Logo für Blattus Martini

Logo für Biografie Zwei Leben
Logo für Spurensuche
Logo für Willing-Evers GbR
Logo für das Archiv
Logo für Kontakt und Impressum
Logo für Button zurück zum Start

In den acht Wochen von Dezember 1932 bis Januar 1933 entschied sich das Schicksal

Hitler hätte verhindert werden können

Auch vor 80 Jahren gab es einen Advent. Aber in jenen Wochen des Jahres 1932 leuchtete nichts, sondern es brannte bereits lichterloh, ohne dass die deutsche Öffentlichkeit davon viel mitbekam. Der politische Machtwechsel in Deutschland kam auf leisen Sohlen. Wie verliefen die Tage vor der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler?

2. Dezember 1932
Reichskanzler Franz von Papen wird entlassen. Reichspräsident Paul von Hindenburg ernennt Kurt von Schleicher zum neuen Reichskanzler.

3. Dezember 1932
Schleicher will Hitler ausspielen: Er bietet Gregor Strasser, der als rechte Hand Hitlers gilt, die Ämter des Vizekanzlers und des preußischen Ministerpräsidenten an. Hitler dagegen verlangt "Alles oder Nichts". Er will nicht weniger als das Kanzleramt. Dieser Doktrin hat Strasser nichts entgegenzusetzen.

8. Dezember 1932
Strasser legt am 8. Dezember alle Ämter in der NSDAP nieder, was großes Aufsehen in der Partei erregt. Hitler und Goebbels sehen die Gefahr, dass nach dem Rücktritt des populären Strasser ihre Bewegung auseinanderfällt. Die ganze Nacht konferieren Hitler und Goebbels und beraten, wie sie am besten auf die parteiinterne Krise reagieren. Am Morgen steht die Entscheidung: Hitler übernimmt die Führung der politischen Organisation selbst, die von Strasser aufgebauten NSDAP-Strukturen werden aufgelöst.

9. Dezember 1932
Hitler spricht zu Gauleitern, Landesinspekteuren und Reichstagsabgeordneten seiner Partei und appelliert an ihre Treue. Es kommt zu keiner Revolte. Die Krise ist vorüber.

16. Dezember 1932
Schleicher ist 14 Tage im Amt des Reichskanzlers, da kritisiert sein Vorgänger Franz von Papen vor 300 Gästen im Berliner Herrenclub die neue Regierung und plädiert für eine Beteiligung der Nazis. Der Kölner Bankier Kurt Freiherr von Schröder, ein Hitler-Befürworter, nutzt die Gelegenheit und schlägt Papen vor, sich mit Hitler zu treffen, um die Möglichkeiten für einen Regierungswechsel auszuloten. Ende des Monats wird ein Treffen Hitler/Papen im Haus des Bankiers in Köln für den 4. Januar verabredet.

1. Januar 1933
Die "Frankfurter Zeitung" verkündet: "Der gewaltige nationalsozialistische Angriff auf den Staat ist abgeschlagen".

4. Januar 1933
Die Unterredung zwischen Papen und Hitler kommt in Köln zustande. Papen strebt seine erneute Reichskanzlerschaft an und will Hitler an prominenter Stelle beteiligen. Hitler dagegen lässt sich deswegen auf das Geheimtreffen mit Papen ein, weil Papen ein Günstling des Reichspräsidenten ist und er über Papen einen Zugang zu Hindenburg finden kann. Bisher lehnt Hindenburg eine Kanzlerschaft Hitlers kategorisch  ab. Das Geheimtreffen bleibt nicht geheim. Papen wird von der Presse fotografiert, als er vor dem Haus des Bankiers Schröder aus dem Taxi steigt. Hitler betritt das Haus über einen Hintereingang. Papen gewinnt aus dem Treffen den Eindruck, Hitler könne sich nun doch mit der Rolle eines Juniorpartners in der Regierung begnügen.

9. Januar 1933
Gegenüber Schleicher verheimlicht Papen, dass er mit Hitler über Schleichers Sturz gesprochen hat. Stattdessen signalisiert er Schleicher, Hitler sei nach seinem Gespräch mit ihm zu einer Beteiligung an einem Kabinett Schleicher offenbar bereit. Das teilt Papen auch dem Reichspräsidenten mit - diesmal aber mit der unausgesprochenen Erwartung, dass der Kanzler Papen und nicht Schleicher heißt. Der über die "Wende" erfreute Hindenburg bittet Papen, mit dem NSDAP-Führer im Gespräch zu bleiben.

10. Januar 1933
Zweites Treffen zwischen Hitler und Papen: Sie treffen sich in Berlin im Haus von Ribbentrop. Hitler wird zornig, als er erfährt, dass Hindenburg ihn weiterhin als Kanzler ablehnt. Er bricht die Gespräche ab.

16. Januar 1933
Hitler rechnet in einer scharfen Rede in Weimar mit Gregor Strasser ab, der ihm in den Rücken gefallen sei. Die Gauleiter versichern Hitler ihre absolute Gefolgschaft.

18. Januar 1933
Papen und Hitler treffen erneut zusammen. Hitler, der gerade in Lippe-Detmold ein glanzvolles Wahlergebnis für die NSDAP eingefahren hat, fordert die Kanzlerschaft. Papen erklärt, das könne er beim besten Willen nicht bei Hindenburg erreichen. Daraufhin erklärt Hitler, weitere Gespräche mit Papen seien sinnlos.

20. Januar 1933
Die Eröffnung des Reichstags wird vom 24. auf den 31. Januar verschoben. Bis dahin soll Reichskanzler Schleicher mit dem Zentrum über eine neue Regierungsbildung verhandeln.

22. Januar 1933
Hitler trifft in Berlin mit Ex-Reichskanzler Papen und Oskar von Hindenburg, dem Sohn des Reichspräsidenten, zusammen. Hitler besteht auf der Kanzlerschaft. Papen, der wiederum auf Hindenburgs Nein zu Hitler verweist, fordert für den Fall des Falles für sich das Amt des Vizekanzlers. Als Hitler dem zustimmt, verspricht Papen, sich für diese Ämterverteilung bei Hindenburg einzusetzen.

23. Januar 1933
Reichspräsident Paul von Hindenburg empfängt Reichskanzler Kurt von Schleicher. Dessen Wunsch nach Auflösung des Reichstages und Ausrufung des Staatsnotstands lehnt Hindenburg ab. Schleicher wird klar, dass sein "Kanzlersessel" wackelt. Nun fordert er von Hindenburg, mit der Auflösung des Reichstags und Aufschiebung von Neuwahlen einem Misstrauensvotum am 31. Januar zuvorzukommen. Hindenburg lehnt ab und sieht nur eine Möglichkeit: Ex-Kanzler Papen muss wieder Kanzler werden.

26. Januar 1933
Hindenburg verweigert Schleicher die Forderung, mit der "gesamten vollziehenden Gewalt im Reichsgebiet ohne Einschränkung und Befristung" beauftragt zu werden.

27. Januar 1933
Hitler fühlt sich in einer Sackgasse, bricht im Zorn alle Verhandlungen ab und kann nur mit Mühe davon abgehalten werden, von Berlin nach München abzureisen. Papens Versicherung, er bekenne sich nun uneingeschränkt zu einer Kanzlerschaft Hitlers, wendet Hitlers Stimmung. Er bleibt, und der entscheidende Moment, an dem die folgenden zwölf Jahre der Weltgeschichte einen anderen Verlauf hätten nehmen können, zieht vorüber.

29. Januar 1933

Schleicher tritt mit seiner Regierung zurück. Papen berät sich unverzüglich mit Hitler und Göring. Hindenburg bittet Papen, selbst ein Kabinett zu bilden - womöglich unter Beteiligung der NSDAP. Papen weiß, dass er jetzt keine Chance mehr hat, zum zweiten Mal Reichskanzler zu werden, und strebt eine Vizekanzlerschaft unter Hitler an, gegen den sich Hindenburg nicht mehr grundsätzlich zu wehren scheint. - Am späten Abend legt Papen dem Reichspräsidenten eine Liste mit konservativen und "gemäßigten" Ministerkandidaten vor, die einen Kanzler Hitler "einrahmen" sollen. Hindenburg lässt zum ersten Mal seine Zustimmung zu Hitlers Kanzlerschaft erkennen. Hitler wird für elf Uhr am nächsten Morgen zum Reichspräsidenten einbestellt zur Vereidigung.

30. Januar 1933
Hitler legt vor Hindenburg seinen Amtseid als Reichskanzler ab. Die Berliner NSDAP feiert die Machtübernahme, die in Wirklichkeit eine freiwillige Machtübergabe ist, mit einem Fackelzug. Am selben Abend wird Hitler gewährt, was Hindenburg noch vor vier Tagen Schleicher verweigert hatte: Auflösung des Reichstags.

Kampf- und geräuschlos wird in Deutschland die Demokratie aufgegeben. Die deutsche Öffentlichkeit erfährt es, nachdem der Zug abgefahren ist.

Dienstag, 4. Dezember 2012

© Martin Willing 2012, 2013