|
|
|
|
|
Nach ihm ist in Kevelaer eine Straße benannt - nach Karl W. Wenzel (* 1887, † 1947), dem wohl begabtesten Stummel-Schüler, dessen Bilder Raritäten-Wert haben, weil sein Atelier in Kevelaer und mit ihm viele Wenzel-Arbeiten im Krieg zerstört worden sind.
Der Kevelaerer Maler Karl W. Wenzel.
Zum 75. Jahrestag der Eröffnung des "Hauses der Deutschen Kunst" in
München, dem "krönenden" Abschluss der Nazi-Welle "Vernichtet die
entartete Kunst!", muss nachgefragt werden: Warum stellte auch Wenzel
dort aus? Warum durfte Wenzel dort vertreten sein, während viele seiner
Künstlerkollegen im Deutschen Reich als "entartet" eingestuft und mit
Berufsverbot belegt wurden?
Wenzels unbestreitbare "Anpassungsfähigkeit" während der Nazi-Jahre wird
zum ersten Mal in einer Zeitungsnotiz belegt, die im August 1940 im
Kevelaerer Blatt erschienen ist. Dort heißt es: "Ein Führerbild ist z.
Zt. im Schaufenster der Zigarrenhandlung Müller auf der Hauptstraße
ausgestellt. Das Oelgemälde, das den Führer in fast Lebensgröße vor
heroischer Landschaft zeigt, ist ein Werk unseres heimischen Malers Karl
Wenzel".
Lange nach seinem Tod (1947) machte in der regionalen Literatur der
Kulturhistoriker Dr. Peter Lingens auf Wenzels "braune Flecken" in der
Vita aufmerksam. Dagegen verwahrte sich Wenzels Tochter Gerte
Paessens-Wenzel (* 1915, † 2006) energisch und nachhaltig. Ihr lag sehr
daran, die Erinnerung an ihren Vater "rein" zu halten.
Aber es kann keinen Zweifel geben, dass Wenzel sein Kunstschaffen dem
damaligen "Geschmack" angepasst hat, und dafür gibt es außer dem
"heroischen Führerbild" in Kevelaer weitere Belege. Lingens führt ein
großes Wandbild in Rheine an - einen mehr als sieben Meter hohen Sämann
an einem Getreidesilo, von Wenzel vorgeschlagen, 1937 von ihm gemalt,
versehen mit dem Hitler-Zitat "Die Sicherheit des täglichen Brotes ist
die Voraussetzung für die Freiheit eines Volkes" (der Spruch wurde nach
dem Krieg übermalt). 1941/42 preist der "Geldrische
Heimatkalender" Wenzels stromlinienförmige Kunst jener Zeit und erwähnt zahlreiche
Aufträge von staatlichen Stellen und betuchten Nazis. Besonders seien
seine Hitler-Porträts geschätzt gewesen.
In dem "Haus der Deutschen Kunst" in München, einem "Paradies für arische
Kunst", im Juli 1937 von Hitler eröffnet, stellte der Kevelaerer Maler
1943 aus. Seine zwei, drei Ölgemälde, mit denen er dort vertreten war,
wurden offenbar auch verkauft. Auch bei der Ausstellung "Künstler aus
dem Gau Essen" im Folkwang-Museum war Wenzel, wie Lingens belegt, mit
Aquarellen und Radierungen vertreten.
Ihr Vater sei kein Anhänger der Nazis gewesen, habe Tochter Gerte immer
wieder betont, berichtet Lingens (Peter Lingens, Kirchenmaler vom
Niederrhein, Geldern 1998). Sein Fazit: "Wenzels Engagement in jenen
Jahren und sein Erfolg unter den Nationalsozialisten sind offensichtlich
das Ergebnis von vier zusammenfliessenden Faktoren: Der weitverbreiteten
Begeisterung in der Bevölkerung für den 'Führer' und seine Politik, der
sich Karl Wenzel nach Quellenlage nicht verschloß; Wenzels Streben nach
Anerkennung und Publizität; der wirtschaftlichen Notwendigkeit, jeden
Auftrag anzunehmen sowie die Tatsache, daß Wenzels gediegene,
realistische Malweise und seine Befähigung zu monumentalen Darstellungen
genau den Vorstellungen der nun herrschenden Auftraggeber entsprachen,
obwohl sie doch eigentlich der christlichen Kunst der Jahrhundertwende
entsprangen."
Wenzel ist nicht vorzuwerfen, dass er seine Kunst den damaligen
Anforderungen "angepasst" hat, um seine große Familie ernähren zu
können. Ein Vorbild aber ist er nicht. Während ungezählte
Künstlerkollegen ihrer Kunstauffassung treu blieben und sich lieber als
"entartet" ausgrenzen ließen (was Berufsverbot, Verarmung und oft
Emigration zur Folge hatte), ging Wenzel den leichteren Weg.
Die Kevelaerer, die nach ihm eine Straße in Kevelaer benannt haben,
wussten es wohl nicht besser. Aber heute wissen wir es besser.
Wer an die Aufrechten, die Widerstand in der Hitler-Zeit geleistet
haben, und die Opfer des Nazi-Regimes denkt, empfindet den Namen
"Karl-Wenzel-Straße" eher als deplatziert.
Freitag, 20. Juli 2012
© Martin Willing 2012, 2013