Peveling-Oberhag, Dr. Franz-Josef
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Chefarzt und Förderer des Marienhospitals in Kevelaer
| * 1944
Es
gibt nicht viele Persönlichkeiten, die in den vergangenen Jahrzehnten
den Bestand des Marienhospitals in Kevelaer so sehr mitgesichert haben
wie der langjährige Chefarzt und ärztliche Direktor Dr. Franz-Josef
Peveling-Oberhag.
Weitsichtig hatte Pastor Richard Schulte Staade als Vorsitzender des
Kuratoriums Ende der 1970er-Jahre die Weichen für das Haus neu gestellt,
das baulich in einem ziemlich erbärmlichen Zustand war. In den
Krankenzimmern verteilten sich auf engstem Raum mitunter sechs
Patienten. Über die sanitären Zustände wollen wir betroffen schweigen.
Auch die ärztliche Versorgung war verbesserungswürdig. Schulte Staade
ging neue Wege. Er wollte weg von dem betulichen Kleinstadtkrankenhaus
u.a. mit Belegbetten für Ärzte, die ihre eigene Praxis im Blick behalten
mussten, hin zu einem zukunftssicheren Hospital mit eigenen,
hochspezialisierten Medizinern.
Er streckte seine Fühler aus. Der Westfale fand einen anderen Westfalen:
den in Datteln geborenen Franz-Josef Peveling-Oberhag, wie Schulte
Staade zu Hause auf einem landwirtschaftlichen Hof, Gaesdonck-Schüler,
Katholik und bereits versehen mit einem exzellenten Ruf als
Gefäßchirurg. Der Pastor griff zu. Am 1. Juli 1982 hatte der 37-jährige
Arzt, der über "Röntgenologische Beiträge zur Diagnostik von
Schädel-Hirn-Verletzungen" promoviert worden war, seinen ersten
Arbeitstag im Marienhospital.
Zwar musste mit neuen Organisationsformen noch einiges an Lehrgeld
bezahlt werden, aber schon bald nahm der gute Ruf von Pevelings
Abteilung weit über den klassischen Einzugsbereich des Marienhospitals
hinaus Fahrt auf.
Am 1. Juli 1982 hatte Dr. Franz-Josef Peveling-Oberhag (l.) seinen
ersten Arbeitstag in Kevelaer. Pastor Richard Schulte Staade stellte den
Arzt der Öffentlichkeit vor.
Der Neue war einerseits hoch spezialisiert,
andererseits im Bereich der schneidenden Zunft ein Tausendsassa, der die
Allgemeinchirurgie beherrschte, seinen Patienten in der
Viszeralchirurgie beherzt in die Eingeweide griff und in der
Gefäßchirurgie kleine, große und lebensrettende Taten vollbrachte.
Eines
Tages wurde Erich Derricks sen. eingeliefert. Ihm war die
Bauchschlagader geplatzt. Es ging auf Leben und Tod. Derricks erzählte
später, Dr. Peveling sei sein Lebensretter gewesen.
Ein erfahrener Professor habe ihm nach seiner Gesundung gesagt, er wisse
nur von drei Patienten, die einen solchen Fall überlebt hätten. Erich
Derricks fand seinen Humor schnell wieder und scherzte über die
Operation. „Das war schnell gemacht: ein Stück Schlauch bei Smets geholt
- und fertig!“
Ganz so einfach war es nicht. Und so soll nicht verschwiegen werden,
dass Pevelings Leistungen möglich waren, weil er - immer ganz in Weiß,
den Kittel oft bis oben geschlossen, in seinem Fachgebiet Generalist und
General - sich und seinen Mitarbeitern höchste Qualität abverlangte. Er
setzte das Jahrtausende geltende Gesetz der Mathematik außer Kraft,
wonach 100 Prozent immer das Ganze sind. Peveling wollte mehr als 100
Prozent. Und er bekam sie.
Das galt besonders im Operationssaal. Hier hatte alles zu stimmen, um
für den Patienten auf dem OP-Tisch das Bestmögliche zu erreichen.
Legendär sind Pevelings sehr direkte "Reaktionen" auf fehlerhafte
Abläufe. Kaum hatte er den "Segen" auf den „Sünder“ niederhageln lassen,
war die Sache bei ihm allerdings schon in Vergessenheit geraten; er trug
nichts nach. In diesem schönen Sinn vergesslich waren auch seine
Mitarbeiter (als Dr. Peveling im Frühjahr 2010 verabschiedet wurde,
waren es besonders diese Mitarbeiter, die ihren Chef mit standing
ovations ehrten).
Trotz aller Qualitätssteigerungen und Neuerungen geriet das Krankenhaus
Ende der 80er-Jahre gehörig unter Druck. Düsseldorf drängte,
unwirtschaftliche Abteilungen zu schließen - gemeint war die Pädiatrie,
die Kinderstation - und entschlossener auf die Stärken des Hauses zu
setzen. SPD-Mann Helmut Esters arbeitete in Abstimmung mit
Verwaltungsdirektor Rainer Haas als gewiefter Zwischenhändler bei
Gesundheitsminister Hermann Heinemann in der Landeshauptstadt an dem
Deal, die Pädiatrie aufzugeben und dafür die Gefäßchirurgie als
Hauptfachabteilung anzuerkennen und zu stärken. Eine für die Pädiatrie
tragische und zugleich unabweisbare Entwicklung.
Überall wurden in der Folgezeit kleinere Häuser wegen
Unwirtschaftlichkeit geschlossen. Sie hatten niemandem die notwendigen
Kompromisse zumuten wollen. Die kranken Abteilungen rissen alle gesunden
ins Aus.
Das Marienhospital überlebte. Düsseldorf honorierte die unpopuläre
Anstrengung mit kräftigen Finanzspritzen. Schon bald nach der Schließung
der Pädiatrie kam der Bewilligungsbescheid über neun Millionen Mark für
einen neuen OP-Trakt. Im Frühjahr 1990 gab es den ersten Spatenstich.
Minister Hermann Heinemann packte persönlich mit an. 1992 – Heinemann
war erneut angereist – feierte Kevelaer die Einweihung.
Rainer Haas bezeichnete das Düsseldorfer Engagement damals als "gutes
Zeugnis und Anerkennung insbesondere für die Leistung in der
gefäßchirurgischen Abteilung von Dr. Peveling“.
1997 schickte die Bezirksregierung unerwartet einen Bewilligungsbescheid
über eine Million Mark. Alle 20 Patientenzimmer in Pevelings
gefäßchirurgischem Bereich konnten mit eigenen Bädern ausgestattet
werden.
Der Mann hat sich sein ganzes Berufsleben lang immer wieder auf
medizinische Neuerungen eingelassen - gleich ob es um technische
Großgeräte, "Zwirn" und Nadel oder ärztliche Kunst ging. Als die
minimal-invasive Chirurgie aufkam, war er begeistert von der
Möglichkeit, mit kleinsten Eingriffen Operationen zu ersetzen, die bis
dahin einschneidende Großereignisse gewesen waren - mit entsprechenden
Gefahren und langen Liegezeiten für die Patienten.
Dr. Peveling suchte sich Möglichkeiten, die neuen Techniken zu lernen,
und übte unter fachlicher Aufsicht zunächst an Schweinen, die
bekanntlich viel menschenähnliches Material aufweisen. Er rief, nachdem
er den ersten minimal-invasiven Eingriff in Kevelaer erfolgreich hinter
sich gebracht hatte, vom OP-Saal aus begeistert Rainer Haas an. Der
erinnert sich: "Dr. Peveling war wie beseelt. Er muss - seiner
Aussprache nach - noch den Mundschutz getragen haben. Alles war bestens
gelaufen."
Peveling wurde gern von ärztlichen Kollegen aufgesucht, beispielsweise
2000 und 2006, als polnische Ärzte bei ihm neueste Operationstechniken
in der Gefäßchirurgie kennen lernten. Auch ließ er sich verpflichten,
Patienten aufzuklären: Bei Informationsabenden sprach er u.a. über
Risikofaktoren, Vorbeuge- und Behandlungsmaßnahmen bei Krampfadern.
Es kam das Zeitalter der endovaskulären Behandlungen: Mit Hilfe
kleinster Schnitte in der Leiste werden bei arteriellen
Verschlusskrankheiten Gefäßbypässe angelegt oder bei Aortenaneurysmen,
Aussackungen der Hauptschlagader, Protheseneinlagen gesetzt - komplexe
Eingriffe, die höchste Fertigkeit verlangen. Ab 2005 wandte Peveling sie
an.
Der Mediziner wurde immer mehr zu einer festen Größe im Marienhospital,
das heute in der Katholischen Karl-Leisner-Klinikum gGmbH geführt wird.
Pevelings Ruf ist besonders bei Patienten ohne jeden Tadel. Viele lobten
auch öffentlich seine ärztliche Kunst, seine Zugewandtheit und seine
Freundlichkeit.
Die Zahl seiner Eingriffe ist dokumentiert. 42.408 Menschen lagen vom 1.
Juli 1982 bis zum 31. März 2010 vor ihm auf dem OP-Tisch. Nicht
errechnet sind die Hilfeleistungen, die er in der chirurgischen Ambulanz
erbracht hat. Es dürften weit über 100.000 sein.
Dr. Franz-Josef Peveling-Oberhag war ein leidenschaftlicher Arzt.
Bis heute pflegt er weitere Vorlieben - zum Beispiel Oldtimer aus einem
bestimmten Werk in Zuffenhausen. Und seit November freut er sich an
Enkeltöchterchen Luisa von Sohn Jan, Facharzt am Universitätsklinikum in
Frankfurt.
Was bleibt zu wünschen? Auf jeden Fall gute Gesundheit, Herr Doktor!