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Die Leserdemonstration nach der Streikaktion
Natürlich wollte die Gelderner RP-Redaktion die Demonstration und
die Kundgebung der „Leserinitiative Rheinische Post", für Samstag, 29.
November 1980 terminiert, nicht ankündigen.
Es wäre zwecklos gewesen,
wenn ich in der Redaktionskonferenz unter dem neuen Lokalchef und im
Beisein der umgefallenen Redaktionsmitglieder einen solchen Vorschlag
gemacht hätte.
Dieses Bild von der Demo in Geldern zur Wiedereinsetzung des Lokalchefs Martin Willing erschien im Rahmen einer fast ganzseitigen Berichterstattung in der Zeitung Dagblad voor Noord-Limburg.
Gleichwohl war ich entschlossen, es auf besondere Weise zu versuchen.
Am Tag vor der „Demo" parkte ich meinen Wagen hinter der Stadtkirche. Von zu Hause hatte ich meine private Schreibmaschine mitgebracht, die, da schon betagt, ein unverkennbares, schlechtes Schriftbild produzierte.
In einer Pause begab ich mich zu meinem Wagen, holte die Schreibmaschine hervor und schrieb auf farbigem RP-Manuskriptpapier eine Meldung, in der ich, wie es sich für eine gute Ankündigung gehört, alle notwendigen Angaben - wer, was, wann, wo und warum - einbaute. Ich schrieb auch das Ziel der Demonstration in die Meldung hinein, nämlich die Wiedereinsetzung des beurlaubten Lokalchefs Martin Willing.
Die Meldung entsprach einschließlich Punkt und Komma exakt den journalistischen Regeln einer sachgerechten, angemessenen Terminankündigung. Indes, sie hätte keine Chance gehabt, in der RP veröffentlicht zu werden.
Und sie erschien doch...
Ich packte das Manuskript der Meldung in einen kleinen Stapel mit letzten Meldungen und begab mich nach unten in die Setzerei. Der Techniker, der die Manuskripte in Empfang nahm, blätterte kurz durch, stieß auf die Meldung zur Demonstration und schaute mir in die Augen. Da wusste ich, dass der Mann verstanden hatte. Er ging, ohne ein weiteres Wort, mit den Manuskripten in die Setzerei.
Sofort nach Erscheinen der Meldung im Lokalteil der RP Geldern muss der Teufel los gewesen sein. Nun war die Redaktion im Zugzwang, auch einen Nachbericht über die von ihr angekündigte große Demonstration zu bringen - Verschweigen war nun nicht mehr drin. Am Montag erschien eine dürftige Meldung, die um den Kern der Sache herumredete. Für Leser, die Anlass und Hintergründe nicht kannten, las sie sich wie ein 08/15-Bericht über eine x-beliebige Angelegenheit. Tatsächlich waren rund 300 Demonstranten auf den Beinen gewesen, die für die innere Pressefreiheit eintraten.
Einer meiner Noch-Kollegen - es war jener, der sich schon so sehr auf seine Zeit als Reisejournalist gefreut hatte - verkündete am Montag, kaum dass ich die Redaktion betreten hatte, wie ein Kriminalist, er habe den Auftrag erhalten, alle Schreibmaschinen in der Redaktion einem Test zu unterziehen und mit Hilfe der Schriftbilder zu ermitteln, auf welcher Maschine diese Meldung geschrieben worden sei, um auf diese Weise den Täter zu entlarven.
Sofort begab er sich zu der Schreibmaschine an meinem Arbeitsplatz, tippte die ersten Sätze der Meldung und zog das Papier heraus. Das Schriftbild sah so was von anders aus als das indizierte Original, dass Kommissar X nach Düsseldorf melden musste, dass die Evers als mutmaßliche Täterin nicht hätte überführt werden können.
Als ich am Abend nach Hause fuhr, hörte ich im Autoradio ein Lied, das Jahre danach zur Werbehymne der Bierbrauerei in Issum werden sollte: „Ein schöner Tag..."
Ja, das fand ich auch.
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© Martin Willing 2012, 2013