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► Nachfolgend das vollständige Interview, das Delia Evers 1999 mit dem Bäckermeister führte.
Seit dem 1. Juli 1973
arbeiten Sie hier an der Basilikastraße. Geht Ihre Liebe zur Backkunst
noch weiter zurück?
Bis in meine Kindheit! Meine Mutter backte fast alles selbst, nur die
großen Brote nicht; dafür knetete sie den Teig, und ich brachte ihn zum
Ausbacken in eine Bäckerei.
Und holten ihn später wieder ab?
Nein, ich blieb dort - oft stundenlang. Ich konnte mich von dem Duft und
den Backwaren nicht trennen. Ich habe mich über jedes schöne Brot
gefreut; das tue ich bis heute.
Sie sind in einer Arbeiterfamilie aufgewachsen. Ihr Vater war
Schreiner bei den GeGe-Werken in Weeze.
Eine prägende Zeit für mich! Ich war das viertälteste Kind von acht -
und das erste, das einen Beruf erlernen durfte. Dafür bin ich meinen
Eltern dankbar. - Damals in der Lehre hat niemand gefragt, wie lange
gearbeitet werden musste, was zu tun war und was man am Ende dafür
bekam.
Eine wichtige Erfahrung für Sie, als Sie sich anschickten, selbst
Unternehmer zu werden?
Bestimmt! Ich hatte schon früh den Kopf voller Ideen, wie ich eine
eigene Bäckerei „anpacken“ würde; und ich dachte, wenn ich andere
wirtschaften sah und meinen Stundenlohn betrachtete: Das kriegst Du auf
eigene Rechnung hin.
Sind die Erfahrungen aus dieser Zeit für Sie noch wichtig?
Meine Frau Christa und ich arbeiten bis heute dafür, dass unsere
Mitarbeiter sich bei uns wohl fühlen. Das klappt augenscheinlich: Die
Fluktuation ist sehr gering, obwohl wir unseren Stamm von zunächst
sieben auf 30 Angestellte ausgebaut haben; einige sind von Anfang an
dabei. Ein zweites Anliegen: Wir sehen zu, dass unsere Leute gut von
ihrem Geld leben können. Und ein drittes: Sie qualifizieren sich
ständig. Niemand, der bei uns vernünftig gearbeitet hat, ist jemals
brotlos geworden.
Trifft das auch auf Ihre Auszubildenden zu?
Im Laufe der Jahre waren bei uns über 50 Jugendliche in der Lehre. Wir
haben uns viel Mühe mit den jungen Leuten gemacht, besonders mit denen,
die nicht die besten Voraussetzungen mitbrachten. Jeder, der wollte, hat
später in seinem Beruf einen Arbeitsplatz gefunden.
Bevor Sie mit Ihrer Frau den Betrieb aufbauten, haben Sie noch ganz
andere Qualitäten an den Tag gelegt: Unter der Narrenkappe.
Jahrelang bin ich in meiner Heimatgemeinde Weeze für den MGV und die
Kolpingfamilie in die Bütt gegangen. Einmal (er schmunzelt) hieß es
später in der Tageszeitung: „Der Saal drohte einzuschlafen, aber dann
kam Paul Vloet...“ Als ich mich 1973 mit der Bäckerei selbstständig
machte, war mir klar, dass ich dafür keine Zeit mehr haben würde.
Trotzdem haben Sie sich nach weiteren Aufgaben umgesehen.
Nach einigen Jahren Selbstständigkeit habe ich Bilanz gezogen und
festgestellt, dass außer Backen, Schlafen und Familie nicht viel los
war. Ich wollte noch etwas anderes machen. Da lag die Arbeit in der
Bäckerinnung nahe.
Es ist kein Geheimnis, dass Sie von der Innung für meisterliches
Schaffen, Berufsethos und berufsständische Treue hochgeschätzt werden.
Die Innung hat Sie zehn Jahre lang zum stellvertretenden Obermeister
gewählt. Seit zwei Jahren stehen Sie an der Spitze. Dazu kommen
zahlreiche weitere Ehrenämter. Warum machen Sie das?
Das hat mit der Liebe zu meinem Beruf zu tun. Davon möchte ich möglichst
viel an andere weitergeben. Das fängt mit dem Gefühl für ein schönes,
makelloses Brot an und hört bei dem wunderbaren Duft in einer Bäckerei
lange nicht auf. Darum gehört für mich die Produktion unbedingt hinter
den Verkaufsbetrieb.
Die Konkurrenz besonders durch die Einkaufsmärkte ist groß. Wie
kommen selbstständige Bäcker damit zurecht?
Für mich war eine rationelle Produktion schon 1973 wichtig. Die aber war
nicht für einen einzelnen Betrieb zu machen. Bald kam Walbeck dazu. Und
wir belieferten etliche Wiederverkäufer. Zudem fuhren wir morgens
täglich über 1000 frische Brötchen aus. Das kann heute niemand mehr
bezahlen. Wichtig geblieben sind die Frische - bei uns werden den ganzen
Tag über alle zehn Minuten bis 18 Uhr frische Brötchen angeboten -
Qualität, Vielfalt und ein qualifiziertes Verkaufsteam. Wir haben eine
Topmannschaft!
Haben Sie im Laufe Ihres „Bäckerlebens“ schlechte Erfahrungen
gemacht?
(Zögert) Ich war noch nicht einmal Lehrling, als ich in einer Bäckerei
aushalf. Dabei geriet mir der Stiel eines Backschiebers ins Gesicht. Ich
verlor ein Auge. Mein Vater wollte kaum glauben, dass ich ausgerechnet
in dieser Bäckerei meine Ausbildung beginnen wollte.
Und schöne Erfahrungen?
Ich freue mich sehr, dass mein Sohn Georg ebenfalls die Liebe zur
Backstube entdeckt hat, wie längst auch unser kleiner Enkelsohn Manuel.
Georg ist jetzt seit 15 Jahren Meister. Schwiegertochter Manuela
arbeitet ebenfalls im Betrieb mit. Sie ist Einzelhandelskauffrau,
kümmert sich um die EDV und natürlich neben Manuel auch um ihr zweites
Kind Christina.
Sie haben Ihr Zuhause seit vielen Jahren in Kevelaer.
Ja! Kevelaer ist mein Zuhause. Ich finde die Stadt wunderbar!
Soweit das Interview.
► Seine Einstellung zu seinen Angestellten zeigte Paul Vloet, als er 1998 das 25-Jährige des Betriebs feierte. Sie waren seine Ehrengäste. Das KB schrieb:
Paul und Christa Vloet haben über 200 Menschen eingeladen, die ihnen
lieb und wichtig sind: Allen voran die eigene Belegschaft.
Die Standesvertreter kamen „von allein“; sie wollten den Rahmen für eine
Auszeichnung nutzen. Der Verband des Rheinischen Bäckerhandwerks verlieh
Paul Vloet wegen seiner großen Verdienste die Ehrenmedaille des
Verbandes.
Normalerweise, meinte der stellvertretende Landesinnungsmeister Klaus
Stendebach, bekomme man das Metall erst bei sehr vielen Verdiensten am
Ende einer Berufslaufbahn. Paul Vloet habe es sich bereits jetzt
verdient, so wie viele andere Ehrungen auf höchster Ebene und so wie
seit Jahren viele Goldmedaillen für beste Bäckerqualität.
Dann zeigte Paul Vloet, dass ihm an diesem Abend noch etwas anderes
wichtig war: Er rief seine Christa auf die Bühne und erzählte, dass sie
auf den Tag genau seit 37 Jahren verheiratet seien. „Wir haben
zusammengehalten in guten und in schlechten Tagen“, sagte er bewegt,
bevor wieder der Schalk durchkam:
„Die schlechten Tage haben wir abgeschafft. Es gibt nur noch gute!“