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Russischer Maler | * 1879 | † 1950
Wilhelm
Suckows Originalbeitrag „Der Maler Dimitri von Prokofieff“ ist im
Geldrischen Heimatkalender 1956, S. 62 f, erschienen. Auf diesen Aufsatz
stützt sich der folgende Beitrag:
Am Südrande des Friedhofs in Kevelaer liegt ein schlichtes Grab, das auf
den ersten Blick erkennen lässt, dass hier ein mit der Natur verbundener
Mensch seine letzte Ruhe gefunden hat. Neben einem grauen Naturstein
hält hochragend ein Wacholder stille Wacht, und braunes Heidekraut
breitet sich davor aus, umgeben von immergrünen Gewächsen aus Wald und
Heide. Es ist das Grab des Jagdmalers Professor Dimitri von Prokofieff,
der am 1950 in Kevelaer sein schaffensreiches Künstlerleben beendet hat.
Für immer wird er zu den hervorragendsten Jagdmalern unserer Zeit
zählen.
Deutschland wird zur zweiten Heimat von Dimitri von Prokofieff, der 1879
in Nikalajew in der Ukraine geboren wird. Er entstammt altem russischem
Adel, einer bekannten Künstlerfamilie, aus der Maler und Komponisten
hervorgehen, unter ihnen Künstler von hohen Graden. Ein naher Verwandter
von ihm gleichen Namens ist es, der die Musik zu „Romeo und Julia“
schreibt, für jenes Ballett, das zu Ehren des Bundeskanzlers Adenauer
bei dessen Besuch in Moskau im Bolschoi-Theater unter Mitwirkung der
großen russischen Tänzerin Ulanowa im Jahre 1955 gegeben wird.
Vor dem Ersten Weltkrieg malt D. von Prokofieff am Zarenhof in St.
Petersburg. Als 1917 die bolschewistische Revolution ausbricht und die
Zarenfamilie ermordet wird, muss er flüchten. Es ist eine gefahrvolle,
abenteuerliche Flucht, die ihn schließlich nach Deutschland führt.
Schnell gewinnt er mit seiner naturverbundenen Kunst die Herzen der
deutschen Jäger. Er kann es um so mehr, als er selbst ein begeisterter
Jäger ist. Alle Arten von Wild hatte er in der endlosen Weite seiner
russischen Heimat beobachtet, gejagt, gezeichnet und gemalt, alles
Niederwild oder auch uriges Großwild, Elch, Rothirsch, Wolf, Bär und
Luchs.
Fortan gilt nun sein künstlerisches Schaffen jahrzehntelang der Natur
und der Tierwelt in deutschen Revieren, den schönsten und wildreichsten
unseres Landes, in die ihn seine Studienfahrten führen.
In unerschöpflicher Schaffensfreude vervollkommnet er mehr und mehr sein
großes Können, das ihn in die erste Reihe der Jagdmaler stellt.
Überzeugender Maßstab für die Bewertung seiner reifen Kunst: Auf der
einzigartigen Internationalen Jagdausstellung 1937 in Berlin erhält er
unter stärkster Konkurrenz vieler Jagdmaler aus aller Welt, unter denen
der große Schwede Bruno Liljefors an der Spitze steht, die Silberne
Medaille. Mehr als diese äußere Anerkennung gilt die hohe Verehrung, die
der einst Heimatlose in den Herzen der deutschen Jäger findet. Sie gibt
ihm eine neue Heimat, die er lieb gewinnt.
Als die Russen 1945 Berlin einnehmen, muss Prof. von Prokofieff nach
Zerstörung seines Heims und seines Ateliers ein zweites Mal fliehen.
Mittellos kommt er nach Westdeutschland, zunächst nach Bad Ems, dann
nach Düsseldorf-Oberkassel, und schließlich findet er durch die
Gastfreundschaft des Barons Rudolf von Loe in Haus Ingenraedt bei Wankum
eine neue Heimstätte.
Seit Ende 1947 wirkt er hier mit ungebrochener Schaffensfreude, in der
selben Liebe zur Natur und zu ihrem Wild, die von jeher der tiefste
Antrieb seines reichen Künstlerlebens ist. Eine besondere Freude erlebt
er in Haus Ingenraedt: Viele seiner besten Bilder kommen wieder in
seinen Besitz. Prof. Lutz Heck, der bekannte Direktor des Berliner Zoos,
mit dem er befreundet ist, hat sie in Berlin gerettet. Als Lutz Heck auf
einer Kreisjägertagung 1950 in Kevelaer spricht, gibt es zwischen den
alten Freunden ein herzliches Wiedersehen.
Der Lebensabend, den Dimitri von Prokofieff im Kreis Geldern verbringt,
ist zwar nur auf wenige Jahre beschränkt, aber es sind Jahre wertvollen
künstlerischen Schaffens. Wer ihn in diesen Jahren persönlich
kennenlernt, sich aus seinem interessanten Leben erzählen lässt, einen
Einblick in seine reichhaltigen Skizzenbücher gewinnen oder ihm bei der
Arbeit zusehen darf, ist gleichermaßen beeindruckt von seiner
bescheidenen, liebenswerten Art wie von der Schönheit und Reife seiner
eigenwilligen, selbstbewussten, klaren Kunst impressionistischen Stils,
einer Kunst geboren aus inniger Naturverbundenheit, seltener
Beobachtungsgabe und starker Gestaltungskraft. Diese Werte finden
Ausdruck in allen seinen Werken.
Bis in seine letzten Lebensjahre hinein ist das künstlerische Wirken des
Prof. von Prokofieff wesentlich mitbestimmt von Gewissenhaftigkeit und
Verantwortungsbewusstsein, sich selbst und seinen vielen Verehrern
gegenüber. So ist es möglich, dass er allen Merkmalen der Landschaft und
allen Eigenarten der Tierwelt, die er mit seinem Malerauge schaut und in
seinen feinen Skizzen festhält, mit untrüglicher Zuverlässigkeit in
seinem Schaffen gerecht wird, ob es sich um Bär und Luchs in russischer
Schneeweite handelt, um Elch und Hirsch in ostdeutschen Revieren oder um
das Niederwild in unserer niederrheinischen Heimat.
Gerade diese unabdingbare Naturverwurzelung in ihrer klaren
Wahrhaftigkeit und schönheitsdurchglühten Wiedergabe machen den
Hauptwert seiner Kunst aus. Immer empfindet man aus seinen Werken über
die lebensnahe Darstellung der Kreatur hinaus eine wunderbare Belebung
der Natur, der sonnenüberfluteten Waldlichtung, des blühenden
Berghanges, des fallenden Laubes, der stillen Heide, des wogenden
Schilfes und der Schneelandschaft, die der Künstler - eine Besonderheit
seines Schaffens - wie kaum ein anderer in unendlich feinen Farbtönen zu
strahlender Leuchtkraft zu bringen weiß.
Als Gast des Barons von Loe, in dessen Familie er freundlich aufgenommen
ist, hat Dimitri von Prokofieff trotz seines forgeschrittenen Alters in
nimmermüder Arbeitskraft und Entdeckerfreude die landschaftlich
vielseitige und reich belebte Umgebung von Haus Ingenraedt durchstreift
und in der Erkenntnis, dass ein verantwortungsbewußter Künstler nie
auslernt, mit viel Liebe und Geduld in Wald, Bruch und Feld das Wild
beobachtet, skizziert, gezeichnet und gemalt: Streichende Schnepfen in
der Frühjahrsdämmerung, hoppelnde Hasen am Bruchrand, den fegenden Bock
im Stangenholz, sich sonnende Feldhühner im weichen Sand, einfallende
Enten im Morgengrauen, flüchtige Karnickel im dichten Gehölz, den
schnürenden Fuchs im Erlenbruch, aufstehende Fasanen im fahlen Ried,
sicherndes Rehwild im verschneiten Winterwald und viele Motive mehr, die
typisch sind für die niederrheinische Landschaft und ihre Tierwelt.
So hat er in dem kleinen Atelier, das er sich in dem edlen Adelssitz an
der Niers einrichten konnte, in seinen letzten Lebensjahren noch manche
wertvollen Bilder geschaffen, Kunstwerke aus unserer Heimat, mit der der
Name dieses hervorragenden Jagdmalers eng verbunden bleiben wird.
Als ein tückisches Leiden Prof. von Prokofieff auf das Krankenlager
wirft, hat er im Marienhospital in Kevelaer, solange seine Kräfte
reichen, seiner Kunst gedient, die für ihn alles ist. Wenige Tage vor
seinem Tode hat der über Siebzigjährige sein letztes Gemälde vollendet,
ein Fuchsbild in niederrheinischer Schneelandschaft, einen „typischen
Prokofieff“.
Die Weite seines russischen Heimatlandes mit Darstellungen urigen Wildes
steht vor mehr als fünfzig Jahren am Anfang des Wirkens dieses großen
Künstlers und liebenswerten Menschen, und unserem Niederrhein, unserer
Landschaft und Tierwelt ist der letzte Abschnitt seines reichen
Schaffens gewidmet - zeitlich und räumlich ein weit gespannter Bogen
eines wertvollen Künstlerlebens, das in unserem Kreise in letztem
sonnigen Glanze reifen Ausklang findet.