Verbrauchermarkt - der erste in Kevelaer
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1911 errichtete die
„Konsum-Genossenschaft Eintracht" den ersten Supermarkt
Kampf der Einzelhändler gegen einen Verbrauchermarkt in
Kevelaer - den ersten überhaupt, der in Kevelaer eröffnen sollte. Das
war im Jahr 1911. Damals ging es um ein Konsum-Geschäft.
Am 5. April 1911 meldete das Kävels Bläche:
► "Kevelaer, 4. April. Wie uns
mitgeteilt wird, wurde am vorigen Sonntag abend die bereits seit
längerer Zeit projektierte Konsum-Genossenschaft definitiv gegründet.
Die Zahl der Anteilzeichner beträgt über 200."
Es handelte sich um die „Konsum-Genossenschaft Eintracht“, die den
ersten Verbrauchermarkt weit und breit errichten wollte. Ziel war es,
ärmeren Schichten der Einwohnerschaft Waren preiswerter als im
traditionellen Einzelhandel anzubieten. Im Juni 1911 wurde der
Verbrauchermarkt in einem angemieteten Ladenlokal an der Ecke
Anna-/Küstereistraße
[heute: Busmannstraße] eröffnet.
Die Einzelhändler Kevelaers fühlten sich durch das neue
Angebot alarmiert. In direkter Reaktion auf die sich anbahnende
Konkurrenz wurde - drei Wochen nach Gründung der Konsum-Genossenschaft -
der „Verein zum Schutze von Handel und Gewerbe“ ins Leben gerufen, einer
der Vorgänger des heutigen
Verkehrsvereins.
Der Schutzverein wurde im Saal von Leonhard Aengenheyster aus der Taufe
gehoben. Etwa 70 Gewerbetreibende aller Branchen waren der Einladung
gefolgt, 45 trugen sich sofort als Mitglieder ein. Severin Aengenheyster
leitete die Gründungsversammlung. Einzelhändler Hermann Ebus verlas die
Statuten. Danach hatte der Verein diese Ziele:
• Vertretung der gemeinschaftlichen
Interessen,
• Abwehr von Übelständen im Handel und
Verkehr,
• Hebung des Standes im allgemeinen.
Severin Aengenheyster wies den Vorwurf der Arbeiterfeindlichkeit, der
ihm aus dem Lager des Konsumvereins gemacht worden war, energisch
zurück. Das KB berichtete seinerzeit:
► "Er habe den Bestrebungen der
Arbeiter stets sehr sympathisch gegenüber gestanden und stehe auch heute
noch auf dem Boden der christl. Gewerkschaft. Das hindere ihn aber
nicht, alles gut zu heißen, was die Arbeiter unternähmen. Er sehe in der
Gründung von Konsumvereinen ein unberechtigtes Eindringen in andere
Stände, und er erblicke in der Gründung dieser Vereine eine große Gefahr
für den Arbeiterstand selbst, der sich dadurch den Aufstieg in eine
sozial höhere Stufe unterbinde. Die Erfahrung lehre, daß die kleinen
Detaillisten, die aus dem Arbeiterstand hervorgegangen sind, die ersten
Opfer der Konsumvereine würden und sich gezwungen sähen wieder in die
Reihe der Arbeiter zurückzutreten."
Um der neuen Konsum-Konkurrenz wirksam zu begegnen, führten die
Kaufleute im Verein zum Schutze von Handel und Gewerbe im Mai 1911 das
Rabattmarkensystem ein, an dem sich bald 48 Firmen beteiligten. Sie
ließen die Kundschaft wissen:
► "Der Rabatt, den der Kunde […] bei
den Mitgliedern der Rabattabteilung erhält, ist wesentlich größer als
jener, den er von Konsumvereinen in Form einer Dividende am Schlusse des
Jahres bekommt."
Im übrigen sei die Auswahl beim
Konsum dürftig, während der
Käufer in den Rabattspargeschäften „alle erdenklichen Waren, mit wenigen
Ausnahmen, gegen Rabatt haben kann“. Der Rabatt von vier Prozent werde
mitnichten vorher aufgeschlagen, versicherte das KB seinen Lesern.
Dessen ungeachtet trafen sich im Mai 1911 die Konsum-Mitglieder im
Hotel Dreikönige zur ersten Generalversammlung. Die Firma, die den
Verkaufsladen betrieb, war die Konsumgenossenschaft Eintracht G. m. b.
H., die von einem Aufsichtsrat kontrolliert wurde. Dem stand Carl Coché
vor. Auf der Generalversammlung wurde zur Eintracht gemahnt. Der Friede
müsse unter allen Umständen gewahrt werden, auch „mit den
entschiedensten Gegnern“. Über die Versammlung schrieb das KB:
► "Aus dem nun folgenden Berichte über
die bisherige Tätigkeit des Vorstandes und des Aufsichtsrates entnehmen
wir, daß das Haus Küsterei- und Annastraße-Ecke (G. Terporten) als
Geschäftslokal gemietet worden ist, d. h. nur die nach der Annastraße
liegenden Räumlichkeiten im Erdgeschoß. Die Miete beträgt 275 M. Eine
Ladeneinrichtung ist ebenfalls sehr billig beschafft. Die Wahl der
Verkäuferin steht noch aus. Die Mitglieder wurden gleichzeitig gebeten,
tunlichst bald ihre An-teile einzuzahlen. Im Laufe dieser Woche werden
zwei Genossen die ersten Beiträge derjenigen Mitglieder, welche auf ihre
Anteile noch nichts eingezahlt haben, in den Wohnungen abholen. Die
allseits rege einsetzende Diskussion beseitigte unter den Mitgliedern
manche Unklarheiten. Es steht zu hoffen, daß der Betrieb im Juni
eröffnet werden kann."
Wie sich das Ladengeschäft der Konsum-Genossenschaft
entwickelte, darüber liegen keine Informationen vor. Die nächste
Nachricht zu diesem Thema erschien im KB Mitte 1913, und zwar in Form
eines Nachrufs der Genossenschaft:
► "Es hat Gott, dem Allmächtigen,
gefallen, unsern allverehrten Vorsitzenden des Aufsichtsrates der
Konsum-Gesellschaft „Eintracht“
Herrn Carl Coché
zu Sich in die Ewigkeit zu nehmen. Wir verlieren in ihm einen
umsichtigen Leiter, Berater und Mitarbeiter, dessen Verlust wir
schmerzlich empfinden. Wir werden ihm stets ein treues Andenken
bewahren.
Der Aufsichtsrat und Vorstand"
Im Frühjahr 1914, wenige Monate vor Ausbruch des Ersten
Weltkriegs, berichtete das KB über eine weitere Versammlung der
Konsum-Genossenschaft:
► "Kevelaer, 27. März. Am vergangenen
Sonntag tagte im 'Adlersaale' hierselbst die General-Versammlung der
Konsum-Genossenschaft 'Eintracht'. (…) äußerten sich verschiedene Redner
über das - gelinde gesagt - unkorrekte Verhalten verschiedener hiesiger
Ortskartelle des Reichsdeutschen Mittelstandverbandes gegenüber dem
Konsum-Verein 'Eintracht' und dessen Mitglieder, besonders der
Lieferanten. Nach den verschiedenen Berichten über die Behandlung der
Mitglieder der Genossenschaft bei Gelegenheit der Gründungsversammlungen
der Ortskartelle und der Mitteilung, daß auf einer Versammlung des
Mittelstandverbandes die Parole ausgegeben sei, die Lieferanten der
Genossenschaft 'Eintracht' zu boykottieren, wurde verlangt, dasselbe
Mittel anzuwenden und alle Einkäufe ausschließlich nur bei den
Mitgliedern und Lieferanten der Genossenschaft zu decken. Die Gegner der
Genossenschaft müßten vollständig ausgeschaltet werden. Diesem
Vorschlage wurde von der Versammlung begeistert zugestimmt."
Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Reihen
geschlossen. Im Angesicht der allgemeinen Not während der belgischen
Besatzungszeit rückten die Konkurrenten offenbar näher zusammen. Alle
Vertretungen aus dem Einzelhandel, auch die Konsum-Genossenschaft, gaben
sich ein gemeinsames Dach, das sie „Wirtschaftliche Vereinigungen
Kevelaers“ nannten.
1930 gab es den Konsum-Laden an der Küstereistraße immer noch (nicht zu
verwechseln mit dem „Cölner Consum-Geschäft“ an der Marktstraße 27, das
bis 1937 existierte). Er zeigte in einer Anzeige an, dass er die
Verkaufsstelle zur Basilikastr. 40 verlegt habe.
Dann verlieren sich seine Spuren.