Werth, Maria
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Lehrerin an der Winnekendonker Overbergschule
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* 1915
"Aber
bringen Sie nicht zu viel über mich!“ Das war ihr erster Satz im
Gespräch mit dem Kävels Bläche, als sie 80 wurde. Und der letzte klang
ähnlich: „Ich möchte nicht im Mittelpunkt stehen.“ Sie stand Zeit ihres
Lebens nicht im Mittelpunkt, wohl immer vorn - vor ihren Klassen. Am 1.
April 1955 hatte sie ihren Dienst an der
Winnekendonker Volksschule
begonnen.
Tausend Kinder mögen durch ihre Schule gegangen sein; viele erinnern
sich an sie wie an eine gute, liebe Bekannte.
Es gibt keine Zweifel: Maria Werth war eine konservative Lehrerin,
freilich eine, die sich Respekt nicht durch Schläge verschaffte. Sie
achtete jedes Kind. Nie kam eine Herabsetzung über ihre Lippen.
Allerdings konnte sie mit faulen Kindern „Schlitten fahren“. Damals
fanden sie „Fräulein Werth recht streng“, heute loben sie, wie gerecht
die Lehrerin war. Den Lernschwachen half sie nachmittags auf die
Sprünge. Kostenlos. Stolz war sie auf ihre Blockflötengruppe. Auch sie
übte nachmittags - und kostenlos.
Als die antiautoritäre Erziehung aufkam, litt sie, weil sie die Folgen
ahnte. Ein Mädchen kam zu ihr: Kameraden einer anderen Klasse müssten
nur lernen, wenn sie Lust hätten. Maria Werth nahm das Kind beiseite:
„Was passiert, wenn deine Mutter nur kocht, wenn sie Lust hat?“ Die
Kleine blieb eine fleißige Schülerin.
Maria Werth erzählte damals: „Ich war Lehrerin mit Leib und Seele.“ Dann
blitzte es lieb in ihren Augen: „Bei den ganz Kleinen musste ich mich
manchmal beherrschen, dass ich die nicht alle der Reihe nach geholt und
gedrückt hab´.“
Warum sie nie geheiratet hat? Sie öffnete ihre Hände. „Der Herrgott hat
es so gemacht, wie es für mich am besten war.“
Ihre Wohnung war damals wie eine kleine Ausstellung für ihre
Beliebtheit: An den Wänden, in den Regalen, im Schrank waren die
Geschenke verewigt, die ihre Schützlinge gebastelt hatten.
Handarbeit war das Lieblingsfach von Maria Werth. Ihr gelang alles, was
sie in die Finger nahm. Als sie Mitte 70 war, lernte sie noch das
Klöppeln.
Über viele Jahre besuchte sie die Klassentreffen ihrer Ehemaligen und
stieß immer auf Achtung. Als sie Mitte 80 war, siedelte sie nach
Dortmund in ein Seniorenheim um und wurde zunehmend gebrechlich.
Beerdigt wurde sie in dem Dorf, in dem sie so lange Kinder begleitet
hatte: in Winnekendonk. Manchmal machen Ehemalige, wenn sie zu
Klassentreffen im Golddorf zusammenkommen, noch heute einen Schlenker
über den Friedhof und Halt an ihrem Grab. Sie denken gern an „Fräulein
Werth“ zurück.