Logo für Blattus Martini



Logo für Buchstaben A Logo für Buchstaben B Logo für den Buchstaben c Logo für den Buchstaben d Logo für den Buchstaben e Logo für den Buchstaben f Logo für den Buchstaben g Logo für den Buchstaben h Logo für den Buchstaben i Logo für den Buchstaben j Logo für den Buchstaben k Logo für den Buchstaben l Logo für den Buchstaben m
    SACHBEGRIFFE |
Thälmann, Ernst

... und der Nachkriegsprozess gegen einen Lehrer in Geldern  

Ernst ThälmannDie Kevelaerer gaben bei der Reichspräsidentenwahl am 13. März 1932 die meisten Stimmen dem amtierenden Präsidenten Hindenburg. 3.558 Kevelaerer votierten für ihn, für Hitler sprachen sich nur 746 Kevelaerer aus. Überraschend gut schnitt der Kommunistenführer Ernst Thälmann in der Wallfahrtsstadt ab: 172 Kevelaerer wählten ihn und damit die KPD.

Ernst Thälmann (* 1886, † 1944) war von 1924 bis 1933 Mitglied des Reichstags der Weimarer Republik und von 1925 bis 1933 Vorsitzender der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD).

Insgesamt verfehlte Hindenburg knapp die absolute Mehrheit, so dass für den 24. April ein zweiter Wahlgang im Deutschen Reich angesetzt wurde. In Kevelaer lief es für Hindenburg auch diesmal hervorragend (3.547 Stimmen). Hitler verbesserte sich von 746 auf 866 Stimmen, und zwar hauptsächlich auf Kosten von Thälmann, den nur noch 120 - statt 172 - Kevelaerer wählten. Hindenburg blieb Reichspräsident. Hitler und Thälmann hatten mit 36,8 bzw. 10,2 Prozent der Stimmen das Nachsehen.

Es dauerte nur ein Dreivierteljahr, bis alles in Deutschland umgekrempelt war: Im  Januar 1933 nahm mit der Ermächtigung des Reichskanzlers Hitlers die deutsche Tragödie ihren Anfang. Kaum zwei Monate im Amt, ließ Hitler den KPD-Führer Ernst Thälmann und viele andere Oppositionelle verhaften. Thälmann, am 3. März 1933 in Berlin festgesetzt, wurde des Hochverrats beschuldigt. Der Kommunistenführer war zunächst im Untersuchungsgefängnis Berlin-Moabit eingeschlossen. Hitler verfügte 1935, den vorbereiteten Prozess gegen Thälmann einzustellen, weil "befürchtet" wurde, dass der Angeklagte höchstens mit 15 Jahren Freiheitsentzug bestraft werden würde. Thälmanns Untersuchungshaft wurde in Schutzhaft umgewandelt, womit sich die Nazis einen Freibrief für unbegrenzte Inhaftierung beschafften.

1939, nach Abschluss des Hitler-Stalin-Pakts, hoffte die Ehefrau Thälmanns auf Hilfe durch Stalin und trug in der sowjetischen Botschaft in Berlin eine entsprechende Bitte vor. Aber Stalin setzte sich nicht für Gefangenen ein.

Ernst Thälmann wurde 1943 vom Gerichtsgefängnis Hannover in die Haftanstalt Bautzen verlegt. Im Jahr darauf verhafteten die Nazis seine Tochter Irma und Ehefrau Rosa und lieferten sie ins Konzentrationslager Ravensbrück ein.

Am 14. August 1944 ordnete Hitler in seinem Hauptquartier "Wolfsschanze" in Ostpreußen die Ermordung Ernst Thälmanns an. Drei Tage nach dem Todesbefehl wurde Thälmann ins Konzentrationslager Buchenwald verbracht und am 18. August erschossen. Seine Leiche wurde unverzüglich im Krematorium verbrannt. Die Nazi-Propaganda log der Öffentlichkeit vor, Thälmann wäre bei einem Bombenangriff am 24. August ums Leben gekommen.

Briefmarke Ernst ThälmannDass sein Name nicht in Vergessenheit geriet, dafür sorgte die Führung der DDR, die Ernst Thälmann wie einen Heiligen verehrte und zum Sinnbild des kommunistischen Widerstands aufbaute. Der Arbeiterführer war im Leben der DDR-Bürger allgegenwärtig - kaum eine Stadt, die keine Ernst-Thälmann-Straße besaß. Und Margot Honecker wusste ihre Volksgenossen immer wieder zu belehren: "Ihr wisst, sein Leben war dem Kampf um die höchsten Ideale der Menschheit gewidmet".

Die Mörder Thälmanns waren unbekannt, bis 1947 ein ehemaliger Häftling des KZs Buchenwald in einem Radiobericht auf einen Wolfgang Otto verwies. Seitdem galt Otto als Verdächtiger, ohne dass juristische Schritte gegen ihn eingeleitet wurden. Erst nach einer Kampagne in der DDR (1962) kam es in den folgenden 25 Jahren zu sieben Ermittlungsverfahren gegen Otto - jedesmal erfolglos. Ein Auslieferungsersuchen der DDR wurde abgelehnt.

Wolfgang Otto (* 1911 in Kattowitz, † 1989 in Geldern) war vor dem Krieg Lehrer von Beruf. 1939 wurde er zur Waffen-SS einberufen und im KZ Buchenwald eingesetzt. Als Angehöriger des SS-Totenkopf-Sturmbanns Buchenwald übte er zunächst Wachaufgaben aus und wurde 1943 „Spieß“ der Lagerkommandantur. Zugleich war er Leiter des Kommandos 99, des Exekutionskommandos des Konzentrationslagers. Bei zahlreichen Hinrichtungen war Wolfgang Otto anwesend. Ihm oblag es, die Exekutionen zu terminieren, den reibungslosen Ablauf zu organisieren und die Spuren zu verwischen.

Otto wurde nach der Befreiung vom NS-Regime durch die Alliierten verhaftet. Er gehörte zu den 30 Beschuldigten im Buchenwald-Prozess und wurde wegen Mithilfe und Teilnahme an den Gewaltverbrechen im KZ Buchenwald zu 20 Jahren Haft verurteilt, die später auf zehn Jahre Haft reduziert wurden. Otto, der eine Beteiligung an der Ermordung des KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann bis zuletzt abstritt, kam im März 1952 wegen guter Führung vorzeitig in Freiheit.

Das Land Nordrhein-Westfalen stellte ihn 1954 als Lehrer ein. Otto unterrichtete - auch im Fach Religion - in der katholischen Volksschule Goch und ab 1959 in der katholischen Volksschule Geldern. Aus seiner Vergangenheit machte er keinen Hehl, betonte jedoch, er sei im KZ Buchenwald lediglich mit Schreib- und anderen Büroaufgaben beschäftigt gewesen. Als Ottos tatsächliche Funktion in Buchenwald bekannt wurde, wurde ihm Mitte 1962 mit sofortiger Wirkung die Lehrertätigkeit untersagt. Trotzdem gelang es ihm, vor dem Verwaltungsgericht eine lebenslange Pension (1.700 DM) zu erstreiten.

Unterdessen wurde siebenmal vergeblich versucht, Otto wegen seiner (letztlich nicht bewiesenen) Mittäterschaft bei der Ermordung Thälmanns den Prozess zu machen. Irma Gabel-Thälmann, die Tochter Thälmanns, schaffte es 1982 über einen Klageerzwingungsantrag vor dem Oberlandesgericht Köln, dass 1985 ein Hauptverfahren vor dem Landgericht Krefeld gegen den in Geldern lebenden Lehrer eröffnet wurde. Das Urteil (vier Jahre Haft wegen Beihilfe zum Mord) wurde vom Bundesgerichtshof 1987 aufgehoben.

Im August 1988, ein Jahr vor seinem Tod, wurde Otto vom Landgericht Düsseldorf freigesprochen.

Freitag, 22. Februar 2013

© Martin Willing 2012, 2013