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Bakker, Ton
Der Pater von der Ladestraße | * 1940 | † 1999

Foto zeigt Pater Ton Bakker
Als Ton Bakker Ende der 70er-Jahre in Kevelaer auftaucht, hält mancher ihn für einen Sozialarbeiter, der sich dem Erscheinungsbild seiner Schutzbefohlenen angepasst hat: Lange Haare, legere Kleidung, selbstgedrehte Zigaretten. Vielleicht wird „Pater Bakker“ auch deswegen zu einem Begriff in Kevelaer, weil er äußerlich kaum ins Bild passt, das von einem Priester hierzulande verbreitet ist.

Der Niederländer, 1940 geboren und 1968 zum Priester geweiht, tritt der Ordensgemeinschaft Mariannhill bei, wirkt zunächst im Berufsschuldienst und schenkt anschließend Randgruppen seine Zuwendung. Solche Menschen findet er in Kevelaer, wo er damit beginnt, eine Suchtberatungsstelle der Caritas in einem alten Haus an der Ladestraße 2 aufzubauen.

In einem Zeitungsbericht heißt es: „Seit dem 1.2.1978 ist der für seine erfolgreiche Jugendarbeit im Issumer Raum bekannte Pater Bakker hauptberuflich für die Drogenberatung im Südkreis Kleve tätig. Kevelaer wurde als Standort der Beratungsstelle ausgewählt, weil hier ein Schwerpunkt der Drogenszene im Kreis liegt.“

Laut Pater gebe es in Kevelaer etwa 150 Jugendliche und junge Erwachsene, die zum harten Kern der Drogenabhängigen zu rechnen seien. Erfahrungsgemäß habe jeder Konsument etwa zehn Kontaktpersonen, die stark gefährdet seien.

14 Jahre lang ist Pater Ton Bakker ein Segen für Suchtkranke in der Marienstadt, wo Hoffnung und Elend so hautnah nebeneinander zu erleben sind. Was nach außen gerne verschwiegen wird, steht für Ton Bakker im Mittelpunkt seines Wirkens: die Menschen, die schwer mit der Abhängigkeit von harten Drogen, Alkohol oder Medikamenten zu kämpfen haben.

14 Jahre Kevelaer – vielen kommen sie wie eine gute Ewigkeit vor. Der Niederländer kann bei seinen Beratungskontakten zusammen mit seinem kleinen Team ungezählten Menschen Orientierungshilfen gegeben, wie Betroffene und mitbetroffene Angehörige mit der Sucht leben und weiterleben können und wie sie neu ansetzen können, um am Ende vielleicht doch einen glücklichen Ausweg zu finden.

Der Pater, von seinem Orden für diese Kevelaerer Aufgabe freigestellt, findet den notwendigen Abstand in Issum, wo er wohnt. Als er Kevelaer verlässt, schreibt das Kevelaerer Blatt nach einem langen Gespräch mit dem Geistlichen:

Wenn ein Mann mit der Erfahrung Bakkers der Substitution (Behandlung mit dem Ersatzstoff Methadon) skeptisch, wenn nicht sogar ablehnend gegenübersteht, zugleich die Entkriminalisierung des Besitzes von Drogen zum Eigengebrauch fordert, leiten sich daraus auch Hinweise auf die Unmöglichkeit ab, die Drogenproblematik mit einfachen Formeln darzustellen. Unumstritten sind freilich die Sorge und Verantwortung für die Vorbeugung, der sich jeder von uns zu stellen hat, insbesondere die Eltern unter uns. Nicht die Zeitmenge, die den Kindern gewidmet wird, ist in unserem Zusammenhang entscheidend, sondern die Intensität der Zuwendung. Das Kind muß die Liebe seiner Eltern erfahren und sich verstanden fühlen.

Der 51jährige Ton Bakker, dem nicht nur die Kevelaerer zu danken haben, nimmt in der Justizvollzugsanstalt die Seelsorgerarbeit zu einem Zeitpunkt auf, da er sich noch fit fühlt für eine neue Aufgabe.

Foto zeigt Pater Ton Bakker im GefängnisDas ist im Jahr 1992. Ton Bakker beginnt im Ponter Gefängnis zum 1. April seine neue Arbeit als katholischer Anstaltsgeistlicher. In all den Jahren wirkt der Pater auch in seiner Heimatgemeinde St. Nikolaus in Issum mit, wo er sich zunächst um die Jugendarbeit kümmert.

Pater Ton Bakker in der Ponter Justizvollzugsanstalt im Gespräch mit einem Gefangenen.

Er schart einen Kreis engagierter junger Menschen (,,Jung Issum“) um sich, bewegt viel in der Caritasarbeit und übernimmt in der Gemeindeseelsorge als Aushilfsgeistlicher wesentliche Aufgaben. Die Erfahrung des Subsidiars ist im Issumer Pfarrgemeinderat gefragt.

Völlig unerwartet stirbt Pater Ton Bakker Ende November 1999.

Die katholische Kirchengemeinde Issum veröffentlicht einen Nachruf: 

Sein unbestechliches Urteil über den Zustand der Gesellschaft und Kirche, sein leidenschaftlicher, kompromissloser Einsatz für die Menschen am Rande, seine Ecken und Kanten, mit denen er anstieß und Anstöße gab, machten ihn zu „Ton“, einem vielfach in Anspruch genommenen Berater und Begleiter, auch in fast aussichtslosen Fällen. Daß seine Worte mit seinen Taten übereinstimmten, nötigte uns Respekt ab, auch wenn wir manchmal seinen Ansprüchen nicht folgen konnten. Ton Bakker war als Mensch ein Original, als Priester ein Seelsorger, als Ton ein Wegbegleiter, der uns fehlen wird, Wie er sein Christsein lebte, ist uns Erbe und Auftrag. Wir danken für alles, was er für unsere Gemeinde getan hat und bitten, daß Gott ihm die Fülle des Lebens schenke. Wir werden das Andenken an Ton Bakker bewahren und ihn in guter Erinnerung behalten.

Die Emmaus-Gemeinschaft Geldern drückt es so aus:

Er war vorbildlich in seinem unermüdlichen persönlichen Einsatz und seiner kompromißlosen Hinwendung zum Nächsten, ob in der Suchtszene oder in der Gefängnis-Seelsorge. Nicht nur den Brüdern in Not, sondern auch den verletzten und verzweifelten Schwestern verhalf er immer wieder zu einem Neuanfang, wie eine junge Frau dies durch ihre Traueranzeige dankbar bezeugt hat. Auch die Emmaus-Gemeinschaft, die mit Pater Bakker in der JVA Geldern-Pont ein Stück Weg gemeinsam gegangen ist, gedenkt seiner dankbar im Gebet. Möge der Herrgott uns allen, die Pater Bakker besonders in der JVA als väterlichen Freund und Bruder schmerzlich vermissen, durch seine Fürbitte einen neuen priesterlichen Begleiter schenken.

 Drei Tage vor den offiziellen Nachrufen erscheint eine private Traueranzeige, die vielleicht Hunderten Menschen, die mit diesem Pater in Kontakt gekommen sind, aus der Seele spricht:

Dankbar für die schöne Zeit, die ich mit Dir erleben durfte und für die große Güte, die Du mir geschenkt hast, nehme ich Abschied. Du wirst mir sehr fehlen und in meinem Herzen weiterleben.

Unvergessen wird Ton Bakker auch in Kevelaer bleiben.