Logo für Blattus Martini



Logo für Buchstaben A Logo für Buchstaben B Logo für den Buchstaben c Logo für den Buchstaben d Logo für den Buchstaben e Logo für den Buchstaben f Logo für den Buchstaben g Logo für den Buchstaben h Logo für den Buchstaben i Logo für den Buchstaben j Logo für den Buchstaben k Logo für den Buchstaben l Logo für den Buchstaben m
    SACHBEGRIFFE |
Muckermann, Friedrich

Jesuitenpater, Publizist, Kämpfer gegen die Nazis | * 1883 | † 1946

Friedrich MuckermannAls der Kevelaerer Arzt Dr. Peter Hoffmann 1958 mit seiner Frau Stephanie Goldene Hochzeit feierte, ließ er den damaligen KB-Redakteur einen Blick in das Gästebuch des Hauses werfen. Stephanie und Peter Hoffmann, der 1924 in Kevelaer den Akademikerverein gegründet hatte, pflegten in ihrem Refugium „das Geistesleben im alten humanistischen Sinne“ (Hoffmann) und erfreuten sich der Gesellschaft von Künstlern, Theologen und Philosophen.

Das erste Gästebuch hatte Hoffmann rechtzeitig vernichtet, um der gefürchteten Gestapo keine Hinweise zu geben. Im zweiten, direkt nach dem Krieg angelegten Gästebuch fanden sich ebenfalls bekannte Namen wie der von Felix Timmermans, dem flämischen Dichter. Da standen auch zwei Namen, die im Zusammenhang mit der Fluchthilfe für den ehemaligen Reichskanzler Brüning und seinen Verkehrsminister Treviranus eine Rolle spielen [ Franz Sprünken | Helfer im Widerstand, Kaplan in Kevelaer, Pfarrer in Emmerich]. Die beiden Männer waren Gäste des Kevelaerer Arztes gewesen: Hermann Muckermann und sein Bruder Friedrich Muckermann, die beide als Pater dem Jesuitenorden angehörten.

Es ist unverständlich, dass bis jetzt kein Biograf das Leben und Wirken von Friedrich Muckermann erforscht und beschrieben hat. Von Muckermanns „Erinnerungen“, zwischen 1941 und 1942 im französischen Exil diktiert und erst 1973 - bald 20 Jahre nach seinem Tod - publiziert, existieren heute lediglich einige Exemplare in Antiquariaten.

Damit verschenkt insbesondere die katholische Kirche eine ergiebige Quelle für Untersuchungen, ob „die Kirche“ mit den Nazis kollaboriert oder gegen sie Widerstand geleistet hat. Wer bisher zu der traurigen Erkenntnis gekommen ist, dass auch „die katholische Kirche“ im Dritten Reich versagt habe, stößt bei Muckermann auf so viele Frauen und Männer des Widerstands, dass man von pauschalen Einschätzungen Abstand nehmen muss.

Freilich: Das nach Muckermanns frühem Tod (1946) eingetretene Desinteresse an dieser Lichtgestalt in dunklen Jahren war vielleicht ein hingenommenes Vergessen-Lassen, denn es ist bis heute schwierig, den Katholiken verständlich zu machen, warum nur einzelne Priester, nicht aber die Gesamtheit der deutschen Bischöfe und Papst Pius XII. den Nationalsozialismus in seiner diabolischen Ausprägung eindeutig und öffentlich verurteilt haben.

Muckermann vermisste (wie später Martin Niemöller) bei den Verantwortlichen der Kirchenleitung Gottvertrauen. Hätten die kirchlichen Autoritäten den gleichen Mut und das ebenso feste Gottvertrauen wie viele junge Menschen in Deutschland gehabt, dann wäre das Schlimmste zu verhindern gewesen: „Man hätte noch im letzten Augenblick ein Wunder wirken können.“ Davon war der Geistliche überzeugt (F. Muckermann, Erinnerungen, S. 568).

Das Konkordat, zwischen dem Vatikan und Berlin 1934 geschlossen, war für Hitler „ein Prestigegewinn, der gar nicht hoch genug gewertet werden kann“, urteilte Muckermann bereits 1942 (S. 586). Mit der Einsicht, von den Nazis getäuscht und betrogen worden zu sein, wurde Papst Pius XI. um so deutlicher in seiner berühmten Enzyklika „Mit brennender Sorge“ (1937). Diese Kampfschrift gegen den Nationalsozialismus rüttelte die Katholiken in aller Welt auf und trieb die Nazis zu wütenden Verfolgungen derjenigen, die die Schrift verbreiteten.

Der inzwischen von der Gestapo gesuchte Jesuitenpater Friedrich Muckermann floh 1934 nach Holland und setzte von dort aus seinen kompromisslosen Kampf gegen den Nationalsozialismus als Herausgeber der Wochenzeitung Der deutsche Weg fort. Die im Kleinformat gedruckte und als Brief gefaltete Zeitung wurde in neutrale Umschläge gesteckt und an Tausende Abonnenten in Deutschland, später an Auslandsdeutsche in bis zu 40 Ländern geschickt.

Seine scharfen Artikel entlarvten den Nationalsozialismus als Ersatzreligion und damit als Totengräber des Christentums. Schon 1930 schrieb er von der „Unvereinbarkeit von Katholizismus und Nationalsozialismus“ und legte sich mit jedem an, der sich mit Einwürfen wie „Ja, aber...“ vor einer klaren Haltung drücken wollte.

Nicht nur in Kirchenkreisen war Muckermann während des Dritten Reichs einer der bekanntesten Deutschen. Reichskommissar Dr. Arthur Seyß-Inquart, oberster Nazi im besetzten Holland und von Hause aus Österreicher, urteilte über Muckermann: Der sei ein Vertreter des „politischen Konfessionalismus, die es wagten, Kritik an nationalen und nationalsozialistischen Anschauungen zu üben“. Als den Unverschämtesten von ihnen bezeichnete er P. Friedrich Muckermann SJ. „Ich habe P. Muckermann einmal im Stephansdom (in Wien) predigen gehört. Seine Worte verdienen diese Bezeichnung gar nicht. Eine Katastrophe!“ Es sei für ihn, Seyß-Inquart, ein „besonders dunkler Punkt“, daß Holland dem „berüchtigten Muckermann“ Zuflucht gewährt habe. Der Pater habe „täglich Schmutzkübel ausgeschüttet … auf alles, was uns heilig und teuer ist“ (H. J. Neuman, Arthur Seyß-Inquart. Graz 1970. S. 51).

Noch vor der Besetzung der Niederlande (Mai 1940) war Muckermann dort nicht mehr sicher. Er siedelte nach Frankreich über, von wo aus er seinen publizistischen Kampf gegen das NS-Regime weiterführte. Aus Paris konnte er 1943 noch gerade rechtzeitig dem Zugriff der Gestapo entkommen.

Muckermann floh schließlich in die Schweiz, wo er ungezählte Artikel für Zeitungen und Zeitschriften und drei weitere Bücher verfasste. Nach dem Krieg wurde ein Teil seiner Schriften wiederum in Deutschland verboten - diesmal in der DDR. Es handelte sich um die Aufsätze und Bücher, die sich mit dem Bolschewismus kritisch auseinander setzten.

Angegriffen wurde Muckermann während und nach der NS-Zeit auch von katholischer Seite. Ihm wurde vorgehalten, er habe vom „sicheren Ausland“ aus den Widerstand gegen die Nazis gepredigt, während die meisten Deutschen Wege hätten finden müssen, um unter dem Regime zu leben. Indes, den Mut, den Muckermann insbesondere in der Kirchenleitung vermisste, hatte der Pater schon in Zeiten bewiesen, als er selbst dem Zugriff der Gestapo ausgesetzt war.

2003 machte die Neue Zürcher Zeitung im deutschsprachigen Raum publik, dass nicht nur Edith Stein in einem Brief vom April 1933 Papst Pius XI. beschworen hat, gegen die beginnende Judenverfolgung zu protestieren. Ein solcher Brief wurde auch von dem Jesuiten Friedrich Muckermann geschrieben, und zwar im November 1934 aus dem holländischen Exil.

Empfänger war Kardinal Pacelli, der spätere Papst Pius XII. Muckermann warnte davor, den Nationalsozialismus nur als politische Bewegung anzusehen: Man habe es mit einer „positiven“ Gegenreligion zu dem als „negativ“ bezeichneten Christentum zu tun, hieß es laut NZZ in dem Brief, in dem der Deutsche „die schwache und uneinheitliche Haltung der deutschen Bischöfe“ kritisierte. Dieser Vorwurf gelte „und zwar mit Recht, auch auf ‚Rom‘, wo man Hitler anscheinend noch nicht als Weltgefahr erkannt“ habe.

Diese Unbeugsamkeit, die vor der eigenen Kirchenführung nicht Halt machte, hat das Interesse, diesen Priester als Vorbild herauszustellen, vielleicht abgekühlt. So ist Friedrich Muckermann heute als katholischer Widerstandskämpfer eher nur Insidern bekannt - im Gegensatz zu dem seligen Bischof von Münster, Clemens August von Galen.



Drei der Geschwister Muckermann

Friedrich Muckermann
* 1883 in Bückeburg; † 1946 in Montreux. Jesuitenpater und Publizist. Einer der entschiedensten katholischen Kämpfer gegen den Nationalsozialismus. Herausgeber der Zeitschriften Der Gral (1939 verboten) und Der deutsche Weg (im Untergrund). 1934 Flucht nach Holland, 1935 Professur in Rom, 1938 Flucht nach Paris, 1940 Flucht in den unbesetzten Teil Frankreichs, 1942 Flucht in die Schweiz. Unterdessen zahlreiche Veröffentlichungen und Radioansprachen.

Hermann Muckermann,
* 1877 in Bückeburg; † 1962 in Berlin. Jesuitenpater, Biologe, Rassenhygieniker/Eugeniker. Trat 1926 nach Auseinandersetzungen aus dem Jesuitenorden aus, blieb aber zeitlebens katholischer Geistlicher. War von 1927 bis 1933 Abteilungsleiter am Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie in Berlin und wurde 1933 von den Nationalsozialisten entlassen. Von 1933 bis 1945 Leiter der bischöflichen Forschungsstelle für die Gestaltung von Ehe und Familie. 1936 erhielt er Rede- und Schreibverbot.

Richard Muckermann
* 1891 in Bückeburg, † 1981 in Essen. Politiker (Zentrum, später CDU) und Publizist. Gründete 1924 die Zeitung Film-Rundschau. Ab 1933 Verbot jeder publizistischen Tätigkeit. Nach der Befreiung zunächst Redakteur der Neuen Rheinischen Zeitung und der Rheinischen Post, 1946 Chefredakteur der Rhein-Ruhr Zeitung in Essen. Bis 1950 Landtagsabgeordneter. 1961 Verleihung des Großkreuzes des Bundesverdienstkreuzes, Ernennung zum Komturritter des Gregoriusordens.

© Martin Willing 2012, 2013