnen, eigene Leute aber als Feinde empfinden.
Alle Beteiligten müssen bereit sein, das böse Spiel auf Null
zurückzusetzen und sich auf einen Neubeginn ohne rückwärts gerichtete
Vorbehalte einzulassen. Wie der künftige Vorstand aussieht, ist vor
diesem Hintergrund nicht die wichtigste Frage. Entscheidend ist, dass das Wort Ehrenamt seine wörtliche Bedeutung
zurückgewinnt. Es geht dabei nicht nur ums Amt, sondern auch um die
Ehrenhaftigkeit, mit der man es wahrnimmt.
Donnerstag, 31. Januar 2013
© Martin Willing 2012, 2013