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Todesstrafe am Niederrhein und in Europa

Barbarische Bestrafung im Wandel der Geschichte

Noch heute nehmen sich Staaten das Unrecht heraus, verurteilte Menschen zu köpfen, aufzuhängen, zu vergiften oder zu erschießen. Zu diesen Barbaren-Ländern mit praktizierter Todesstrafe zählen außer China und Japan neben vielen anderen auch die USA. Die DDR schaffte die Todesstrafe erst 1987 ab. Zuletzt wurden die Delinquenten in Ostdeutschland von hinten erschossen, zuvor waren sie unter die Guillotine geschoben und enthauptet worden.

Staatlich geschützte Totschläger verrichteten in Belgien und Dänemark bis 1950, in den Niederlanden bis 1952, in Spanien bis 1975 und in Frankreich sogar bis 1977 ihren blutigen Dienst. In diesen und den meisten anderen europäischen Ländern ist die Todesstrafe inzwischen abgeschafft. Als einer der Nachzügler kam 1969 der Vatikan in die Pötte und entfernte diese Bestrafung aus dem Strafregister des Papst-Staates.

Auch der Niederrhein war ein Eldorado für Henker. Herzog Karl von Geldern bedrohte im April 1528 jeden, der "mit der Lehre Luthers sich beflecken" und in Privat- oder Wirtshäusern über evangelische Thesen reden würde, mit der Todesstrafe. Wie am Fließband wurden im Jahr darauf Anhänger der lutherischen Lehre zu Tode gemartert, nachdem ihre Gesichter zuvor als Ketzer gebrandmarkt worden waren. Ihr Vermögen kassierte der katholische Terror-Herzog natürlich ein.

1550 wurden unter Kaiser Karl V. Protestanten hingerichtet: die Männer geköpft, die Frauen lebendig begraben. Das galt aber nur für die einsichtigen "Ungläubigen". Wer sich hartnäckig zum Protestantismus bekannte, wurde als Unbelehrbarer bei lebendigem Leib verbrannt, egal ob Frau oder Mann. Diese Art der Bestrafung für "Häresie" wurde von König Philipp II., dem Herrscher über die Spanischen Niederlande und damit auch über den Raum Geldern/Kevelaer, 1556 ausdrücklich bestätigt.

Die Todesstrafe blieb Jahrhunderte lang an der Tagesordnung. Sie war gewohnte Bestrafungspraxis am Niederrhein, ohne dass sich darin die wechselnden Herrscher - mal die Spanier, mal die Preußen, mal die Franzosen - unterschieden.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es hierzulande zum ersten Mal eine Zeitspanne ohne Todesstrafe. Die Nazis führten sie wieder ein. Hitler entschied 1936, dass sie künftig mit der Guillotine zu vollstrecken sei.

In den Niederlanden wurde die Todesstrafe nach dem Überfall durch die Deutschen (Mai 1940) als Disziplinierungsmittel gegen die eigene Truppe missbraucht: Sergeant Johan Christiaan Meijer, der seinen Posten verlassen hatte, war der erste niederländische Soldat, der als "Deserteur" verurteilt und erschossen wurde.

In der Endphase des Zweiten Weltkriegs fielen Tausende deutscher Soldaten der Willkürjustiz von Standgerichten zum Opfer, während Millionen von Menschen nicht einmal den Hauch eines Gerichtsverfahrens zu spüren bekamen, sondern kaltblütig und fabrikmäßig im deutschen Namen ermordet wurden.

Die ohnmächtige Wut über die Besetzung und Ausbeutung der Holländer durch den deutschen Verbrecherstaat brach sich nach der Befreiung in den Niederlanden Bahn. In keinem anderen europäischen Land wurden soviele eigene Landsleute als Kollaborateure zur Rechenschaft gezogen wie in Holland. Die Zahl der 1945 Verhafteten war so groß, dass sie die Internierungskapazitäten sprengten und die Gerichte restlos überforderten. Die Sondergerichtsbarkeit der Niederlande konzentrierte sich alsbald auf die "Haupttäter". Die eigens für die Bestrafung der schlimmsten Verräter wiedereingeführte Todesstrafe traf Hunderte Verurteilte, allerdings wurde die Strafe nur in relativ wenigen Fällen auch vollzogen. Anton Adriaan Mussert war einer der Todeskandidaten: Der niederländische "Ober-Nazi", unmittelbar nach der Befreiung am 7. Mai 1945 verhaftet, Ende 1945 zum Tode verurteilt, wurde 1946 hingerichtet.

© Martin Willing 2012, 2013